Zentralverwahrer

Einführung

Zentralverwahrer (engl.: Central Securities Depository, CSD) übernehmen als Finanzmarktinfrastrukturen die Verwahrung und Übertragung von vertretbaren Wertpapieren. Dies erfolgt zum einen in der heute eher unüblichen Form effektiver Stücke, zum anderen in der Form von Bucheinträgen (sog. Effektengiro). Im Zuge der Emission von Wertpapieren übernehmen CSDs eine quasi-notarielle Funktion und gewährleisten die korrekte Registrierung der emittierten Wertpapiere. In der Folge obliegt es dem CSD, zur Integrität der Emission über den gesamten Lebenszyklus der Wertpapiere beizutragen. Dies erfolgt bei Verbuchungen im Effektengiro zum einen durch die sichere Aufbewahrung der Urkunden (in der Regel einer sog. Globalurkunde) in einem Tresor des CSDs. Zum anderen durch die regelmäßige Abgleichung zwischen dem emittierten Gesamtbestand gemäß der bei ihm verwahrten Urkunden und den jeweiligen Einzelbeständen der CSD-Teilnehmer am betroffenen Wertpapier.

In der Regel kennen CSDs die Endinvestoren (d. h. die Eigentümer der Wertpapiere) nicht, da die Wertpapiere üblicherweise von Depotbanken in einem oder mehreren Sammelkonten (sog. Omnibus-Konten) gehalten werden. Lediglich in einigen Ländern (z. B. Griechenland, Finnland) bieten die CSDs aufgrund von gesetzlichen Verpflichtungen eine Kontenführung auf Endinvestor-Ebene ohne entsprechende Omnibus-Konten an (sog. direct holding-Märkte).
Neben der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren bieten einige CSDs ergänzende Dienstleistungen für ihre Kunden an. Dabei kann es sich etwa um Services im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen (sog. corporate actions) oder der Sicherheitenverwaltung (sog. collateral management) handeln. 

Zwischen Zentralbanken und CSDs gibt es mehrere Berührungspunkte, weshalb das sichere und reibungslose Funktionieren von CSDs im besonderen Interesse von Zentralbanken liegt:

  • Zentralbanken haben mit Blick auf die Stabilität des gesamten Finanzsystems ein großes Interesse an einem zuverlässigen Funktionieren von CSDs.
  • CSDs spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Besicherung geldpolitischer Zentralbankgeschäfte. So können bei einem CSD gehaltene Wertpapierbestände von Banken für die Besicherung solcher Geschäfte verpfändet werden.
  • CSDs und Zentralbanken arbeiten bei der geldseitigen Abwicklung von Wertpapiertransaktionen zusammen, um dadurch eine Zug-um-Zug-Abwicklung (Übertragung der Rechte an den Wertpapieren gegen Bezahlung) in risikofreiem Zentralbankgeld zu erreichen. Diese Art der Abwicklung wird auch "Lieferung-gegen-Zahlung" (Delivery-versus-Payment) genannt. Im Euroraum wird dafür die TARGET2-Securities-Plattform genutzt.

Grundsätzlich können Wertpapiertransaktionen auch in Geschäftsbankengeld abgewickelt werden. So können CSDs, die im Besitz einer Banklizenz sind, eigene Geldkonten führen, über die in Geschäftsbankengeld die erforderlichen Geldverrechnungen erfolgen.

Bei grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften ermöglichen CSDs über Verbindungen zu anderen CSDs (sog. CSD-Links) die Lieferung von Wertpapieren über Landesgrenzen hinweg. Zu diesem Zweck eröffnen CSDs Konten bei ausländischen CSDs und werden oft regulärer Teilnehmer am Abwicklungsprozess in diesem Land.

Aufgrund des Delivery-versus-Payment-Prinzips und der Abwicklung in Zentralbankgeld kann bei CSDs grundsätzlich von einer adressenrisikofreien Tätigkeit ausgegangen werden. CSDs tragen hauptsächlich operationelle Risiken. Bei einer Abwicklung in Geschäftsbankengeld gibt es dagegen grundsätzlich Kredit- und Liquiditätsrisiken, die jedoch durch - im Vergleich zur Lage bei Banken - strengere Vorschriften in Bezug auf Besicherung und Liquiditätsvorsorge erheblich reduziert sind.

Überwachungsobjekte

Clearstream Banking AG (CBF) ist der CSD in der Bundesrepublik. Das Tochterunternehmen der Gruppe Deutsche Börse bietet seinen Teilnehmern (d. h. Banken oder anderen Finanzdienstleistern) Verwahr- und Abwicklungsdienstleistungen für in Deutschland und im Ausland emittierte Wertpapiere an, letzteres über CSD-Verbindungen.

Die Abwicklungsdienstleistungen der CBF erstrecken sich auf alle an Börsen gehandelte Wertpapiere in Deutschland und stehen den Teilnehmern auch für deren außerbörsliche Wertpapiergeschäfte zur Verfügung. Die beiden Abwicklungssysteme der CBF ("CASCADE" in Zentralbankgeld, "Creation" in Geschäftsbankengeld) sind gegenüber der EU-Kommission im Sinne der Finalitäts-Richtlinie von 1998 notifiziert.

Die Verwahrdienstleistungen für in Deutschland emittierte Wertpapiere werden von der CBF in aller Regel nach dem Prinzip der sog. Girosammelverwahrung im Effektengiro erbracht. Dabei erhält der Investor einen sachenrechtlichen Anspruch an dem gehaltenen Wertpapier gemäß der Höhe seines anteiligen Bestands am CBF-Gesamtbestand der jeweiligen Emission.

Die CBF verfügt über eine Lizenz als Kreditinstitut. Diese ermöglicht der CBF die Führung von Geldkonten sowie die Kreditgewährung an Teilnehmer für die Abwicklung in Geschäftsbankengeld.

Bundesbank und CBF begegnen sich an verschiedenen Stellen als Kooperations- und Geschäftspartner. So arbeiten beide Institutionen eng bei der Geldverrechnung von Wertpapiertransaktionen zusammen, da die CBF - als Teilnehmer an der Abwicklungsplattform TARGET2-Securities - von der Bundesbank zur Verfügung gestellte Geldkonten zur Erreichung von Lieferung-gegen-Zahlung in Zentralbankgeld verwendet. Die Bundesbank selber ist regulärer CBF-Teilnehmer und wickelt so ihr eigenes Wertpapiergeschäft über die CBF ab. Darüber hinaus nutzt die Bundesbank das Dienstleitungsangebot der CBF im Bereich der Besicherung geldpolitischer Geschäfte.

Durchführung

Die Überwachung von CSDs durch Zentralbanken trägt dem Umstand Rechnung, dass CSDs als Finanzmarktinfrastrukturen einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems leisten. Aufgrund der Interdependenzen mit anderen Infrastrukturen und der Höhe des Abwicklungsvolumens beschränkt sich dieser Beitrag nicht allein auf das Wertpapiergeschäft, sondern umfasst das gesamte Finanzsystem. So können etwa Unterbrechungen im Abwicklungsgeschäft negative Auswirkungen auf die Liquiditätsverfügbarkeit der betroffenen Teilnehmer haben und zu empfindlichen Störungen des Interbankenzahlungsverkehrs führen.

Das Eurosystem hat sich dazu entschieden, die im April 2012 finalisierten CPMI/IOSCO Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen (PFMI) als einheitlichen Überwachungsrahmen für CSDs zu verwenden.

Im August 2014 wurde mit der Verabschiedung der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der EU und über Zentralverwahrer (CSDR) der bisher eher unverbindliche Überwachungsrahmen (PFMI) und nationale Aufsichtsrahmen für CSDs (KWG) in ein rechtlich bindendes europäisches Regime überführt. Die Verordnung definiert u. a. einen harmonisierten regulatorischen Rahmen für CSDs in der EU mit Anforderungen an die CSDs und einem einheitlichen Aufsichts- und Überwachungsmandat für die zuständigen Behörden.