Neuberechnung der nicht-börsennotierten Aktien und sonstigen Anteilsrechte in der Finanzierungsrechnung Methodische Notiz

Um die Lücken bei der Erfassung der nicht-börsennotierten Anteilsrechte (nicht-börsennotierte Aktien, ESVG-Instrument F.512, und sonstige Anteilsrechte, ESVG-Instrument F.519) in der Finanzierungsrechnung zu schließen, werden die Bestände an emittierten nicht-börsennotierten Anteilsrechten auf der Grundlage von Jahreseinzelabschlüssen neu berechnet. Konkret werden hierbei die Passiva an nicht-börsennotierten Eigenkapitalinstrumenten der nichtfinanziellen Unternehmen und sonstigen Finanzinstitute aus dem Bilanzeigenkapital der einzelnen Unternehmen abgeleitet.

Im Rahmen der Benchmark-Revision der Finanzierungsrechnung im September 2024 hat die Deutsche Bundesbank die Berechnung der nicht-börsennotierten Anteilsrechte in der Finanzierungsrechnung grundlegend überarbeitet. Ausgangspunkt für die neue Methode sind Jahreseinzelabschlüsse nach HGB. Die emittierten Volumina an nicht-börsennotierten Aktien (ESVG-Instrument F.512) werden wie vom ESVG empfohlen anhand der Eigenkapitalposition in den Bilanzen von nicht-börsennotierten Aktiengesellschaften ermittelt. Die emittierten Volumina an sonstigen Anteilsrechten (ESVG-Instrument F.519) werden analog anhand der Eigenkapitalposition in den Bilanzen von GmbHs, KGs, OHGs und GmbH & Co KGs berechnet. Aufgrund unzureichender Informationen wird von der Schätzung eines (theoretischen) Marktwertes nicht-börsennotierter Anteilsrechte im Bestand abgesehen, so dass die Eigenkapitalposition direkt mit dem Buchwert gemäß Einzelabschluss des emittierenden Unternehmens in die Finanzierungsrechnung einfließt.

Die Eigenkapitalpositionen aus den Bilanzdaten werden für die Emittentensektoren nichtfinanzielle Unternehmen (S.11), sonstige Finanzinstitute (S.125), Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten (S.126) und Holdings (S.127) angesetzt. Für die anderen institutionellen Sektoren, also die Kreditinstitute (S.122), die Versicherungsgesellschaften (S.128), die Altersvorsorgeeinrichtungen (S.129), den Staat (S.13), die Privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (S.15) und die Übrige Welt (S.2), gibt es adäquate Primärstatistiken, die die nicht-börsennotierten Anteilsrechte erfassen, so dass in diesen Fällen kein Rückgriff auf Jahreseinzelabschlüsse notwendig ist[1]. Die Sektorzuordnung der emittierenden Unternehmen erfolgt durch eine Verknüpfung mit dem ESZB-Unternehmensstammdatenregister RIAD. Für die Instrumentenzuordnung werden die Unternehmen außerdem mit der Aktienemissionsstatistik der Bundesbank verknüpft, um zwischen börsennotierten und nicht-börsennotierten Aktien unterscheiden zu können.

Die Angaben zu den Haltersektoren werden anhand einer Anteilseigneranalyse vervollständigt. Die Primärstatistiken der Deutschen Bundesbank stellen lediglich für einige Sektoren dar, in welchem Umfang diese Sektoren nicht-börsennotierte Aktien und sonstige Anteilsrechte halten. Die Sektoren, für deren Aktivseite Daten aus Primärstatistiken verfügbar sind, sind die Kreditinstitute (S.122), die Versicherungsgesellschaften (S.128), die Altersvorsorgeeinrichtungen (S.129), der Staat (S.13) und die Übrige Welt (S.2), sowie die Deutsche Bundesbank (S.121). Für die übrigen Sektoren wurde eine Anteilseigneranalyse durchgeführt, indem für eine Stichprobe an Unternehmen die Anteilseigner ermittelt und nach Sektoren aufgegliedert wurden. Diese Informationen sind notwendig, um in der Finanzierungsrechnung die Schuldner-Gläubiger Beziehungen vollständig abzubilden.

Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit der ausgewählten Bilanzdaten wird die Neuberechnung für Datenpunkte ab dem Jahr 2016 durchgeführt. Die Zeitreihen der Finanzierungsrechnung weisen aus diesem Grunde im ersten Quartal 2016 einen statistischen Bruch auf. Da Jahreseinzelabschlüsse grundsätzlich nur jährlich verfügbar sind, werden die Daten zudem temporal disaggregiert, um Quartalswerte ausweisen zu können.

Neben Beständen beinhaltet die Finanzierungsrechnung Transaktionen, Bewertungseffekte und sonstige Volumenänderungen. Unter „sonstigen Volumenänderungen“ versteht man hier beispielsweise Änderungen, die auf die Reklassifizierung des institutionellen Sektors eines Unternehmens zurückgehen. Solche Änderungen werden individuell erfasst. Transaktionen und Bewertungsgewinne werden anhand der Zerlegung des Eigenkapitals in seine Bestandteile (gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklage, Gewinnvortrag und Jahresüberschuss bzw. Bilanzgewinn) errechnet.

Insgesamt zeigt die Neuberechnung, dass insbesondere die nichtfinanziellen Unternehmen ein deutlich größeres Volumen an sonstigen Anteilsrechten emittieren, als bisher in der Finanzierungsrechnung erfasst wurde. Am aktuellen Rand belaufen sich die Passiva dieses Sektors an sonstigen Anteilsrechten auf knapp über 3 Billionen Euro. Nicht-börsennotierte Aktien sind dagegen wie zuvor ein weniger bedeutsames Instrument. Die relative Bedeutung der Schuldeninstrumente auf der Passivseite der nichtfinanziellen Unternehmen ändert sich durch die neue Methode erwartungsgemäß ebenfalls. Die sonstigen Anteilsrechte machen 31% der gesamten Verbindlichkeiten im zweiten Quartal 2024 aus. Nach der bisherigen Methode lag ihre Bedeutung bei „nur“ 16%. Die Kredite verlieren durch die Neuberechnung an relativer Bedeutung in der Kapitalstruktur.

Passivseite S11

Relative Bedeutung der Schuldeninstrumente von S.11

Die größten Anteilseigner von nicht-börsennotierten Aktien und sonstigen Anteilsrechten der nichtfinanziellen Unternehmen sind andere nichtfinanzielle Unternehmen. Die Aktivseite des Sektors S.11 wächst durch die Neuberechnung erheblich: am aktuellen Rand um fast 1,3 Billionen Euro im Vergleich zur bisherigen Methode. Das Geldvermögen der privaten Haushalte fällt am aktuellen Rand um fast 700 Milliarden Euro höher aus, als bisher. Auch die sonstigen Finanzinstitute (S.125‑7) erleben eine deutliche Bilanzverlängerung.

Aktivseite S.14


Fußnote:

  1. Primärstatistiken sind statistische Erhebungen der Deutschen Bundesbank, die spezifisch zu statistischen Zwecken erfolgen. Die Finanzierungsrechnung nutzt Primärstatistiken als Quellen und ist selber eine Sekundärstatistik.