Finanzstabilitätsbericht 2013

Pressekonferenz zum Finanzstabilitätsbericht 2013 ©Frank Rumpenhorst

Die eingekehrte Ruhe ist trügerisch

"Die Finanzstabilität in Deutschland profitiert im bisherigen Jahresverlauf davon, dass die Anspannungen an den internationalen Finanzmärkten nachgelassen haben", heißt es im diesjährigen Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank, den Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger und Vorstandsmitglied Andreas Dombret am 14. November 2013 im Rahmen einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main vorgestellt haben. Aber auch wenn sich die Lage etwas beruhigt hat, gehen von der europäische Staatsschuldenkrise und dem aktuellen Niedrigzinsumfeld anhaltende Risiken für die Stabilität des deutschen Finanzsystems aus.

Gekaufte Zeit nutzen

"Die Schuldenkrise ist noch bei Weitem nicht ausgestanden", sagte Lautenschläger, "die eingekehrte Ruhe an den Finanzmärkten ist trügerisch". Besorgt zeigte sich die für Bankenaufsicht zuständige Vizepräsidentin darüber, dass trotz der Konsolidierungsmaßnahmen die öffentlichen Schuldenstände in einigen europäischen Ländern weiter gestiegen seien. Auch private Unternehmen und Haushalte wiesen hohe Verbindlichkeiten auf. "Die durch die Maßnahmen der Notenbanken gekaufte Zeit muss genutzt werden, um die Krisenursachen mit strukturellen und institutionellen Reformen anzugehen", mahnte sie.

Die kritische Situation öffentlicher wie privater Schuldner in einigen Krisenländern ist auch heute noch eines der zentralen Risiken für den deutschen Bankensektor. "Die Ausfall- und Ansteckungsrisiken sind zwar zurückgegangen, aber immer noch beachtlich", sagte Lautenschläger. So seien die Forderungen deutscher Banken gegenüber öffentlichen wie privaten Schuldnern aus den vier Programmländern – Griechenland, Irland, Zypern und Portugal – sowie Spanien und Italien seit Ende 2009 von 432 Milliarden Euro auf 234 Milliarden Euro gesunken. Andreas Dombret, der im Vorstand für Finanzstabilität zuständig ist, sieht vor allem kritisch, dass in einigen anderen europäischen Ländern der Risikoverbund zwischen Staat und heimischen Banken weiter zugenommen hat. Er forderte: "Die regulatorische Besserstellung von Staatsanleihen in den Bankbilanzen muss auf mittlere Sicht abgebaut werden."

Unerwünschte Nebenwirkungen nehmen zu

Das zweite große Risiko für die deutsche Finanzstabilität bestehe in den niedrigen Zinsen. "Des einen Freund, des anderen Leid", kommentierte Dombret das derzeitige Niedrigzinsumfeld: "Für Häuslebauer und Aktionäre ist es gut. Für Sparer ist es alles andere als schön." Die längerfristigen Gefahren beträfen allerdings jeden: "Mit zunehmender Dauer der niedrigen Zinsen nehmen die unerwünschten Nebenwirkungen und Risiken für die Finanzstabilität zu." Deutsche Versicherer treffe das Niedrigzinsumfeld besonders hart: "Es wird für die deutschen Lebensversicherer angesichts der niedrigen Zinsen immer schwieriger, die Garantieverzinsung zu erwirtschaften", sagte er. Dies zehre die Kapitalpuffer der Versicherer auf. Sie müssten ihre Eigenmittel aufstocken und die Höhe ihrer Ausschüttungen an Versicherungsnehmer überprüfen. Derzeit böten einige Lebensversicherer auch Modelle an, bei denen sie keinen Garantiezins mehr gewähren würden.

Niedrige Zinsen drücken auch die Erträge der Banken

Auch auf die Banken wirke das Niedrigzinsumfeld großen Druck aus, da der schrumpfende Zinsüberschuss die Ertragskraft nachhaltig abschmelzen lasse. Bei genauer Analyse des Bankensektors zeigt sich laut Lautenschläger "eine strukturelle Ertragsschwäche deutscher Banken". Grund dafür sei das im europäischen Vergleich sehr hohe Angebot an Bankdienstleistungen und der zunehmende Wettbewerb um die gleichen Kundengruppen wie den Mittelstand oder Privatkunden. Langfristig müssten sich Investoren und Unternehmer auf geringere Renditen einstellen. Wenn es Banken nicht gelänge, die Kostenstrukturen und Geschäftsmodelle auf mittlere Sicht anzupassen und somit die Erträge ausblieben, dürften auch Marktaustritte kein Tabu sein, forderte Lautenschläger.

Konservative Standards bei der Kreditvergabe einhalten

Ebenfalls von niedrigen Zinsen beeinflusst zeigt sich der deutsche Immobilienmarkt. In den sieben deutschen Großstädten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart etwa sind die Wohnimmobilienpreise zwischen 2009 und 2012 um fast ein Viertel gestiegen. Zwischen 2005 und 2008 waren es lediglich 8 %. Für Großstädte geht die Bundesbank gegenwärtig von Überbewertungen von bis zu 20 % aus. "Die niedrigen Zinsen haben sicherlich Anreize für Immobilienkredite gesetzt, die bei normalen Zinsen nicht getätigt worden wären", sagte Dombret. Die steigenden Preise würden aber dank der soliden Bonität der privaten Haushalte und moderat wachsender Immobilienkredite keinen Anlass zur Sorge für die Finanzstabilität geben. "Die deutschen Banken sollten auf konservative Standards bei der Vergabe von Immobilienkrediten achten", unterstrich Dombret.

Gesundheitscheck große Chance

Nicht nur Banken und Versicherer müssten die derzeitige Erholungsphase für Reformen nutzen, auch die Aufseher und Regulierer, mahnte Vizepräsidentin Lautenschläger. Bei der geplanten Bankenunion seien noch viele Punkte offen. Dabei sei die Überprüfung der Bankbilanzen durch die neue europäische Aufsicht, kurz SSM (Single Supervisory Mechanism) am weitesten fortgeschritten. Für den "Gesundheitscheck" der Bilanzen von 128 Banken durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die European Banking Authority (EBA) sei der Startschuss bereits gefallen. "Der Gesundheitscheck für Banken ist eine große Chance. Eine rigorose Bilanzbereinigung kann von Altlasten befreien und die Funktionsfähigkeit und Stabilität des europäischen Bankensektors stärken", betonte Lautenschläger. Dringenden Handlungs­bedarf sieht sie aber beim gemeinsamen Abwicklungsmechanismus. Hier gebe es ihrer Ansicht nach rechtliche Probleme: "Eine echte europäische Abwicklungsbehörde braucht ein wasserfestes Fundament, denn eine Bankenabwicklung ist immer mit einer Klagewelle Dritter verbunden, das heißt mit Klagen von Bankinvestoren", sagte sie. Für ein wasserfestes Fundament müsse das Primärrecht, also der EU-Vertrag, geändert werden.