Bundesbank­präsident Jens Weidmann ehrt Hans-Werner Sinn

Jens Weidmann bei seiner Rede anlässlich der Verabschiedung von Hans-Werner Sinn ©ifo Institut
Jens Weidmann bei seiner Rede anlässlich der Verabschiedung von Hans-Werner Sinn
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat die Verdienste des Ökonomen Hans-Werner Sinn gewürdigt. Anlass war die Verabschiedung des langjährigen Präsidenten des ifo-Instituts sowie der 25. Jahrestag des Center for Economic Studies, das Sinn gegründet hatte.

Bei einem wissenschaftlichen Symposium in München vor rund 300 geladenen Gästen hob Weidmann hervor, dass sich das ifo-Institut unter der Führung von Sinn zu einer international renommierten Forschungseinrichtung entwickelt habe. Der 68-Jährige sei nicht nur ein exzellenter Ökonom: "Er ist auch ein einflussreicher öffentlicher Intellektueller, der die wichtigen politischen Debatten der letzten Jahrzehnte maßgeblich beeinflusst hat, indem er ökonomische Argumente in die Diskussionen einbrachte", sagte Weidmann. Wie wenige andere deutsche Ökonomen habe Sinn es verstanden, ökonomische Argumente der Öffentlichkeit verständlich zu machen. "Dabei war er manchmal polarisierend, oft bissig und immer streitbar – aber das sind die entscheidenden Merkmale eines einflussreichen öffentlichen Intellektuellen", so der Bundesbankpräsident.

Ökonomische Gesetze nicht ignorieren

Eine der Grundüberzeugungen Sinns sei, dass kein Politiker permanent die ökonomische Logik ignorieren könne, ohne dass sich dies später als sehr kostspielig erweise.

Als ein Beispiel nannte Weidmann die Debatte um die deutsch-deutsche Währungsunion Anfang der 1990er Jahre. Damals habe Sinn davor gewarnt, die Löhne in Ostdeutschland zu schnell auf das westdeutsche Niveau anzuheben. Dies werde zu einer rasch steigenden Arbeitslosigkeit führen. Die Kompensation dieser Arbeitslosigkeit durch Sozialtransfers sei wesentlich teurer, als ostdeutsche Arbeitnehmer für niedrigere Löhne durch staatliche Zuschüsse zu entschädigen, argumentierte Sinn.

Diese Umverteilungspolitik habe ihre Ziele bis heute nur zum Teil erreicht, sagte Weidmann: "Noch immer ist die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland höher als im Westen, und das ostdeutsche Pro-Kopf-Einkommen beträgt 71 Prozent des Westdeutschen." Diese Erfahrung erkläre zum Teil, warum viele deutsche Ökonomen eine europäische Transferunion kritisch sähen, sagte Weidmann. Die Probleme würden noch verschärft durch die Tatsache, dass mit Blick auf Europa das Verhältnis von Kontrolle und Haftung weiter aus der Balance gebracht würde. "Entscheidungen würden vor allem auf nationaler Ebene getroffen werden, und die Konsequenzen dieser Entscheidungen würden sich auf den gesamten Euro-Raum auswirken", sagte Weidmann.

Einer der Wegbereiter der Agenda 2010

Weidmann ging auch auf die Debatte um die Agenda 2010 ein. Damals, Anfang der 2000er Jahre, habe Sinn gewarnt, dass der deutsche Wohlfahrtsstaat nur unzureichend für die Globalisierung gewappnet sei. Als besonders gefährdet sah er die Löhne von weniger gut ausgebildeten Arbeitnehmern in Deutschland an.

Sinn habe sich damals dafür ausgesprochen, mehr auf die staatliche Bezuschussung von Löhnen als auf Lohnersatzleistungen zu setzen. "Damit war Sinn einer der Wegbereiter der sogenannten  Agenda 2010, die zwischen den Jahren 2003 und 2005 beschlossen wurde", sagte Weidmann. Tatsächlich habe diese Politik – neben anderen Faktoren –  dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland gesunken sei.

Vor kurzem beschlossene Maßnahmen wie der Mindestlohn oder die Rente ab 63 für langjährige Beitragszahler könnten allerdings als Abkehr von der Reformpolitik der Agenda 2010 gesehen werden, so Weidmann. Zwar zeige der Mindestlohn derzeit einen kleinen positiven ökonomischen Effekt. Langfristig seien die Auswirkungen des Mindestlohns aber sicher weniger günstig, so Weidmann. Viel werde hier davon abhängen, ob eine Politisierung der Arbeit der Mindestlohnkommission verhindert werden könne.

Auch die europäische Gemeinschaftswährung sei einer der zentralen Punkte in Sinns Arbeit, sagte Weidmann und nannte unter anderem die Debatte um das sogenannte TARGET-System. In der Beschreibung des aktuellen Zustands des Euro-Raums sei Sinn eher pessimistisch. Demnach sei die Eurozone derzeit ein "heilloses Durcheinander und taumele von einer Krise in die nächste", zitierte Weidmann aus einem Buch von Sinn. Der Bundesbankpräsident betonte, dass er die aktuelle Lage positiver sehe. "Schließlich hat es gewisse Fortschritte in den Mitgliedsländern und den europäischen Institutionen gegeben", sagte Weidmann. Einig sei er sich mit Sinn aber, dass dem Haftungsprinzip wieder mehr Geltung verschafft  werden müsse.

Sinn habe bereits gesagt, dass er in Zukunft weitere Bücher schreiben wolle. Dafür und für künftige Debatten wünschte der Bundesbankpräsident Hans-Werner Sinn viel Energie.