Bundesbank gedenkt Hans Tietmeyers

Die Bundesbank hat mit einem Kolloquium an ihren früheren Präsidenten Hans Tietmeyer erinnert. Tietmeyer war am 27. Dezember 2016 im Alter von 85 Jahren gestorben.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann würdigte Tietmeyer als "den Präsidenten, der dafür gesorgt hat, dass die europäische Währungsunion im Lichte der Stabilitätstradition der Bundesbank gestaltet wurde." In seiner Rede vor mehr als 100 geladenen Gästen hob Weidmann vor allem Tietmeyers Standfestigkeit, Stärke und Beharrlichkeit hervor. Dieser Standfestigkeit zollten bis heute viele Respekt, so der Bundesbankpräsident.

Stabilitätspolitische Interessen im Blick

Weidmann erinnerte daran, dass Tietmeyers Jahre bei der Bundesbank von Anfang an geprägt waren von den Vorbereitungen für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Bereits Anfang der 1970er Jahre war er an der sogenannten Werner-Gruppe beteiligt gewesen, die einen Plan zur Einführung einer gemeinsamen Währung ausarbeitete. Auch wenn dieser Plan sich zunächst nicht habe durchsetzen können, sei er in der Substanz dem späteren Vertrag von Maastricht sehr nahe gekommen, so Weidmann.

Neben der Stabilität der Währungsunion habe Tietmeyer sich immer dafür eingesetzt, dass die Konvergenzkriterien, die ein Land zum Beitritt in die Eurozone erfüllen muss, eingehalten würden. Auch nach der Einführung der Gemeinschaftswährung habe er deshalb vor nachlassenden Anstrengungen gewarnt. 'Die Währungsunion wird nicht nur Sonnentage erleben. Es wird auch Regen und Stürme geben', zitierte Weidmann den ehemaligen Bundesbankpräsidenten. "Wie wahr diese Worte sind, wissen wir heute nur allzu genau."

Tietmeyer habe die stabilitätspolitischen Interessen Europas stets im Blick gehabt, sagte Weidmann. Die Gründung des Finanzstabilitätsforums im Jahr 1999, die Tietmeyer vorangetrieben hatte, sei insofern "fast visionär" gewesen, würdigte Weidmann die Arbeit seines Amtsvorgängers. Die Nachfolgeorganisation, das Financial Stability Board, sei heute Dreh- und Angelpunkt der internationalen Finanzstabilitätsdiskussion. "Ohne dieses, auf Hans Tietmeyer zurückgehende Gremium wären die nennenswerten Fortschritte der internationalen Gemeinschaft in der vergangenen Jahren nicht möglich gewesen", so Weidmann.

Zukunftsweisender Europäer

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der ebenfalls auf dem Kolloquium sprach, nannte Tietmeyer einen "zukunftsweisenden Europäer", der mit Kompetenz, Konsequenz und mit ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein für eine gelingende Wirtschafts- und Währungsunion in Europa gekämpft habe. Schäuble hob Stabilität und Kontinuität als prägende Eigenschaften Tietmeyers hervor. Tietmeyer habe stets Kurs gehalten und Konflikte nicht gescheut, wenn sie sachlich notwendig waren, so der Bundesfinanzminister. Diese Geradlinigkeit und Prinzipientreue sei von manchen Kritikern als anstrengend empfunden worden. "Aber ohne Anstrengung geht es nicht, wenn man im Spannungsverhältnis von Stabilität und Veränderung so erfolgreich für unser Land und für Europa wirken will, wie Hans Tietmeyer es getan hat."

Schäuble betonte, Tietmeyer sei kein Verfechter eines menschenfeindlichen Kapitalismus gewesen, als der er von manchen bezeichnet worden war. Vielmehr hätten sich die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft wie ein roter Faden durch sein Leben gezogen. Eigeninitiative und Solidarität seien dabei seine leitenden Prinzipien gewesen. "Hans Tietmeyer fühlte sich nicht nur als 'civil servant' – als 'Diener' oder 'Anwalt' des Gemeinwohls. Er handelte auch entsprechend", so Schäuble.

Weitsichtiger Ökonom

Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, erinnerte an einige Parallelen in den berufliche Laufbahnen von ihm und Tietmeyer. Er habe zwischen 1987 und 1990 sehr eng mit Tietmeyer zusammengearbeitet. Diese Zeit sei für die für die Stabilisierung der Beziehung zwischen der Deutschen Mark und dem französischen Franc sehr wichtig gewesen, sagte Trichet. Auch in schwierigen Zeiten – Trichet nannte hier namentlich die Wiedervereinigung und die Zeit vor der Euro-Einführung – habe Tietmeyer bei der Lösung von Problemen immer eine wichtige Rolle gespielt. Tietmeyers große Ziele seien Währungsstabilität, Unabhängigkeit und langfristiges Handeln gewesen. "Er war ein weitsichtiger Ökonom und ein absoluter Europäer", so Trichet.

Tietmeyer habe immer wieder darauf hingewiesen, dass wirtschaftliche und fiskalische Governance im Euroraum wichtig seien. Trichet betonte, auch er sei immer schon ein Befürworter dieser Prinzipien gewesen. Sein Spitzname sei deswegen auch 'Tietmeyers Klon' gewesen. "Das habe ich mit Stolz akzeptiert", sagte Trichet.