Bundesbank seit 30 Jahren führend in der Zentralbankkooperation Eckpunkte bleiben – Schwerpunkte verschieben sich
Geburtsstunde bilateraler Zentralbankkooperation
Im Zuge des politischen und wirtschaftlichen Umbruchs in Osteuropa vor 30 Jahren wandten sich insbesondere die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion mit der Bitte um Unterstützung an die Bundesbank, die ihnen im erforderlichen Transmissionsprozess als „Modell“ diente. Die Bundesbank kam der Nachfrage nach und half beim Aufbau markwirtschaftlich orientierter zweistufiger Bankensysteme mit einer unabhängigen Notenbank, die vor allem auf das Ziel der Geldwertstabilität ausgerichtet ist, und privaten Geschäftsbanken.
Die bilaterale Zentralbankkooperation besteht bis heute und unterlag über die Jahre einem sowohl geografisch als auch inhaltlich recht dynamischen Wandel. Lag der Fokus am Anfang auf echter Entwicklungshilfe in den Nachfolgestaaten der damaligen Sowjetunion, so verschob sich Mitte der 1990er der Schwerpunkt auf die Länder Mittel- und Südosteuropas. Die Bundesbank begleitete hier vor allem die baltischen Staaten, Polen, Tschechien und die Slowakei bei der Integration in die Europäische Union. Gefragt waren alle Themen rund um den Aufbau moderner Zentralbanken und Bankenaufsichtssysteme. Mit der Finanzkrise 2008/2009 erhöhte sich der Bedarf an bi- und multilateralem Gedankenaustausch auch zwischen Notenbanken weltweit im Bereich Bankenaufsicht und Finanzstabilität. Heutzutage arbeitet die Bundesbank intensiv mit den Währungsbehörden von rund 100 Ländern zusammen, wobei der Fokus auf den G20-Ländern liegt. Viele neue Themen wie zum Beispiel Big Data, Digitalisierung, Green Finance, digitales Zentralbankgeld oder Zentralbankkommunikation stehen derzeit neben den eher klassischen Zentralbankthemen wie Geldpolitik oder Bargeldmanagement auf der Agenda.
Knappe Ressourcen bündeln
Die Nachfrage nach Bundesbankexpertise entwickelte sich sprunghaft. Bereits in den ersten Jahren bis 1996 wurden 500 Ausbildungsmaßnahmen mit über 4000 Teilnehmenden durchgeführt. Um der Nachfrage entsprechen zu können, musste diese gebündelt werden. So entstand bereits 1995 das neue Format der Internationalen Zentralbankkurse. Anfangs ging es um die Ausbildung von Nachwuchskräften aus der ganzen Welt zu allgemeinen und eher grundlegenden Zentralbankthemen. Es wurde theoretisches Basiswissen über Aufgabe und Funktion von Notenbanken in marktwirtschaftlichen Systemen vermittelt. Schon bald entwickelten sich die Kurse jedoch zu internationalen Foren zum Austausch von Expertise und Erfahrungen auf hohem fachlichen Niveau. Mittlerweile werden sie sowohl unter jungen Zentralbankbeschäftigten als auch unter langjährigen Experten als gute Möglichkeit angesehen, um wertvolle Kontakte im internationalen fachlichen Umfeld zu knüpfen.
In den 30 Jahren führte die Bundesbank über 7.000 Aktivitäten im Rahmen der Zentralbankkooperation durch, an denen rund 83.000 Notenbankangehörige teilnahmen. Von Anfang an brachten sich alle Bereiche der Bundesbank (Zentrale, Hauptverwaltungen, Filialen und Hochschule) aktiv in die internationale Zusammenarbeit ein.
Organisatorisch zuständig ist das Zentrum für internationalen Zentralbankdialog (ZiZ). Zum dortigen Team gehören die Fachdozentinnen und –dozenten, die die fachlichen Aspekte der Zusammenarbeit steuern und auf ein breites Expertennetzwerk in der Bundesbank zurückgreifen können. Neben den Fachleuten aus dem eigenen Haus kooperieren sie auch mit externen deutschen Stellen, wie z.B. Geschäftsbanken oder Aufsichtsbehörden. Die Organisation der Veranstaltungen übernimmt das Team des Projektmanagements. Kolleginnen und Kollegen, die in den Partnerländern vor Ort eingesetzt werden, werden vom ZiZ auf ihren Einsatz vorbereitet. In zwölf Ländern arbeiten Auslandsvertreterinnen und –vertreter der Bundesbank vor Ort in einer eigenen Repräsentanz oder einer deutschen Auslandsvertretung. Sie runden den Außenauftritt der Bundesbank im internationalen Umfeld ab.
Kooperation im ESZB
Seit dem Jahr 2000 tauschen sich die Anbieter von Zentralbankkooperation im ESZB in der heutigen Working Group on Central Bank Cooperation (vormals Task Force on Central Bank Cooperation) aus. Um vor allem den Stabilisierungsprozess in den Ländern der (potentiellen) Beitrittskandidaten und in den Nachbarländern der EU zu unterstützen, wurden großvolumige von der EU finanzierte Partnerschaftsprojekte vor allem mit den Zentralbanken der sechs Westbalkanstaaten im Konsortium durchgeführt. Die Bundesbank, die von Anfang an in dem Gremium vertreten ist, übernahm 2016 den Vorsitz der Working Group von der Europäischen Zentralbank. Unter ihrer Leitung wurden sowohl die gemeinsamen Projekte des ESZB wieder aufgenommen als auch „Best Practices“ der Zentralbankkooperation erarbeitet sowie die Evaluierung dieses Geschäftsfeldes vorangetrieben.
Neue Herausforderungen durch die Corona-Pandemie
2020 stellte die Zentralbankkooperation vor ganz neue Herausforderungen. Von heute auf morgen musste die Bundesbank ihr Angebot von Präsenzveranstaltungen auf virtuelle Formate umstellen. Sowohl die Anzahl der Aktivitäten (2020 waren es 239 Aktivitäten im Vergleich zu 2019 mit 254) als auch die Anzahl der Teilnehmenden (2020 nahmen 3713 Personen teil, 2019 waren es 4149) konnten erfreulicherweise auf hohem Niveau gehalten werden. 80% der Kooperation fand 2020 virtuell als Online-Kurs, Video- oder Telefonkonferenz statt. Dank dieses Erfolges werden auch nach Ende der Pandemie virtuelle Formate ihren festen Platz im Angebot des ZiZ behalten, auch wenn international Einigkeit besteht, dass sie trotz der unbestreitbaren organisatorischen Vorteile (z.B. Wegfall von Reisezeit und –kosten, kurzfristige Verfügbarkeit) Präsenzveranstaltungen nur bedingt ersetzen können.
Text: Silke Schrupp