Energiepreise sind für die Inflation entscheidend
Die Inflation in Deutschland hat in den vergangenen acht Jahren stark geschwankt. Diese Schwankungen haben Ökonomen vor besondere Herausforderungen gestellt. So hatten viele Experten beispielsweise für die Jahre 2013 bis 2015 höhere Inflationsraten erwartet. Diese Fehleinschätzungen könnten darauf zurückgehen, dass sich die Rohstoffpreise in den vergangenen Jahren für die Experten überraschend entwickelt hätten, heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. Schließlich sei das Auf und Ab der Lebenshaltungskosten in hohem Maße durch Preisbewegungen auf den Rohöl- und Nahrungsmittelmärkten bedingt.
Die Ökonomen der Bundesbank haben vor diesem Hintergrund untersucht, in wie weit sich die Inflationsentwicklung in Deutschland in den vergangenen Jahren durch das Modell der Phillips-Kurve erklären lässt. Diese Kurve legt in ihrer ursprünglichen Variante nahe, dass höhere Inflationsraten mit geringen Arbeitslosenquoten einhergehen und umgekehrt. Die Bundesbank-Ökonomen nutzten für ihre Untersuchungen jedoch eine modifizierte Form des Modells, die neukeynesianische Phillips-Kurve. Diese untersucht nicht nur den Zusammenhang zwischen realwirtschaftlichen Einflussgrößen – etwa der Situation am Arbeitsmarkt – und der aktuellen Inflationsrate. Sie berücksichtigt zudem den Einfluss von Inflationserwartungen und von außenwirtschaftlichen Einflüssen auf die Preissteigerungen. Zu den außenwirtschaftlichen Einflüssen zählen auch Preisveränderungen internationaler Güter wie beispielsweise Rohöl.
Ölpreise sind entscheidend
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass seit dem Jahr 2009 die Preise für Öl die Inflationsrate in Deutschland tatsächlich maßgeblich beeinflusst haben. Dagegen sind die Situation auf dem Arbeitsmarkt und der Auslastungsgrad der deutschen Wirtschaft den Schätzungen zufolge für die Entwicklung der Inflation praktisch vernachlässigbar. "Dies dürfte in den letzten Jahren auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Produktionslücke seit 2012 de facto geschlossen ist", heißt es in dem Bericht. Das bedeutet, dass die wirtschaftlichen Ressourcen Arbeit und Kapital in Deutschland weitgehend effizient eingesetzt werden. In diesem Fall sollten also von der Realwirtschaft weder preistreibende noch preissenkende Effekte ausgehen.
Schließt man die Preise für Lebensmittel und Energie aus den Berechnungen aus, spielen die Preise für nach Deutschland importierte Güter, die sogenannten Einfuhrpreise, eine entscheidende Rolle. Auslastungsgrad und Arbeitsmarktsituation tragen laut des Berichts auf Basis zwar seit 2012 positiv zum Preisanstieg der sogenannten Kerninflationsrate bei. Ihr Einfluss sei allerdings recht gering.
Kein Risiko für Zweitrundeneffekte
In ihrem Bericht beleuchteten die Ökonomen auch das Risiko sogenannter Zweitrundeneffekte. Unter diesem Begriff verstehen Experten, dass Veränderungen der Inflationsrate das Wachstum der Löhne beeinflussen. Dahinter steht folgender Zusammenhang: Gehen beispielsweise Gewerkschaften bei guter Arbeitsmarktlage von steigenden Inflationsraten aus, könnten sie für ihre Mitglieder höhere Löhne fordern, um den durch die Inflation bedingten Kaufkraftverlust auszugleichen. Zahlen die Unternehmen höhere Löhne, könnten sich ihre dadurch gestiegenen Kosten wiederum in Preissteigerungen bemerkbar machen. Angesichts der aktuell niedrigen Inflation könnte es zwar zu Zweitrundeneffekten kommen, diese würden sich jedoch in die andere Richtung entwickeln: Da der Ölpreisrückgang ohnehin zu realen Kaufkraftgewinnen führt, würden sich die Tarifparteien auf niedrigere Lohnabschlüsse einigen. Aus Sicht der Geldpolitik sind Zweitrundeneffekte dann problematisch, wenn sie Schwankungen der Inflationsrate verstärken und es somit erschweren, das Preisstabilitätsziel zu erreichen. Bislang gebe es in Deutschland aber keinen Hinweis für ein besonders hohes oder gestiegenes Risiko von Zweitrundeneffekten, heißt es in dem Bericht.