Anschreiben - Veröffentlichung der Endfassung der MaRisk (BaFin)

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Durchsicht Ihrer Stellungnahmen zum zweiten Entwurf der "Mindestanforderungen an das Risikomanagement" (MaRisk) vom 22.09.2005 leite ich Ihnen nunmehr die Endfassung des Rundschreibens zu. Das Rundschreiben sowie ergänzende Dokumente sind diesem Schreiben als Anlage beigefügt.

Ich freue mich zunächst über den positiven Tenor Ihrer Stellungnahmen. So betonen die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft, dass vor allem die Mitwirkung des MaRisk-Fachgremiums dazu beigetragen hat, die Anforderungen an die Praxis anzupassen und darüber hinaus zu flexibilisieren. Diese positive Haltung bestärkt mich darin, auch künftig am institutionalisierten Austausch mit der Praxis festzuhalten.

Bei der Erstellung der Endfassung des Rundschreibens sind zahlreiche Anmerkungen aus Ihren Stellungnahmen berücksichtigt worden. Für die Thematik "(Geschäfts)strategie vs. Risikostrategie" konnte im Verlauf der Konsultation mit den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft eine sachgerechte Lösung gefunden werden (AT 4.2). Folgende Punkte sind darüber hinaus von besonderer Bedeutung.
 

I. MaRisk und Prüfungspraxis

Mehrere Verbände äußerten die Besorgnis, dass die flexible und risikoorientierte Grundausrichtung der MaRisk durch eine Prüfungspraxis, die allein auf das "Abhaken" formaler Kriterien abstellt, nachträglich eingeschränkt werden könnte. Solche Entwicklungen wären auch aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Die Prüfung der Mindestanforderungen verlangt einen risikoorientierten Prüfungsansatz, der an den institutsspezifischen Gegebenheiten ansetzt und diese mitberücksichtigt (z. B. Größe des Instituts, Geschäftsumfang, Komplexität der betriebenen Geschäfte, Risikoprofil); nur so können angemessene Feststellungen getroffen werden. Ich habe daher einen Passus in den allgemeinen Teil der MaRisk eingefügt, der die Notwendigkeit risikoorientierter Prüfungshandlungen noch deutlicher als bisher zum Ausdruck bringt (AT 1 Tz. 4). Nicht gedeckt von der offenen Grundausrichtung der MaRisk sind aus meiner Sicht auch überzogene Dokumentations- und Rechtfertigungszwänge bei der Inanspruchnahme von Öffnungsklauseln durch die Institute. Ich habe daher an passender Stelle den Grundsatz der Wesentlichkeit stärker betont (AT 6 Tz. 2). Um dem von mir präferierten risikoorientierten Prüfungsansatz Nachdruck zu verleihen, werde ich zudem weitere Prüfer um ihre Mitarbeit im MaRisk-Fachgremium bitten.
 

II. Kleine Kreditinstitute

Bei kleinen Kreditinstituten führte die in den MaK vorgesehene Trennung der Bereiche Markt und Marktfolge bis einschließlich in die Ebene der Geschäftsleitung häufig zu Umsetzungsproblemen. Insbesondere waren aufgrund der begrenzten Zahl von qualifizierten Mitarbeitern im Kreditgeschäft keine sachgerechten Vertretungsregelungen darstellbar. Um dieser Problematik abzuhelfen, hatte ich für kleine Kreditinstitute unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den Regelungen zur Funktionstrennung eingeräumt (Schreiben der BaFin vom 12.08.2004). Eine wesentliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Erleichterung, die derzeit von rund 250 Kreditinstituten in Anspruch genommen werden kann, ist die Höhe des Kreditvolumens eines Kreditinstituts (Höhe des Kreditvolumens = 50 Mio. €). Dieses Kriterium habe ich jetzt auf 100 Mio. € erhöht (BTO 1.1 Tz. 1), so dass deutlich mehr Kreditinstitute in Deutschland diese Erleichterung in Anspruch nehmen können.

Mir liegt sehr viel daran, dass die MaRisk risikoadäquat von den Kreditinstituten umgesetzt werden können. Daher enthalten die MaRisk zahlreiche Öffnungsklauseln, die vor allem den kleinen Kreditinstituten Gestaltungsspielräume für individuelle Umsetzungslösungen einräumen. Die Mitwirkung von Vertretern kleinerer Kreditinstitute im MaRisk-Fachgremium trägt ebenfalls dazu bei, dass den berechtigten Belangen dieser Kreditinstitute Rechnung getragen wird. Um der besonderen Situation der kleinen Banken in Deutschland noch mehr Gewicht zu verleihen, sollen künftig Sondersitzungen des Fachgremiums stattfinden, zu denen neben Verbandsvertretern und Prüfern ausschließlich Vertreter kleinerer Kreditinstitute eingeladen werden.
 

III. MaRisk und Anforderungen der Säule II

Da von Seiten der Institute ein nachvollziehbares Interesse an Rechts- und Planungssicherheit besteht, haben sich die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft dafür ausgesprochen, dass mit den MaRisk die an die Institute gerichteten qualitativen Anforderungen der Säule 2 ("Supervisory Review Process" - SRP) abgedeckt werden sollten. Ohne dem Gesetzgeber vorgreifen zu wollen, ist davon nach der Verabschiedung der Capital Requirements Directive (CRD), die zum 01.01.2007 in deutsches Recht umzusetzen ist, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auszugehen. Mit den MaRisk sollen daher auf der Basis des § 25a Abs. 1 KWG die an die Institute gerichteten qualitativen Elemente des SRP abschließend adressiert werden. Ein Entwurf für die Neufassung des § 25a Abs. 1 KWG, der die maßgeblichen Art. 22 i.V. mit Annex V sowie Art. 123 der CRD ("Robust Governance Arrangements", "Internal Capital Adequacy Assessment Process" -ICAAP) umsetzen soll, ist am 06.12.2005 an die Verbände gesandt worden.

Nach dem heutigen Stand der Dinge sehe ich im Zusammenhang mit der Umsetzung des SRP keinen über die MaRisk hinausgehenden Regelungsbedarf (z.B. IT-Mindestanforderungen). Soweit ein solcher Bedarf in der Zukunft für bestimmte Bereiche bestehen sollte, wird dies im Rahmen der MaRisk und unter Einbeziehung des Fachgremiums geschehen. Die modulare Struktur der MaRisk eröffnet in diesem Zusammenhang die notwendige Flexibilität für gegebenenfalls erforderliche Anpassungen oder Ergänzungen des Gesamtwerks. So ist etwa vorgesehen, das Outsourcing-Rundschreiben nach gründlicher Überarbeitung durch die Aufsicht und anschließender Diskussion im Fachgremium in die MaRisk zu integrieren. Ziel ist dabei die Entwicklung flexibler und praxisnaher Regelungen zur Auslagerung, die nahtlos an den Prinzipien-orientierten Ansatz der MaRisk anknüpfen.
 

IV. Umsetzung der MaRisk

Die neuen Mindestanforderungen lösen meine in Anlage 6 genannten Schreiben ab. Soweit die neuen Anforderungen - auch in modifizierter Form - unmittelbar aus den bisherigen Regelwerken (MaK, MaH, MaIR) in die MaRisk überführt wurden, entfalten sie mit ihrer Veröffentlichung unmittelbare Bindungswirkung und schränken entsprechend ihrer deregulierenden Stoßrichtung die Auslegung und Anwendung des § 25a Abs. 1 KWG in der Aufsichtspraxis ein. Folglich können die hier vorgesehenen Entlastungen und zusätzlich eingeräumten Gestaltungsspielräume von den Instituten mit sofortiger Wirkung in Anspruch genommen werden. Die sonstigen, über die bisherigen Regelungen hinaus gehenden Anforderungen der MaRisk, die die Vorgaben der CRD zum SRP und insbesondere zum ICAAP konkretisieren, können sinnvoll erst im Gesamtkontext der Umsetzung der CRD in deutsches Recht und damit entsprechend der durch Art. 157 Abs. 1 der CRD vorgegebenen Frist erst zum 01.01.2007 zum Tragen kommen. Für Institute, die das Wahlrecht gemäß Art. 152 Abs. 7 der CRD in Anspruch nehmen, erlauben die EU-rechtlichen Vorgaben einen Anwendungsaufschub bis zum 01.01.2008. Mir ist selbstverständlich bewusst, dass die Arbeiten zur Vorbereitung auf die künftige, nach Umsetzung der CRD maßgebliche Rechtslage für die Institute eine große Herausforderung darstellen. Ich habe dementsprechend bereits in meinem Anschreiben zum zweiten Entwurf der MaRisk vom 22.09.2005 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich hinsichtlich der Umsetzung der MaRisk keinen unnötigen Zeitdruck auf die Institute ausüben will. Sollten sich bei der Umsetzung der MaRisk Schwierigkeiten ergeben, die nur mit nicht mehr vertretbarem Aufwand überwunden werden könnten (z.B. im Bereich komplexer IT-Anpassungen oder weil erforderliche Ressourcen durch Umsetzungsarbeiten in anderen Bereichen der Basel II-Umsetzung gebunden sind) so würde ich dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung des jeweiligen Einzelfalls selbstverständlich berücksichtigen und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf Maßnahmen auf der Grundlage des § 25a Abs.1 KWG jedenfalls bis zum 01.01.2008 verzichten. Diese pragmatische Vorgehensweise trägt auch einem kurzfristig vorgetragenen Anliegen des Zentralen Kreditausschusses Rechnung.

Die MaRisk sind der zentrale Baustein für die neue qualitative Aufsicht in Deutschland. Mit ihnen wird die Abkehr von der traditionell Regel-basierten Aufsicht hin zu einer Prinzipien-orientierten Aufsicht und damit gleichzeitig ein Paradigmenwechsel eingeläutet, der sowohl Form und Stil der Regulierung als auch die bankaufsichtliche Praxis verändern wird. Den Instituten werden durch die Öffnungsklauseln der MaRisk vielfältige Gestaltungsspielräume eingeräumt, die deren Eigenverantwortung stärken. Ich gehe davon aus, dass diese Gestaltungsspielräume auf sachgerechte Weise von den Instituten mit Leben gefüllt werden. Von Prüfern erwarte ich die Beachtung des risikoorientierten Prüfungsansatzes. Wenn alle Beteiligten (Institute, Prüfer und Aufsicht) ihrer neuen Rolle gerecht werden, wird die neue Aufsichtsphilosophie von Erfolg gekrönt sein.

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