Finanzstabilitätsbericht 2013 der Deutschen Bundesbank
Niedrige Zinsen und eine reichliche Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken haben dazu beigetragen, dass die Anspannungen an den internationalen Finanzmärkten nachgelassen haben. Davon profitierte im bisherigen Jahresverlauf auch das deutsche Finanzsystem. Mit zunehmender Dauer bergen die außerordentlichen finanziellen Bedingungen nach Einschätzung der Bundesbank allerdings Gefahren für die Finanzstabilität.
Zudem gehen von den hohen öffentlichen und privaten Schulden in einigen Ländern des Euro-Raums unverändert hohe Risiken aus. "Die Schuldenkrise ist noch nicht überwunden", sagte Sabine Lautenschläger, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, bei der heutigen Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2013. Wie im vergangenen Jahr gelte: "Die durch die Maßnahmen der Notenbanken gekaufte Zeit muss genutzt werden, um die Krisenursachen mit strukturellen und institutionellen Reformen anzugehen. Dabei ist die planmäßige Umsetzung besonders wichtig."
Zwar haben die niedrigen Zinsen dazu beigetragen, dass sich die Lage beruhigt hat. Aber: "Mit zunehmender Dauer des Niedrigzinsumfelds nehmen die unerwünschten Nebenwirkungen und die Risiken für die Finanzstabilität zu", gab Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zu bedenken und ergänzte: "Das Niedrigzinsumfeld wird mehr und mehr zu einer Belastung für das deutsche Finanzsystem."
So zehrten niedrige Zinsen zunehmend die finanziellen Puffer der Lebensversicherer auf. "Es wird angesichts der niedrigen Zinsen für Lebensversicherer immer schwieriger, die Garantieverzinsung zu erwirtschaften", erläuterte Dombret, in der Bundesbank zuständig für den Bereich Finanzstabilität. Außerdem führten niedrige Zinsen zu steigenden Bewertungsreserven in den Bilanzen der Versicherer, die diese an die Versicherten ausschütten müssten. Dombret folgerte: "Die Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven in der Lebensversicherung muss im Sinne der Finanzstabilität solide und nachhaltig geregelt werden."
Auch das deutsche Bankensystem ist von dem Niedrigzinsumfeld betroffen, denn seine wichtigste Ertragsquelle ist traditionell das Zinseinkommen. "Der harte Wettbewerb um Kunden hat in den vergangenen 15 Jahren die Zinsspannen der Banken von 200 auf 100 Basispunkte halbieren lassen. Und die Niedrigzinsphase bedeutet nun eine weitere Belastung für die Banken", erklärte Lautenschläger, die in der Bundesbank für die Bankenaufsicht zuständig ist. Die Geschäftsmodelle etlicher Banken gerieten auf mittlere Sicht dadurch erheblich unter Druck, und die Kostenstrukturen müssten daher unbedingt angepasst werden. Trotz der hohen Wettbewerbsintensität im deutschen Bankensektor habe sich die Risikotragfähigkeit der Banken im Vergleich zum Vorjahr weiter verbessert – auch dank der robusten Inlandskonjunktur. Lautenschläger betonte, dass die Institute im Vergleich zum Vorjahr ihre Verschuldungsquote erneut verringert und ihre Eigenkapitalquote weiter erhöht hätten. "Auch die Bilanzbereinigung der vergangenen Jahre hat zu sinkenden Risiken und steigenden Kapitalquoten geführt – gerade mit Blick auf die umfassende Qualitätsprüfung der Bilanzen durch die Europäische Zentralbank ist dies eine erfreuliche Entwicklung", sagte Lautenschläger.
Das Niedrigzinsumfeld beeinflusst auch die Entwicklung am deutschen Immobilienmarkt. Vor allem in Großstädten haben sich die Preise für Wohnimmobilien in den vergangenen Jahren erheblich verteuert. Nachdem die Preise dort von 2009 bis 2012 bereits um fast ein Viertel zugelegt haben, rechnet die Bundesbank für 2013 mit einem weiteren Preisanstieg von rund 9 %. Eine akute Gefahr für die Finanzstabilität sieht die Bundesbank jedoch noch nicht. "Dank einer soliden Schuldentragfähigkeit der privaten Haushalte und eines moderaten Kreditwachstums bergen die steigenden Immobilienpreise derzeit keine übermäßigen Risiken für die Finanzstabilität", sagte Dombret und ergänzte: "Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Immobilienbesitzer durch mögliche Preiskorrekturen Vermögensverluste erleiden." Weiterhin stellte Dombret fest: "Erfahrungen in anderen Ländern haben gezeigt, dass in einer lang anhaltenden Phase niedriger Zinsen durchaus Preisblasen entstehen können." Deshalb werde die Bundesbank die Situation am deutschen Immobilienmarkt weiterhin genau beobachten.
Insgesamt sei es wichtig, die Wirkung der niedrigen Zinsen auf die Finanzstabilität im Auge zu behalten. Je länger die Phase niedriger Zinsen andauere, desto wahrscheinlicher werde der Einsatz makroprudenzieller Instrumente. "Eins ist sicher: Sobald wir Gefahren für die Finanzstabilität sehen, werden wir handeln", sagte Dombret.