Methodik Wöchentlicher Aktivitätsindex
Der WAI ist ein wöchentlicher Index, der die realwirtschaftliche Aktivität in Deutschland möglichst zeitnah messen soll (Eraslan und Götz, 2020). Er ist demnach nicht mit dem vierteljährlichen BIP gleichzusetzen. Angelehnt an einen von der Federal Reserve Bank of New York veröffentlichten Index (Lewis et al., 2020) wird er dafür als gemeinsame Komponente aus mehreren hochfrequenten, schnell verfügbaren Indikatoren berechnet, die verschiedene Wirtschaftsbereiche abdecken. Zusätzlich fließen die monatliche Industrieproduktion sowie das letztverfügbare, vierteljährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den WAI ein. Der WAI und die daraus abgeleitete Schätzung für das BIP-Wachstum liefern zeitnahe Informationen darüber, wie sich die Wirtschaftstätigkeit in Deutschland entwickelt. Dies ist gegenwärtig aufgrund der drastischen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und der zu ihrer Eindämmung ergriffenen Maßnahmen besonders interessant.
Konstruktion und Interpretation
Zuerst werden 13-Wochen-Durchschnitte für die (auf Wochenbasis verfügbaren) hochfrequenten Indikatoren ermittelt. In einem weiteren Schritt werden aus diesen Durchschnitten 13-Wochen-Wachstumsraten berechnet. Der WAI wird anschließend über eine Hauptkomponentenanalyse anhand des „Expectation-maximization“-Algorithmus (Dempster et al., 1977; Stock und Watson, 2002) als wöchentlicher Faktor des gemischtfrequenten Datensatzes (wöchentliche Indikatoren, monatliche Industrieproduktion und vierteljährliches BIP) berechnet.
Der WAI schwankt um seinen langfristigen Mittelwert, der konstruktionsbedingt (durch die Standardisierung der Daten) bei null liegt. Folglich weisen positive Werte auf eine überdurchschnittlich stark steigende realwirtschaftliche Aktivität hin, während negative Werte eine unterdurchschnittliche Steigerung oder ein Sinken der Wirtschaftsleistung andeuten. Der WAI gibt die trendbereinigte Wachstumsrate der wirtschaftlichen Aktivität des letzten 13-Wochen-Durchschnitts (beispielsweise KW 14 bis KW 26) gegenüber dem vorletzten 13-Wochen-Durchschnitt (z.B. KW 1 bis KW 13) an. Mit jeder Aktualisierung des WAI verschieben sich die betrachteten Zeiträume um eine Woche. Seine Werte können demnach als rollierende 13-Wochen-Wachstumsraten interpretiert werden. Da ein Jahr aus 52 Kalenderwochen besteht (gerundet; beginnt oder endet es an einem Donnerstag, dann sind es 53), können die WAI-Werte am Ende eines Quartals näherungsweise als Veränderungsrate gegenüber dem vergangenen Quartal angesehen werden. Ein Rückgang (Anstieg) des WAI weist darauf hin, dass sich die trendbereinigte Aktivität in den letzten 13 Wochen gegenüber den vorletzten 13 Wochen verschlechtert (verbessert) hat.
Indikatoren
Neben der monatlichen Industrieproduktion und dem vierteljährlichen BIP setzt sich der WAI aus neun hochfrequenten, wöchentlich erfassten, schnell verfügbaren Indikatoren zusammen (siehe Tabelle). Dabei werden die Tageswerte der entsprechend verfügbaren Indikatoren mittels Durchschnittsbildung auf Wochenfrequenz gebracht. Ein wichtiges Auswahlkriterium für die Aufnahme eines Indikators in den Index war, dass er einen hinreichenden Erklärungsgehalt in Bezug auf die wirtschaftliche Aktivität aufweist. Ebenso sollten möglichst verschiedene Wirtschaftsbereiche abgedeckt werden. So erfassen die hochfrequenten Indikatoren Strom und Maut den Bereich Produktion bzw. Handel, während der Indikator Flüge einen Bezug zur globalen Aktivität herstellt. Aus Google-Suchanfragen werden die Variablen G-Arbeitslosigkeit, G-Kurzarbeit und G-Staatshilfe gewonnen. Die ersten beiden beziehen sich auf den Arbeitsmarkt, G-Staatshilfe erfasst das Ausmaß, mit dem staatliche Hilfsmaßnahmen diskutiert werden. Die Indikatoren Passantenaufkommen und Kreditkartenzahlungen bilden einen Teil des Konsumverhaltens ab. Die Größe Luftverschmutzung dient als Kennzahl für den Bereich Mobilität. Da einige Indikatoren ein starkes Saison- oder Kalendermuster aufweisen, werden diese vorab entsprechend bereinigt.
Indikator | Erklärung |
Strom | Realisierter Stromverbrauch |
Maut | Lkw-Maut-Fahrleistungsindex |
Flüge | Weltweite Anzahl Flüge |
G-Arbeitslosigkeit | Google-Suchbegriff „Arbeitslosigkeit“ |
G-Kurzarbeit | Google-Suchbegriff „Kurzarbeit“ |
G-Staatshilfe | Google-Suchbegriff „Staatshilfe“ |
Passantenaufkommen | Anzahl Passanten auf 21 innerstädtischen Einzelhandelsstraßen |
Luftverschmutzung | Konzentration von Stickstoffdioxid (NO2) in der Luft (Durchschnitt aller verfügbaren Messstationen; Quelle der Ursprungswerte: Umweltbundesamt, 2021) |
Kreditkartenzahlungen | Zahlungen basierend auf Kreditkartentransaktionsdaten in Deutschland (Quelle der Ursprungswerte: Fable Data, 2021) |
Weitere Informationen
Der in der ersten Modellversion (Deutsche Bundesbank, 2020) noch enthaltene Indikator Bargeld (Abhebungen in Euro) wurde mittlerweile durch den Indikator Passantenaufkommen ersetzt. Weiterhin wurden bei der Aktualisierung am 8. Juni 2020 zwei Indikatoren hinzugefügt: Konsumentenvertrauen – Index Aktuelle Lage (IAL) und G-Staatshilfe. Außerdem basiert der WAI seitdem auf rollierenden 13-Wochen-Wachstumsraten anstatt auf 12-Wochen-Wachstumsraten. Diese drei Anpassungen führten insgesamt zu einer merklichen Abwärtsrevision des Index. Die Datenquelle für den Indikator Luftverschmutzung wurde am 11. Januar 2021 von der Europäischen Umweltagentur auf das Umweltbundesamt geändert. Ab 8. März 2021 werden für den Indikator Konsumentenvertrauen – IAL ungewichtete anstatt gewichtete 7-Tages Durchschnitte benutzt. Bei der Aktualisierung am 10. Mai 2021 wurden Kreditkartenzahlungen als neuer Indikator hinzugefügt. Bei der Aktualisierung am 1. November 2021 wurde der Indikator Konsumentenvertrauen – IAL aus dem Datensatz entfernt. Ab dem 16. Januar 2023 deckt der Indikator Passantenaufkommen auf innerstädtischen Einzelhandelsstraßen 21 anstatt 8 Städte ab. Es ist zudem zu beachten, dass es bei den verwendeten Indikatoren zu Datenrevisionen kommen kann, die bei den wöchentlichen Aktualisierungen auch zu Revisionen vergangener Werte des WAI führen können.
Literaturverzeichnis
teilweise in englischer Sprache