Dankesworte Rede beim Symposium Preis- und Finanzstabilität: Der Primat der Politik, der rechtliche Rahmen und das "ökonomische Gesetz"
Es gilt das gesprochene Wort.
Als ich vor vierzehn Tagen intensiver darüber nachdachte, wie eine Gliederung für meine Dankesworte aussehen könnte, legte ich zwei Schriftstücke neben mich: links die "Rhetorik des Schreibens" von Gert Ueding, weil ich mich kaum noch an meine letzte Begegnung mit einem Rednerpult erinnern konnte, und rechts die vorläufige Gästeliste für das heutige Symposium, die mich allerdings eher lähmte als beflügelte, weil ich befürchtete, in einem solchen Kreis ausgewiesener Experten kaum etwas stressfrei vortragen zu können
Aber dann dachte ich: Insbesondere auch im Namen von Herrn Friedmann Dank zu sagen, das schaffst du schon. Jetzt jedoch hat diese Zuversicht wieder einen Dämpfer bekommen. Denn mir fehlen zumindest im Augenblick noch die Worte, um angemessen auf das reagieren zu können, was ich gerade eben mit großer Freude von Herrn Ziebarth, Herrn Weidmann und Herrn Möllers hörte. Der Wohlklang in meinen Ohren hat mir die Sprache fast verschlagen.
Doch bevor ich die Stimme vielleicht restlos verliere, sei den Verantwortlichen der Stiftung "Geld und Währung" und der Bundesbank schon an dieser Stelle ganz herzlich dafür gedankt, dass Sie eine Konferenz auf die Beine gestellt haben, deren Generalthema auch von den ehemaligen Ehrenamtlichen stammen könnte - natürlich nicht so feinsinnig formuliert wie von Herrn Ziebarth.
Die Beziehung zwischen Preis- und Finanzstabilität ist nämlich von Anfang an ein Kern unserer Stiftungsarbeit gewesen. Wir haben diesen Kern bereits oft hin- und hergewendet. Die erneute Befassung mit ihm wird sich dennoch lohnen. Im Sinne von Karl Popper kann Forschung ja ohnehin immer nur eine Bilanz des Vorläufigen sein.
Nun kam mir bei den Vorbereitungen auf den heutigen Nachmittag allerdings nicht nur Karl Popper in den Sinn. Nein, es fiel mir auch wieder ein, wie sich das Lampenfieber am Ambo der Buba reduzieren lässt: Beginne entweder gleich mit dem Schluss oder begrenze die Erwartungen der Gäste sowohl zeitlich als auch inhaltlich. "Forward Guidance" nennt man das.
Was die zeitliche Komponente dieser kommunikativen Orientierungshilfe betrifft, ist mir die Arbeit von den fleißigen Konferenz-Regisseuren bereits dankenswerterweise abgenommen worden. Ihr Erwartungswert für mein verbales Intermezzo beträgt zehn Minuten. Da sich Bundesbanker nun selbst dann noch einigermaßen zeitkonsistent verhalten sollten, wenn sie längst in Pension und in Sachen Geld und Währung stiften gegangen sind, werde ich Ihre Geduld wohl höchstens um zwei bis drei Minuten überstrapazieren.
Substantiell wird die Forward Guidance aber doch schon etwas schwieriger. Ich weiß zwar, wie man im Wendekreis des Ehrenamts auf wohlwollende Anmerkungen zum Amtswechsel reagieren sollte: Widerspreche ihnen auf keinen Fall, führe das Übermaß an Lob und Dank jedoch durch eine entsprechende Diskontierung auf ein Normalmaß zurück und lass daran möglichst viele teilhaben. Diese Regel wartet zwar noch auf den Segen der evidenzbasierten Dankökonomie, gleichwohl bestand sie bisher fast jeden Praxistest.
Aber jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren, wie ich mich an einem Tag regelorientiert verhalten soll, an dem ich morgens früh um fünf in der Zeitung lese: "Zehnjährige Bundesanleihen unter null". Bei einem negativen Diskontierungssatz würde aus einem Abschlag für Lob und Dank ja sogar ein Zuschlag.
Rein analytisch könnten Herr Friedmann und ich einen solchen Zuschlag vielleicht gerade noch begreifen. Emotional und aus der Sicht der Hirnforschung wäre das jedoch für unsere Amygdala des Guten zu viel und nicht mehr zu verkraften. Deswegen lasse ich den Zins einfach links liegen, nehme also die persönlichen Anmerkungen meiner Vorredner hoch erfreut, aber verschämt, zum Nennwert und konzentriere mich auf den dankpolitischen Transmissionsprozess.
Da dieser im Gegensatz zu seinem monetären Namensvetter ungestört ist, kann ich auf Unkonventionelles verzichten. Allerdings ist darauf zu achten, dass Verteilungsfragen beim Weiterleiten von Lob und Dank oft eine noch größere Rolle spielen als in der Geldpolitik. Es geht zwar nicht um Einkommen, aber immerhin um Verdienste, die gerecht zu verteilen sind, also um "Kausal-Attribution" in der Nomenklatur der Sozialpsychologie.
Rückübersetzt in die Alltagssprache und angewandt auf die Stiftung Geld und Währung heißt das: Der Erfolg der Stiftung hat viele Väter und natürlich auch viele Mütter, Frau König zum Beispiel, genauer gesagt, die Frau von "unserem" Herrn König, der für die Stiftung fürwahr grundlegende Pionier- und Aufbauarbeiten geleistet hat. Ohne seine Unterstützung sowie die kreative, oft aufmunternde Kraft von Herrn Friedmann mit allen seinen Vorstandskollegen aus dem Bundesfinanzministerium und der Bundesbank hätte ich es nie und nimmer geschafft, die strategischen, aber auch kleinteiligen Herausforderungen im Stiftungsrat und im Kuratorium des IMFS zu bewältigen.
Und als Herr König dann einmal pausieren musste, fiel mir ein Stein vom Herzen, dass sich auch seine Frau in der Stiftung bestens auskannte. Jedenfalls konnte sie mir in einer schwierigen Frage sofort weiterhelfen. "Professionalität und intrafamiliäre Allokation der Ressourcen im Ehrenamt", könnte eine Forschungsarbeit dazu lauten.
Professionell und stets freundlich war auch die Unterstützung durch Frau Johanning und Herrn Heuel vom Deutschen Stiftungszentrum. Ihnen möchten Herr Friedmann und ich ein ebenso herzliches Dankeschön sagen wie den Kolleginnen und Kollegen aus dem Risiko-Controlling und dem Marktbereich der Bundesbank.
Dass wir darüber hinaus alle Stiftungsräte und damit zugleich ihren neuen Vorsitzenden, Herrn Professor Möllers, in die externale Attribution der Verdienste einbeziehen, versteht sich fast von selbst. Aber uns liegt viel daran, dies hier und heute ganz ausdrücklich zu betonen.
Unser Dank gilt natürlich auch Ihnen, lieber Herr Welteke. Ohne Ihren Impuls und ohne Ihren Nachdruck hätte die Stiftung wohl erst gar nicht das Licht der Welt erblickt. Jedenfalls war die Schöpfungsgeschichte der Stiftung sehr komplex. Immerhin gab es seinerzeit gewichtige Stimmen in der Politik, die eine Forschungsförderung auf dem Gebiet des Geld- und Währungswesens für überflüssig hielten.
Heute wird dagegen unisono hervorgehoben, wie wichtig es ist, die Forschung in diesem Bereich zu festigen und interdisziplinär auszurichten. Gerade im Hinblick auf die Interdisziplinarität sind Helmut Siekmann und Volker Wieland im IMFS sowie Elke Gurlit und Isabel Schnabel mit ihrer gemeinsamen Forschungsarbeit leuchtende, aber beileibe nicht die einzigen Beispiele dafür, dass Stiften wirkt. Unsere Graduiertenkollegs, lieber Herr Ohler, gehören ebenfalls dazu.
Thematisch läge mir jetzt noch vieles am Herzen und natürlich brennt mir auch tagesaktuell vieles auf der Zunge. Es drängt jedoch die Zeit. Und da ich ohnehin nicht mehr auf der Höhe derselben bin, mögen drei knappe Endnoten für meine letzten drei Minuten als ehemaliger Stiftungsrat am Pult der Bundesbank genügen:
Erstens: Seit die EZB versucht, die Inflationsrate wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Deflationsrisiken von unten nach oben, also von Süden nach Norden in die Nähe von 2 Prozent zu befördern, weht auch zwischen Preis- und Finanzstabilität ein anderer Wind - "Südwind" sozusagen. Ein ohnehin nicht ganz einfaches Verhältnis ist in eine Beziehungskrise geraten. Was instrumentell zur Wiedergewinnung der Preisstabilität für notwendig erachtet wird, birgt Risiken für die Finanzstabilität.
Zum einen - und zusammen mit anderen Wirkmächten - bläht der Südwind mit seinen Wertpapierkäufen wichtige Vermögenspreise auf. Und zum anderen bläst der Wind mit seinen niedrigen oder negativen Zinsen vielen Banken, aber nicht nur diesen, scharf ins Gesicht. So werden die Geldhäuser fast täglich aufgefordert, nach Geschäftsmodellen zu suchen, die dem marginalisierten Zins und dem damit verbundenen Ertragsdruck gerecht werden. Wenn Banker dann noch über Fintechs, Digitalisierung und Blockchain räsonieren, mögen sie besorgt, aber lyrik-affin mit Friedrich Hölderlin fragen: "Was aber bleibet?"
Zweitens: Um die schädlichen Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik auf die Finanzstabilität zu begrenzen, soll die makroprudenzielle Politik eingesetzt werden. Hinter diesem Politik-Ansatz mit dem sperrigen Namen steckt ein bislang nur partiell erforschtes Wesen mit Makro-, aber auch mit Mikrogenen. Was wissen wir zum Beispiel über die sektoralen und personellen Verteilungswirkungen von MakroPru, wie das neue Geschöpf inzwischen gern kurz genannt wird? Und könnte es am Ende nicht sogar so sein, dass die in Frage kommenden Instrumente gerade wegen ihrer ungewissen Verteilungseffekte nur verzögert oder gar nicht eingesetzt werden?
Drittens: Die Frage, was aber bleibet, stellt sich nicht nur für Banken, sie stellt sich auch für das Geschäftsmodell der EZB. In einer Mischung von Anspruch und Wirklichkeit heißt es hierzu im ersten makroprudenziellen EZB-Halbjahresbericht - ich zitiere: "… monetary policy, macro- and microprudential policy are managed by the same institution, the ECB, within a clear governance structure, under the direction of its decision-making body, the Governing Council."
Aber weist denn dieses Politikgebäude tatsächlich so klare Grundrisse auf? Erinnert es nicht eher an Kafkas Schloss? Ist das europäische "Who is Who in MacroPru", um nur ein Beispiel zu nennen, schon transparent genug? Und würden bei alldem die potentiellen Interessenskonflikte zwischen der Geldpolitik und der Institutsaufsicht nicht selbst dann virulent, wenn alle Bankenaufseher in der EZB ihren "Master of Separation" gemacht hätten?
Kurzum: Ich sehe die Nachhaltigkeit des tripolaren Geschäftsmodells der EZB aus Geldpolitik, MakroPru und Bankenaufsicht kritisch. Die Fülle der Macht kann längerfristig zum politischen Risiko für die Unabhängigkeit werden. Johann Wolfgang von Goethe würde vielleicht sagen: Drei Seelen wohnen, ach, in ihrer Brust; die eine will sich von den anderen trennen.