Deutsche Wirtschaft schrumpft im zweiten Quartal massiv
Die deutsche Wirtschaftsleistung dürfte sich im zweiten Vierteljahr 2020 infolge der Coronavirus-Pandemie noch erheblich stärker verringert haben als schon im ersten Vierteljahr, schreibt die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht. Damit zeichne sich der stärkste Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit Beginn der vierteljährlichen Zeitreihe ab, die vom Statistischen Bundesamt für den Zeitraum ab dem Jahr 1970 veröffentlicht wird.
„Der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Aktivität dürfte aber bereits im April erreicht worden sein“
, so die Fachleute. Dafür sprechen sowohl die bereits vorliegenden herkömmlichen Konjunkturindikatoren als auch zeitnah verfügbare hochfrequente Indikatoren. Letztere spiegelten sich auch in der Entwicklung des neuen wöchentlichen Aktivitätsindex (WAI) der Bundesbank wider. In den WAI fließen neun hochfrequente, schnell verfügbare Indikatoren sowie zwei weitere „herkömmliche“ Indikatoren ein. Er liefert in der gegenwärtigen Situation zeitnahe Informationen darüber, wie sich die Corona-Pandemie auf die Wirtschaftstätigkeit in Deutschland auswirkt. Der Index sei in den vergangenen Wochen deutlich angestiegen, habe aber Mitte Juli noch spürbar im negativen Bereich gelegen. Die Bundesbank geht davon aus, dass sich die wirtschaftliche Erholung im zweiten Halbjahr fortsetzen wird. Dazu dürfte auch das zuletzt beschlossene Konjunkturpaket beitragen.
Industrie überwindet im Mai Talsohle
Die Erholung der deutschen Wirtschaft sei sehr unterschiedlich fortgeschritten, heißt es im Monatsbericht. Während der Einzelhandel vermutlich von Nachhol- und Substitutionseffekten profitiert habe und dadurch im Mai ganz erhebliche Umsatzsteigerungen zu verzeichnen gehabt hätte, hätten die Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe auch im Juni ihre aktuelle Geschäftslage noch als sehr schlecht beurteilt. Auch die Industrieproduktion ebenso wie die Warenexporte hätten sich im Mai nur verhalten erholt. Die Industrie habe zwar die Talsohle hinter sich gelassen, aber nur ein Viertel des vorangegangenen Einbruchs vom März und April wettgemacht. Vor allem die Lage in der stark betroffenen KfZ-Branche habe das Gesamtergebnis belastet. Die KfZ-Hersteller hätten auf dem Tiefpunkt der Krise ihre Fertigung fast vollständig einstellen müssen, bevor die Produktion ab Mai wieder angelaufen sei.
Die Warenexporte seien im Mai erheblich um saisonbereinigt neun Prozent im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Jedoch hätten sie in den Monaten April und Mai zusammengenommen – nominal und preisbereinigt – gut ein Viertel unter dem Mittel der Wintermonate gelegen. „Vor dem Hintergrund der globalen Coronavirus-Ausbreitung war dieser Einbruch sehr breit verteilt“
, schreiben die Volkswirtinnen und Volkswirte. Einzig das China-Geschäft habe diesem Trend getrotzt und sei nur geringfügig geschrumpft. Dies führt die Bundesbank darauf zurück, dass die chinesische Wirtschaft den Tiefpunkt der pandemiebedingten Rezession früher durchschritten hatte als andere Handelspartner.
Arbeitslosigkeit steigt trotz Kurzarbeit spürbar
Der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die von Kurzarbeit betroffen waren, sei zuletzt so hoch gewesen wie nie zuvor. Im April sei das Instrument von 6,8 Millionen Personen in Anspruch genommen worden. „Damit war jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Kurzarbeit“, schreiben die Expertinnen und Experten. Dennoch sei die Beschäftigung zuletzt sehr deutlich gesunken und die Arbeitslosigkeit spürbar gestiegen. Die Erwerbstätigkeit sei im Mai saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 314 000 Personen gesunken, das entspräche 0,7 Prozent. Betroffen seien alle Branchen gewesen, mit Ausnahme der öffentlichen Verwaltung, den Bank- und Versicherungsdienstleistungen und der Landwirtschaft. Die Zahl der Arbeitslosen habe im Juni saisonbereinigt 2,94 Millionen betragen; die Quote damit bei 6,4 Prozent gelegen. Damit sei die Zahl der registrierten Arbeitslosen weniger stark gestiegen als in den Vormonaten. Auch die Einstellungsindikatoren hätten sich von den Rekordtiefständen erholt, so die Bundesbank.
Verbraucherpreise steigen wegen Energie
Nachdem die Verbraucherpreise gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) seit März rückläufig gewesen wären, seien sie im Juni saisonbereinigt wieder deutlich angestiegen. Die Bundesbank-Fachleute führen dies insbesondere auf die wieder anziehenden Preise für Energie zurück. Die Vorjahresrate des HVPI habe sich insgesamt von 0,5 auf 0,8 Prozent erhöht, ohne Energie und Nahrungsmittel hätte sie erneut bei 1,1 Prozent gelegen. Wegen der vorübergehenden Absenkung der Mehrwertsteuersätze im zweiten Halbjahr 2020 rechnen die Fachleute ab Juli mit negativen Inflationsraten. „Mit der Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung im Januar 2021 sollten die Raten allerdings wieder sichtbar positiv ausfallen.“