Weidmann bei seiner Rede bei der Herbstkonferenz der Bundesbank ©Nils Thies

Weidmann: „Ein digitaler Euro muss den Bürgerinnen und Bürgern einen klaren Mehrwert bieten“

Die Entwicklung von digitalem Zentralbankgeld sei kein Selbstzweck, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann bei einer virtuellen Konferenz zum Thema „FinTech und die globale Zahlungslandschaft“. Digitales Zentralbankgeld solle nur ausgegeben werden, wenn der wahrgenommene Nutzen mögliche Nachteile oder Risiken überwiege. Ein digitaler Euro müsse den Bürgerinnen und Bürgern im Euroraum einen klaren Mehrwert bieten.

Häufig werde erwartet, dass digitales Zentralbankgeld Transaktionskosten senke und die Effizienz im Zahlungsverkehr, an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft steigere. Es könne zudem innovative Dienstleistungen anregen und neue Geschäftsmodelle hervorbringen. Gleichzeitig ermögliche ein digitaler Euro Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen, in einem digitalen Umfeld mit Zentralbankgeld zu bezahlen. „Dies ist ein einzigartiges Merkmal, das der private Sektor nicht nachbilden kann“, sagte der Bundesbankpräsident bei der Veranstaltung der Bundesbank mit der People's Bank of China.

Risiken für das Finanzsystem

Weidmann wies darauf hin, dass digitales Zentralbankgeld Bankeinlagen zumindest teilweise ersetzen könne und deswegen Risiken für das Funktionieren des Finanzsystems und die Umsetzung der Geldpolitik berge. Auf der anderen Seite könne es den Wettbewerb zwischen den Banken stärken und neue Dienstleistungen fördern. Digitales Zentralbankgeld müsse für die Benutzer ausreichend attraktiv sein, damit es akzeptiert werde. Gleichzeitig dürfe es nicht zu attraktiv sein, da es sonst das Finanzsystem empfindlich stören könnte. Aus Jens Weidmanns Sicht könnte es vor dem Hintergrund der Risiken sinnvoll sein, schrittweise vorzugehen: Das bedeute, den digitalen Euro zunächst mit einem bestimmten Bündel an Eigenschaften auszustatten und mit der Option, später weitere Funktionen hinzuzufügen.  

Das Eurosystem werde auch das Potenzial für Innovationen über digitales Zentralbankgeld hinaus untersuchen und die bestehende Zahlungsinfrastruktur weiter ausbauen. „Wir sollten sicherstellen, dass unsere Aktivitäten im Bereich der digitalen Währung den Privatsektor nicht davon abhalten, komfortable und effiziente Anwendungen für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen zu entwickeln“, sagte Weidmann. Die Aufgabe der Zentralbanken bestehe darin, kritische Infrastrukturen als Grundlage für die Entwicklung und Bereitstellung privater Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und damit als Katalysator zu wirken.

Grenzüberschreitende Zahlungen erfordern Zusammenwirken verschiedener Systeme

Weidmann hob hervor, dass es die Attraktivität digitaler Zentralbankwährungen steigern würde, wenn sie für grenzüberschreitende Zahlungen verwendbar wären. Im Moment seien grenzüberschreitende Transaktionen noch relativ ineffizient und teuer. Eine solche Verwendung erfordere jedoch eine internationale und multilaterale Zusammenarbeit. „Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass digitale Zentralbankwährungen miteinander und nicht gegeneinander funktionieren. Die Möglichkeit grenzüberschreitender Zahlungen durch ein Zusammenwirken der verschiedenen Systeme sollte ein wichtiges Element aller laufenden Diskussionen über digitales Zentralbankgeld sein“, sagte der Bundesbankpräsident.

Digitaler Euro könnte helfen, Vertrauen zu sichern

In den vergangenen Jahren hätten private Stablecoin-Initiativen die Besorgnis über die zunehmende Rolle von Bigtech-Unternehmen im Zahlungsverkehr und deren wachsende Marktmacht im Allgemeinen verstärkt, so Weidmann. „Wenn der Wettbewerb durch die steigende Marktmacht großer Technologieunternehmen behindert wird, muss dies durch Kartellrecht und Wettbewerbspolitik auf verlässliche Weise angegangen werden.“ Die große Menge an Kundendaten könne den etablierten Plattformanbietern helfen, sich Wettbewerbsvorteile in anderen Märkten zu verschaffen, warnte er. Auch hier könne ein digitaler Euro vorteilhaft sein. Das Eurosystem habe kein kommerzielles Interesse an Nutzerdaten oder -verhalten. „Ein digitaler Euro könnte daher dazu beitragen, das zu sichern, was schon immer das Wesen des Geldes war: Vertrauen“, sagte Weidmann.

Balz: Brauchen Vielfalt von Anbietern und Diensten im Zahlungsverkehr

Bundesbankvorstand Burkhard Balz erklärte mit Blick auf die digitalen Herausforderungen für die Finanzdienstleister, Verfügbarkeit und Sicherheit seien zentrale Anforderungen, die die IT-Infrastruktur in der Welt des Zahlungsverkehrs erfüllen müsse. „Aber auch Fragen des Datenschutzes, der ökologischen Nachhaltigkeit und des Gleichgewichts zwischen öffentlicher und privater Versorgung müssen beantwortet werden“, so Balz auf der Konferenz. Deshalb stünden „one size fits all“-Lösungen im globalen Maßstab nicht vor der Tür, auch wenn es große Plattformbetreiber gäbe, deren Ziel es sei, immer mehr Kunden und Services weltweit ausschließlich über ihre Systeme abzuwickeln. „Wir brauchen einen Wettbewerb zwischen den Systemen und eine Vielfalt an Anbietern und Diensten“, betonte Balz. Das mache Zahlungen auf der ganzen Welt widerstandsfähiger gegen Störungen und helfe, die Auswirkungen abzufedern, wenn es in einzelnen Teilen der Infrastruktur zu Engpässen käme.