BIZ-Jahresbericht: Weltwirtschaft erholt sich überraschend stark
Über ein Jahr ist vergangen, seit die Coronavirus-Pandemie zu einem weltweit historisch starken wirtschaftlichen Einbruch geführt hat. Das rechtzeitige, energische und abgestimmte Handeln von Zentralbanken, Finanz- und Aufsichtsbehörden habe das Schlimmste verhindern können, schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem Jahresbericht. In der zweiten Hälfte des Jahres 2020 habe sich die Weltwirtschaft unerwartet stark erholt. Der maßgebliche Treiber des Wachstums war laut BIZ dabei der private Konsum. Anders als erwartet, sei nach den Lockerungen der Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie die Konsumnachfrage schnell wieder angezogen. Das weltweite Bruttoinlandsprodukt sei im Jahresdurchschnitt 2020 jedoch um etwa 3,4 Prozent zurückgegangen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe es mehr oder weniger das Vorkrisenniveau wieder erreicht.
Große Ungleichheiten bei der wirtschaftlichen Erholung
Die Erholung ist den Fachleuten zufolge in den einzelnen Ländern und Wirtschaftssektoren sehr unterschiedlich fortgeschritten und war jeweils geprägt von den Entwicklungen der Pandemie und der Härte der Eindämmungsmaßnahmen. Der Euroraum sei hinter den anderen großen Industrienationen zurückgeblieben. Laut BIZ waren zudem die Schwellenländer – mit Ausnahme Chinas – wirtschaftlich am stärksten getroffen, insbesondere aufgrund ihrer starken Abhängigkeit vom internationalen Tourismus. Ein Blick auf die Wirtschaftsbereiche zeige, dass die Industrie und damit auch der Warenhandel stark zulegen konnten. Auch der Bausektor hätte sich gut erholt, dagegen habe sich der Dienstleistungssektor aufgrund der anhaltenden Mobilitätsbeschränkungen deutlich schlechter entwickelt.
Entscheidend für die wirtschaftliche Erholung sei die fiskalische Unterstützung der Staaten in Form von Transferleistungen, Krediten und Garantien für Unternehmen und private Haushalte gewesen, schreibt die BIZ in ihrem Bericht. Zudem habe die Geldpolitik mit der Schaffung außergewöhnlich günstiger Finanzierungsbedingungen eine wichtige Rolle gespielt.
BIZ sieht Politik in der Verantwortung
Die weltweite Impfkampagne sei sehr unterschiedlich weit fortgeschritten und neue Ansteckungswellen seien zu erwarten. „Auch wenn sich die Wirtschaft rascher und stärker erholt hat, als sich das irgendjemand vor einem Jahr hätte vorstellen können, sind wir noch nicht über dem Berg“
, warnte Agustín Carstens, Generaldirektor der BIZ, bei der Vorstellung des Berichts. Politische Entscheidungsträger müssten die Risiken, die sich aus dieser wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Divergenz ergeben, sorgfältig steuern und ein solides Fundament für langfristiges Wachstum schaffen, sagte er.
Die BIZ nennt drei Schlüsselfaktoren für die weitere Entwicklung der Wirtschaft weltweit: Den Pfad und die Auswirkungen der Fiskalpolitik, die Entwicklung des Konsums, der sich bis heute überraschend stark erholen konnte, sowie den Umfang potenzieller Unternehmenskreditausfälle und damit einer Welle von Insolvenzen, die bis heute noch ausgeblieben ist. In Abhängigkeit der Entwicklung dieser und weiterer Einflussfaktoren stellt die BIZ in ihrem Bericht drei Szenarien und deren Auswirkungen für die Weltwirtschaft dar. Das Basisszenario geht von einer vergleichsweise gleichmäßigen Erholung mit einem zwischenzeitlichen Anstieg der Inflation aus. Im zweiten Szenario führen starke fiskalische Impulse und ein Rückgang der Sparquote zu stärkerem Wachstum, höherer Inflation und einer wesentlichen Verschärfung der weltweiten Finanzierungsbedingungen. Im dritten bleibt das Wachstum aufgrund eines schwierigeren Pandemieverlaufs hinter den Erwartungen zurück.
Geldpolitik kann Bekämpfung der Ungleichheit nur unterstützen
“Langfristige Trends der Ungleichheit resultieren aus strukturellen Kräften, die außerhalb des Einflussbereichs der Geldpolitik liegen“
, sagte Claudio Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung der BIZ, anlässlich der Vorstellung des Berichts. Um dem Einfluss dieser langfristigen Kräfte auf Einkommen und Vermögensungleichheit zu begegnen, brauche es eine Politik, die Chancengleichheit und Einkommensumverteilung fördere. Die Geldpolitik verfüge dagegen nicht über die angemessenen Werkzeuge, um langfristigen Verteilungswirkungen durch strukturelle Faktoren entgegenzutreten. Jedoch könne Geldpolitik mit der Erfüllung ihres Mandates, Inflation sowie wirtschaftliche und finanzielle Instabilität zu bekämpfen, eine gerechtere Verteilung fördern, sagte er. Eine hohe Inflation belaste überproportional die Einkommen am unteren Ende der Verteilung. Gleichzeitig wären Geringverdiener bei einer Rezession überproportional stark von Arbeitslosigkeit betroffen.
Vollständiger Bericht
in englischer Sprache