"Expansive Geldpolitik darf keine Dauertherapie werden"

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat bei einer Rede in Berlin einen rechtzeitigen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik angemahnt. "Sie ist zu beenden, wenn eine nachhaltige Annäherung der Inflation an ein Niveau von unter, aber nahe 2 Prozent auf mittlere Sicht erkennbar ist", sagte er anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung des Bundesverbands Öffentlicher Banken in Berlin. Während erwünschte Wirkungen mit der Zeit nachließen, nähmen Risiken und Nebenwirkungen zu.

Zu den Nebenwirkungen einer ultralockeren Geldpolitik gehört Weidmann zufolge die nachlassende Profitabilität des Bankensektors. Das erschwere den Aufbau von zusätzlichem Eigenkapital, schaffe Finanzstabilitätsrisiken und könne letztlich auch die Wirksamkeit der Geldpolitik schmälern, sagte er. "Banken ohne Eigenkapitalreserven können keine zusätzlichen Kredite vergeben", so Weidmann. Banken müssten ihre Geschäftsmodelle überdenken, neue Ertragsquellen erschließen und Kosten senken. "Und die Geldpolitik darf vor diesen Wirkungen auf den geldpolitischen Transmissionsprozess nicht die Augen verschließen", sagte der Bundesbankpräsident.

Rote Linien nicht verschieben

Weidmann unterstrich in Berlin seine skeptische Haltung zum Ankauf von Staatsanleihen unter den besonderen Bedingungen einer Währungsunion, bei der die Fiskal- und Wirtschaftspolitik in nationaler Verantwortung liegt. Es sei entscheidend, dass das aktuelle Staatsanleihekaufprogramm im Wesentlichen keine Verlustteilung vorsehe und keine Gemeinschaftshaftung durch die Hintertür einführe, sagte er. Das Programm müsse außerdem "gewisse Einschränkungen und rote Linien beachten, die einen ausreichenden Abstand zur monetären Staatsfinanzierung sicherstellen", so Weidmann. "Nicht nur in der Geldpolitik gehört zum Wesen einer roten Linie aber, dass sie nicht hinausgeschoben wird, wenn man sich ihr nähert, sondern dass sie ihre Bindungswirkung auch entfaltet", betonte er.

Angesichts des seit geraumer Zeit schwachen Inflationsdrucks im Euro-Raum hält Weidmann eine expansive Geldpolitik weiterhin für notwendig, um Preisstabilität zu gewährleisten. Mit Blick auf die Prognose der Europäischen Zentralbank (EZB), wonach die Inflationsrate im Euro-Raum allmählich ansteige, dürfe nicht vergessen werden, "dass die steigenden Inflationsraten ohnehin zu einer weiteren Senkung des realen Kurzfristzinses führen und damit zu einer spürbaren zusätzlichen geldpolitischen Lockerung", so Weidmann.

Der Idee eines gezielten Überschießens der Inflationsrate als Ausgleich für die niedrige Inflation der vergangenen Jahre erteilte Weidmann derweil eine Absage. Eine solche Preisniveausteuerung sei mit der geltenden geldpolitischen Strategie des EZB-Rates nicht vereinbar, stellte er klar. "Gerade im derzeitigen Umfeld könnte ein Strategiewechsel der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik massiven Schaden zufügen", betonte Weidmann.

"Kein Basel IV"

Weidmann ging in seiner Rede auch auf die anstehende Vollendung der Eigenkapitalvorschriften für Banken (Basel III) ein. "Wir brauchen Regeln, die einerseits die unternehmerische Risikobereitschaft nicht unnötig belasten und andererseits die Finanzstabilität wirksam sichern", stellte Weidmann fest.

Nach seiner Auffassung sollten Regulierungsansätze einem gesamtwirtschaftlichen Optimierungskalkül unterliegen. Der Stabilitätsgewinn von zusätzlicher Regulierung müsse größer sein als die damit verursachten Kosten, etwa in Folge einer rückläufigen Kreditvergabe. "Bislang halte ich diese Bedingung für erfüllt", so Weidmann. Die Reform der Eigenkapitalregeln sollte Weidmann zufolge nicht zu einer zusätzlichen signifikanten Erhöhung der Mindestkapitalanforderungen bei Banken führen. "Aus Basel III darf kein Basel IV werden", unterstrich der Bundesbankpräsident.

Transatlantische Partnerschaft

Mit Blick auf den Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen riet Weidmann zu Besonnenheit und Gelassenheit. Trump sollte beim Wort genommen werden mit dem, was er nach seinem Wahlsieg erklärt habe. Weidmann zitierte Trumps Äußerungen, wonach der künftige US-Präsident ankündigte, mit allen Menschen und allen anderen Nationen fair umzugehen, Gemeinsamkeit statt Feindschaft sowie Partnerschaft statt Konflikt zu suchen. "Faire Partnerschaft ist von jeher Grundlage der internationalen Beziehungen und im Besonderen Grundlage des transatlantischen Verhältnisses", sagte Weidmann. "Und so sollte es bleiben."