20 Jahre Euro-Bargeld

20 Jahre Euro-Bargeld: Das Jubiläumsjahr 2022

Wer nachfragt, seit wann es den Euro gibt, erhält als Antwort oftmals „2002“ – und liegt damit knapp daneben. Tatsächlich gibt es den Euro bereits seit 1999. Zunächst war er allerdings nur als reines Buchgeld verfügbar. Das änderte sich zum Jahresbeginn 2002, als der Euro für alle Bürgerinnen und Bürger greifbar wurde und in Deutschland und elf weiteren europäischen Ländern die Euro-Banknoten und -Münzen die früheren nationalen Währungen ablösten. An deutschen Geldautomaten konnten sich Bürgerinnen und Bürgern nun statt mit D-Mark mit Euro versorgen. Die Währungsumstellung ging mit der offiziellen Erstausgabe des Euro-Bargelds in ihre letzte Phase. Seitdem ist das Euro-Bargeld fester Bestandteil im Leben der Menschen in Deutschland und mittlerweile neunzehn weiteren europäischen Ländern. Im Rahmen dieses Jubiläums hat die Bundesbank über das Jahr 2022 hinweg interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu verschiedenen Anlässen die Möglichkeit geboten, mit ihr ins Gespräch zu kommen und sich über das Euro-Bargeld zu informieren.

Ein Jubiläum für alle

Euro-Bargeld hat in ganz Deutschland seinen festen Platz im Leben vieler Bürgerinnen und Bürger. So zeigte eine Untersuchung der Bundesbank aus dem Jahr 2020, dass Bargeld sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten nahezu gleichauf das meistgenutzte Zahlungsmittel war. Das spiegelt sich auch bei der Bundesbank wider: Mit ihren insgesamt 31 Filialen, die in ganz Deutschland verteilt sind, stellt sie jederzeit sicher, dass überall genügend Bargeld vorhanden ist. Von Anfang an stand daher fest, dass die Aktionen rund um das Jubiläum an verschiedenen Orten stattfinden sollen.

Den Anfang machte ein Glaskubus mit Exponaten rund um die Euro-Bargeldeinführung. Neben echten Geldsäcken, einer Matratze voller nicht ganz so echter Geldscheine und weiteren Gegenständen, die Bürgerinnen und Bürger bestaunen konnten, wurde unter anderem darüber informiert, wie die Euro-Bargeldeinführung ablief und anhand welcher Sicherheitsmerkmale man echte Banknoten erkennt. Nach Frankfurt am Main, München, Stuttgart und Saarbrücken konnte man auch in Düsseldorf, Hannover, Hamburg, Leipzig und Berlin einen Blick auf den Glaskubus werfen.

Auch die durch die Hauptverwaltungen der Deutschen Bundesbank ausgerichtete Veranstaltungsreihe „Forum Bundesbank“ wurde in das Jubiläum miteingebunden. Die Zuhörerinnen und Zuhörer in Stuttgart, Leipzig und Düsseldorf konnten sich auf fundiertes Fachwissen mehrerer Teilnehmer freuen: So diskutierte das für Bargeld zuständige Bundesbank-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Johannes Beermann mit hochkarätigen regionalen Gästen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Bargelds. Bürgerinnen und Bürgern bot sich so die Gelegenheit, ihre Fragen nicht nur an ein Vorstandsmitglied, sondern unter anderem auch an renommierte Ökonomen und eine frühere Finanzministerin zu richten.

Beiträge internationaler hochrangiger Autorinnen und Autoren bereicherten auch das Buch „20 Jahre Euro: Zur Zukunft unseres Geldes“, das von Beermann für die Bundesbank herausgegeben wurde. Von der Geschichte des Geldes in Europa über die Bedeutung von Notenbanken weltweit für die Versorgung der Wirtschaft mit Bargeld bis hin zum Geld von morgen aus ökonomischer, philosophischer, soziologischer und psychologischer Sicht können geneigte Leserinnen und Leser in ein ebenso spannendes wie vielschichtiges Themenfeld abtauchen.

Jubiläumsfeier „20 Jahre Euro-Bargeld“

Zum Abschluss lud die Bundesbank zur Jubiläumsfeier Anfang November in Berlin ein. Im denkmalgeschützten Westhafen Event & Convention Center bot sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein vielfältiges und abwechslungsreiches Programm, das den Blick über den Tellerrand hinaus nicht scheute.

Auf ein Grußwort von Prof. Dr. Johannes Beermann, in dem er die hohe Popularität des Bargelds in Deutschland hervorhob, folgte ein Impulsvortrag von Brett Scott, der als Autor, Journalist und Aktivist tätig ist. Seiner Auffassung nach sei Bargeld nicht die metaphorische überholte „Pferdekutsche“, als die es von bestimmten Interessensgruppen dargestellt werde. Vielmehr sah er es als Garant dafür, ein widerstandsfähiges und inklusives Gleichgewicht der Kräfte im Zahlungsmittelmarkt zu bewahren. Scott sieht Bargeld somit eher in der Rolle eines von der öffentlichen Hand bereitgestellten „Fahrrads“ und warnte vor unerwünschten Folgeeffekten einer bargeldlosen Gesellschaft.

In der zweiten Keynote der Jubiläumsfeier widmete sich Kenza Ait Si Abbou, Technologie-Expertin und Bestseller-Autorin, der Frage, wohin die Digitalisierungsreise des Geldes gehe. Bei einer kurzen Betrachtung der Geschichte des Geldes kam sie zu dem Schluss, dass die derzeitige Koexistenz von Bargeld und bargeldlosen Zahlungsmitteln ein Novum sei. Normalerweise löse eine Geldform die andere ab. Die Digitalisierung des Geldes bringe aber auch Risiken mit sich, so Abbou: Die Kriminalität verlagere sich mehr und mehr in den digitalen Bereich, Cyberkriminalität und Datenschutzverletzungen seien zwei mögliche Folgen. Und ebenso wie im Bargeldbereich die traditionelle Falschgeldbekämpfung einen wesentlichen Teil zum Vertrauen in die Währung beitrage, müssten die Institutionen auch im unbaren Bereich mit neuen Methoden immer einen Schritt voraus sein. Ihr Fazit: Sowohl Bargeld als auch bargeldlose Systeme sollten erhalten bleiben.

In der letzten Keynote der Jubiläumsfeier ging Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi, Professorin an der Universität Mannheim, auf geschlechtsspezifische Unterschiede im Finanzbereich ein. Dabei wurde ersichtlich, dass Frauen bei der Geldanlage tendenziell weniger risikofreudig als Männer sind. Wie ein Vergleich mit anderen Ländern zeigte, hätten beide Geschlechter allerdings noch grundsätzlichen Nachholbedarf bei der finanziellen Bildung, wenngleich dieser bei Frauen stärker ausgeprägt sei.

Zu einem lebhaften Austausch von Argumenten kam es im Rahmen einer fast einstündigen Podiumsdiskussion, die sich mit der Frage beschäftigte, wo das Bargeld an seinem 30. Geburtstag stehen würde. Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Deutschen Bundesbank, zeigte sich optimistisch: Das Eurosystem bekenne sich mit seiner Bargeldstrategie klar zum Fortbestand des Bargelds und arbeite derzeit bereits an einer möglichen dritten Euro-Banknotenserie. Hardt hob diesbezüglich aber die bisherige Interpretation der auf Neutralität ausgerichteten Rolle von Zentralbanken hervor: Während manche Interessensgruppen sich aktiv gegen Bargeld aussprächen und private Anbieter von Zahlungsmitteln ihre Produkte kräftig bewerben würden, müssen sich die Zentralbanken selbst fragen, ob ihre bisherige Passivität noch vertretbar sei. „Neutralität müsse nicht mit Passivität einhergehen“, so Hardt. Dass vor diesem Hintergrund bei manchen Bürgerinnen und Bürgern ungerechtfertigte Befürchtungen aufkämen, dass das Bargeld abgeschafft würde, sei nachvollziehbar.

Prof. Dr. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, pflichtete bei, dass Bargeld in Deutschland ein sehr emotionales Thema sei. Er wünsche sich, dass man aber darüber hinausschaue und es mehr Optionen zur Vereinfachung des digitalen Bezahlens gäbe. Die nähere Zukunft des Bezahlens laufe seiner Meinung nach auf einen Dreiklang hinaus: Neben Bargeld würden sich auch ein digitaler Euro sowie andere Krypto-Token als feste Bestandteile im Zahlungsmittelangebot etablieren.

Vergleichbare Ansichten vertrat Dr. Jens Zimmermann, Mitglied des Bundestags: Er wünsche sich mehr Innovationskraft im deutschen Zahlungsmittelmarkt. Dass es an dieser bislang mangelte, führte er darauf zurück, dass mit Bargeld und Girocard bereits zwei sehr gute Systeme in Deutschland vorhanden seien, und infolgedessen zu lange keine Notwendigkeit für neue Entwicklungen gesehen wurde. Die Untersuchungen des Eurosystems zu einem möglichen digitalen Euro seien daher zu begrüßen. Zugleich mahnte er aber, einen realistischen Blick beizubehalten: Bargeld und andere Zahlungsmittel fänden missbräuchliche Verwendung in der Schattenwirtschaft, welcher es entschieden entgegenzutreten gelte. Am Ende obliege die Entscheidung über die kommende Zahlungsmittelvielfalt aber wie bisher den Bürgerinnen und Bürgern, welche hinsichtlich der Verwendung der einzelnen Zahlungsmittel „gnadenlos“ über deren Erfolg und Scheitern bestimmten.

Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, riet dabei zur Achtsamkeit: Nicht alles, was als „schick, neu und toll“ angepriesen werde, müsse dies auch tatsächlich sein. Sie begrüße hingegen ebenfalls die Untersuchungen zum digitalen Euro und mahnte an, dass digitale Zahlungsdienste nicht den großen Tech-Giganten überlassen werden dürften. Verbraucherinnen und Verbraucher seien auf vertrauenswürdige und verlässliche Zahlungslösungen angewiesen. Was das angeht habe Bargeld die Nase vorn, was in seinen vielen Vorteilen begründet sei: Banknoten und Münzen seien einfach und schnell zu verwenden, ermöglichten gesellschaftliche Teilhabe, schützten die Privatsphäre und seien auch bei Stromausfällen weiterhin verwendbar.

Den Blick nach vorne gerichtet

Sowohl bei der Jubiläumsfeier als auch bei den anderen Veranstaltungen waren sich die Gäste einig: Der Blick in die Glaskugel sei immer mit Ungewissheit verbunden, von einem düsteren Ausblick für das Bargeld konnte aber keine Rede sein. Wohin genau der Weg für das Bargeld führen wird, wird sich zwar erst zeigen müssen. Wie er aber auch aussehen mag: Die Bundesbank wird die kommenden Entwicklungen weiterhin aktiv begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Bürgerinnen und Bürger auch künftig so selbstverständlich wie bisher Bargeld verwenden können. Dieses Jubiläumsjahr wird daher mit Sicherheit nicht das letzte gewesen sein.