Eine Familie beim Einkaufen vor einem Kühlregal ©Deutsche Bundesbank

Der Kinderbonus in der Corona-Pandemie: Umverteilung statt Fiskalimpuls Research Brief | 48. Ausgabe – Juni 2022

In den Jahren 2020 und 2021 erhielten Eltern in Deutschland als Reaktion auf die Corona-Pandemie den sogenannten Kinderbonus, mehrere Transferzahlungen vom Staat in Höhe von insgesamt 450 Euro pro Kind. Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Kinderbonus die Konsumausgaben insgesamt nur geringfügig erhöht hat. Der Kinderbonus sollte daher weniger als Fiskalimpuls, sondern eher als Umverteilungsinstrument von der Allgemeinheit hin zu Familien angesehen werden.

Die deutsche Bundesregierung hat als Reaktion auf die Corona-Pandemie im Jahr 2020 mehrere fiskalpolitische Maßnahmen beschlossen, darunter eine Transferzahlung an Haushalte mit Kindern. Dieser sogenannte Kinderbonus sollte die Belastungen abfedern, denen Familien durch die Corona-Einschränkungen ausgesetzt waren, und überdies die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stützen. In einer neuen Studie gehen wir der Frage nach, ob der Kinderbonus tatsächlich zu einem messbaren Konsumimpuls geführt hat (Goldfayn-Frank et al, 2022).

Angesichts bereits sehr niedriger Zinssätze konnte die Geldpolitik nur begrenzt zusätzliche expansive Impulse setzen, um dem wirtschaftlichen Abschwung infolge der Corona-Pandemie entgegenzuwirken. Die Fiskalpolitik war daher besonders gefordert. Frühere Studien zu Fiskaltransfers, beispielsweise während der Großen Rezession im Jahr 2008 oder der Rezession im Jahr 2001, haben steigende Konsumausgaben in Höhe von 50 bis 90 Prozent der Transferzahlungen festgestellt (Johnson et al, 2006; Parker et al., 2013). Allerdings könnte die Wirksamkeit antizyklischer, also der Konjunkturentwicklung gegensteuernder, fiskalpolitischer Maßnahmen durch die Pandemie selbst beeinträchtigt sein, wenn Menschen entweder aus Angst vor Ansteckung oder wegen der verhängten Corona-Maßnahmen weniger konsumieren (vergleiche auch Deutsche Bundesbank, 2021).

Für unsere Studie greifen wir auf einen Datensatz der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zurück, welcher die täglichen Konsumausgaben für Verbrauchsgüter wie Nahrungsmittel und für kurzlebige Konsumgüter wie Kleidung von fast 10.000 Haushalten erfasst. Wir kombinieren die täglichen Daten zu den Ausgaben der privaten Haushalte und die zufällig verteilten Auszahlungstermine, um den Ausgabeneffekt des Kinderbonus zu identifizieren. So vergleichen wir die Ausgaben zweier Haushalte, die sich nur darin unterscheiden, dass der eine die Kinderbonuszahlung bereits erhalten hat und der andere noch nicht. In unserer Studie beobachten wir also – im Unterschied zu anderen Studien – das tatsächliche Ausgabeverhalten der Haushalte und müssen uns nicht auf Befragungen verlassen.

Abbildung 1: Monatliche Konsumausgaben
Abbildung 1: Monatliche Konsumausgaben
Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, ob der Kinderbonus Konsumausgaben erhöht hat, vergleichen wir in Abbildung 1 die durchschnittlichen monatlichen Konsumausgaben von Haushalten mit Kindern mit den Ausgaben von Haushalten ohne Kinder zwischen Juli 2020 und Juni 2021.

Der Bonus wurde in drei Raten ausgezahlt: 200 Euro pro Kind im September 2020, 100 Euro pro Kind im Oktober 2020 und 150 Euro pro Kind im Mai 2021. Wir sehen in der Grafik, dass die Ausgaben der Haushalte mit Kindern im September 2020 im Vergleich zum Vormonat steigen. Bei kinderlosen Haushalten hingegen bleiben die durchschnittlichen Ausgaben über diese zwei Monate hinweg konstant. Anders sieht es bei der zweiten und dritten Auszahlung aus. Im Oktober 2020 verlaufen die Ausgaben beider Haushaltsgruppen parallel, im Mai 2021 geben die Haushalte mit Kindern sogar etwas weniger für Konsum aus als im April, während kinderlose Haushalte in etwa gleich viel ausgeben. Diese erste Betrachtung legt nahe, dass nur die erste Rate des Kinderbonus zu Mehrausgaben geführt haben könnte.

Um den Effekt des Kinderbonus auf die Haushaltsausgaben genauer zu bestimmen, führen wir eine Reihe ökonometrischer Schätzungen durch. Das Schätzergebnis drücken wir als marginale Konsumneigung aus, das heißt als den Prozentsatz der Transferzahlung, der innerhalb des Monats ausgegeben wurde.

Unsere Schätzungen zeigen, dass der Kinderbonus einen relativ geringen Effekt auf die Konsumausgaben hatte. Bei der ersten Teilzahlung belief sich die marginale Konsumneigung auf etwa 12 Prozent. Von einem Euro Kinderbonus wurden also 12 Cent im Monat des Transfererhalts ausgegeben. Der Effekt konzentrierte sich auf den Verbrauchsgüterbereich und fiel in Landkreisen mit niedrigeren Infektionszahlen stärker aus. Haushalte mit geringem Einkommen oder solche mit Liquiditätsbeschränkungen reagierten ebenfalls stärker, wobei nur wenige Haushalte solche Beschränkungen angaben. Haushalte mit einer höheren Sparquote reagierten dagegen weniger auf den Kinderbonus. Der Ausgabeneffekt scheint nicht systematisch von der lokalen Arbeitsmarktsituation oder der lokalen Stärke der Corona-Maßnahmen abzuhängen. Weiterhin finden wir keinen vorgezogenen Konsumeffekt kurz nach der Ankündigung des Transfers. Online-Shopping spielte eine eher untergeordnete Rolle. Die Anzahl der Kontakte von Haushalten, gemessen anhand der Anzahl der besuchten Geschäfte, erhöhte sich aufgrund des Kinderbonus.

Abbildung 2: Sparquote vor und während der Corona-Pandemie
Abbildung 2: Sparquote vor und während der Corona-Pandemie
Abbildung 3: 7-Tage-Inzidenz und Auszahlungsmonate des Kinderbonus
Abbildung 3: 7-Tage-Inzidenz und Auszahlungsmonate des Kinderbonus
Für den zweiten und dritten Teiltransfer konnten wir keinen signifikanten Effekt feststellen. Daraus ergibt sich für die drei Transferraten des Kinderbonus zusammengerechnet eine marginale Konsumneigung von nur 5 Prozent. Das Ausbleiben einer Konsumreaktion für den zweiten und dritten Teiltransfer könnte mit einer anhaltend hohen Sparquote der Bevölkerung (siehe Abbildung 2 oder auch Deutsche Bundesbank, 2021) sowie mit steigenden Infektionszahlen zusammenhängen (siehe Abbildung 3). Selbst wenn die Ausgaben für langlebige Konsumgüter und Dienstleistungen, die in den Daten nicht vorhanden sind, einen ähnlichen Anstieg zeigen würden, ergäbe sich eine marginale Konsumneigung von nur 14 Prozent.

Fazit

Insgesamt lässt sich also nur ein sehr begrenzter Konsumimpuls des Kinderbonus feststellen. Dies hängt unter anderen auch mit dem besonderen Pandemiekontext zusammen, der die Effektivität der Transferzahlung einschränkt. Unser Resultat ist konsistent mit den Ergebnissen von Parker et al. (2022), die eine marginale Konsumneigung von circa 10 Prozent für die „Economic Impact Payments“ finden, welche ebenfalls als direkte Transfers im Jahr 2020 an US-Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt wurden. Andere Forschungsergebnisse zeigen hingegen, dass die temporäre Mehrwertsteuersenkung in Deutschland den Konsum effektiv angekurbelt hat (Bachmann et al, 2021). Der Kinderbonus hat daher weniger die Konjunktur stabilisiert, sondern vielmehr als Umverteilungsinstrument gewirkt.

Haftungsausschluss
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

Referenzen

  • Bachmann, Rüdiger, Benjamin Born, Olga Goldfayn-Frank, Georgi Kocharkov, Ralph Luetticke, Michael Weber (2021) “A Temporary VAT Cut as Unconventional Fiscal Policy“. NBER Working Papers 29442, National Bureau of Economic Research, Inc.
  • Deutsche Bundesbank (2021) „Zu den Sparmotiven privater Haushalte während der Pandemie und ihren Implikationen für die Projektion“ Monatsbericht, Juni 2021, S. 25– 28.
  • Johnson, David S., Jonathan A. Parker, and Nicholas S. Souleles (2006) “Household expenditure and the income tax rebates of 2001” American Economic Review 96(5), 1589-1610. 
  • Goldfayn-Frank, Olga, Vivien Lewis and Nils Wehrhöfer (2022) “Spending effects of child-related fiscal transfers”, Deutsche Bundesbank Discussion Paper, forthcoming. 
  • Parker, Jonathan A., Souleles, Nicholas S. Johnson, David S. McClelland, Robert Consumer (2013) “Spending and the Economic Stimulus Payments of 2008”, American Economic Review 103(6), 2530-53. 
  • Parker, Jonathan A., Jake Schild, Laura Erhard, David Johnson (2022) “Household Spending Responses to the Economic Impact Payments of 2020: Evidence from the Consumer Expenditure Survey”. NBER Working Papers 29648, National Bureau of Economic Research, Inc.
Die Autoren  
Olga Goldfayn-Frank ©Michael Kleinespel
Vivien Lewis ©Nils Thies
Nils Wehrhöfer ©Hannes Wulf
Olga Goldfayn-Frank
Forschungsökonomin am Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank
Vivien Lewis
Forschungsökonomin am Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank
Nils Wehrhöfer
Forschungsökonom am Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank

Neuigkeiten aus dem Forschungszentrum

Veröffentlichungen

  • What Drives Startup Valuations?“ von Björn Imbierowicz (Deutsche Bundesbank) und Christian Rauch (American University of Sharjah) wird im Journal of Banking and Finance erscheinen.
  • Are Tax Cuts Contractionary at the Zero Lower Bound? Evidence from a Century of Data“ von James Cloyne (University of California, Davis), Nicholas Dimsdale (Oxford University) und Patrick Hürtgen (Deutsche Bundesbank) wird im Journal of Political Economy erscheinen.

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