Bewusstsein für Bedeutung der Preisstabilität erhalten
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat bei einem Vortrag in Frankfurt die Bedeutung der Preisstabilität in Zeiten niedriger Inflation unterstrichen. Angesichts der sehr niedrigen Preissteigerungsraten sieht er die Gefahr, dass bei den Bürgern das Bewusstsein für die Bedeutung stabiler Preise verloren geht. "Für die Notenbanken ist das nicht ungefährlich
", warnte er bei einem gemeinsamen Symposium der Bundesbank und der Stiftung Geld und Währung in Frankfurt.
"Wenn die Inflation wieder steigt und die geldpolitischen Zügel eigentlich angezogen werden müssten, könnte die Versuchung bestehen, mit Blick auf die hohen Staatsschulden auf eine Verschiebung der Zinserhöhung zu dringen
", sagte Weidmann. Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik werde dann "die ganze Unterstützung der Bevölkerung benötigen, die sie bekommen kann
". Bei dem Symposium debattierten rund 100 Ökonomen und Juristen über die Wechselwirkungen von Preis- und Finanzstabilität. Zu den hochrangigen Teilnehmern zählten auch die ehemaligen Bundesbankpräsidenten Tietmeyer und Welteke.
Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität
"Stabile Preise mussten in der Vergangenheit immer wieder hart erarbeitet und verteidigt werden
", erinnerte Weidmann. Anders als ein höherer Lohn oder eine geringere Steuerbelastung seien die Vorteile der Preisstabilität für den Einzelnen schwerer zu beziffern, sie kämen jedoch der gesamten Bevölkerung zu Gute. Zentralbanken befinden sich Weidmann zufolge daher in der ständigen Gefahr, unter Druck zu geraten, die Preisstabilität zu Gunsten anderer wirtschaftspolitischer Ziele zurückzustellen.
Schädlich ist Weidmann zufolge nicht nur eine zu hohe, sondern auch eine zu niedrige Inflationsrate. Gemessen an der offiziellen Definition von Preisstabilität sei die Inflation im Augenblick "eher zu niedrig als zu hoch
". Der EZB-Rat spricht von Preisstabilität, wenn die Verbraucherpreise auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 % liegen.
"Unsere mittelfristige Definition von Preisstabilität erlaubt es uns derzeit abzuwarten, wie die unkonventionellen Maßnahmen wirken
", erläuterte Weidmann. Zwar könne ein zu langes Unterschreiten der angestrebten Inflationsrate die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik beeinträchtigen. Einen solchen Vertrauensverlust sieht der Bundesbankpräsident gegenwärtig aber nicht. Auf lange Sicht hätten sich die marktbasierten Inflationserwartungen bei 1½ % stabilisiert, umfragebasiert lägen sie ohnehin dicht bei der angestrebten Preissteigerungsrate.
Weidmann mahnte in seinem Vortrag, den Nutzen unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen immer wieder mit den Risiken und möglichen Nebenwirkungen zu vergleichen. "Je länger die ultra-lockere Geldpolitik beibehalten wird, desto größer ist der mögliche Kollateralschaden
", so Weidmann.
Vorträge und Diskussionen
Mit zwei Vorträgen beleuchteten Carsten-Patrick Meier, Geschäftsführer von Kiel Economics, sowie Isabel Schnabel, Professorin an der Universität Bonn und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, unterschiedliche Aspekte des Themas Preis- und Finanzstabilität.
Meier beschäftigte sich in seinem Vortrag mit makroökonomischen Auswirkungen der langen Niedrigzinsphase. Dazu stellte er Ergebnisse einer Modellanalyse über die Auswirkungen unterschiedlich starker Zinssenkungen auf die Realwirtschaft vor. Schnabel ging in ihren Ausführungen auf das Verhältnis von Preisstabilität und Finanzstabilität ein. Darüber hinaus erörterte sie die Frage, ob Geldpolitik und Bankenaufsicht im Euroraum wieder getrennt werden sollten.
Abschließend tauschten sich Isabel Schnabel mit Christopher Ohler, Professor an der Universität Jena, Ludger Schuknecht vom Bundesministerium der Finanzen, Helmut Siekmann vom Institute for Monetary and Financial Stability an der Goethe-Universität Frankfurt sowie dem Chefvolkswirt der Bundesbank, Jens Ulbrich, bei einer Podiums- und Plenumsdiskussion aus. Sie orientierten sich dabei am Thema "Preis- und Finanzstabilität: Der Primat der Politik, der rechtliche Rahmen und das 'ökonomische Gesetz'".
Neue Führung für Stiftung Geld und Währung
Anlass des Symposiums waren die Wechsel an der Spitze der Stiftung Geld und Währung. Der bisherige Vorsitzende des Stiftungsvorstands, Willy Friedmann, übergab den Staffelstab an Gerhard Ziebarth. Nachfolger des ehemaligen Vorsitzenden des Stiftungsrates, Hermann Remsperger, ist Thomas Möllers. Weidmann würdigte die ehemaligen Vorsitzenden als "Glücksfall für die Stiftung
". Im Namen des Bundespräsidenten verlieh Weidmann dem früheren Bundesbankvorstand Remsperger zudem das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Sichtlich bewegt von seiner Auszeichnung, bedankte sich Remsperger für die Würdigungen. "Der Erfolg der Stiftung hat viele Väter und natürlich auch viele Mütter
", sagte er.
Der neue Vorsitzende des Stiftungsrats, Thomas Möllers, hob in seinen Worten an das Symposium die Bedeutung der Stiftung Geld und Währung als Stütze der Stabilitätspolitik hervor. Dabei betonte er insbesondere den großen Einsatz und das interdisziplinäre Wirken der beiden bisherigen Vorsitzenden Friedmann und Remsperger. Die Stiftung Geld und Währung wurde 2001 ins Leben gerufen, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Bedeutung stabilen Geldes zu erhalten und zu fördern.