Kommunikation mit EZB bleibt für Regionalbanken der Ausnahmefall Gastbeitrag im "Profil - das bayerische Genossenschaftsblatt"

Am 4. November 2014 hat für die bedeutendsten europäischen Banken ein neues Zeitalter in der Bankenaufsicht begonnen: Seitdem werden sie von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt. Ab 2016 wird der einheitliche europäische Aufsichtsmechanismus, kurz SSM, noch durch den einheitlichen europäischen Abwicklungsmechanismus ergänzt. Die europäische Bankenunion nimmt also Gestalt an.

Der Aufbau der Bankenunion ist nach der Einführung des Euro der nächste Meilenstein für die Integration der Finanzmärkte und der Volkswirtschaften in Europa und ohne Zweifel ein ebenso notwendiger wie logischer Impuls. Eine einheitliche Geldpolitik braucht integrierte Finanzmärkte, und dazu leistet die Bankenunion einen großen Beitrag.

Die Anfänge in der europäischen Bankenaufsicht sind gemacht….

Inzwischen können wir auf ein halbes Jahr Erfahrungen mit dem SSM zurückblicken. Und diese sehe ich durchaus positiv: Die gemeinsamen Aufsichtsteams haben ihre Arbeit aufgenommen und die Kommunikation zwischen den europäischen Aufsichts-Kollegen funktioniert erfreulich gut. Ohne Frage müssen sich noch Feinheiten in den ein oder anderen Abläufen und Arbeitsprozessen entwickeln, Personen müssen sich noch besser kennenlernen und die Banken müssen sich auf die neuen Aufseherteams einstellen. Ich bin aber durchaus zuversichtlich, dass dieses neue Projekt Erfolgsgeschichte schreiben wird.

Im Zusammenhang mit dem SSM wird zunächst an die direkt beaufsichtigten Bankengruppen, die sogenannten signifikanten Institute, gedacht. Denn nur diese sind direkt von der neuen europäischen Aufsicht betroffen. Aus der genossenschaftlichen Finanzgruppe gehören vier Institute zu dieser Gruppe: die DZ Bank, die WGZ Bank, die MünchnerHyp sowie die Deutsche Apotheker und Ärztebank.

… und reichen bis hin zu den weniger signifikanten Banken

Für alle übrigen, die so genannten weniger signifikanten Banken, sind weiterhin die nationalen Aufseher zuständig, wie auch für die genossenschaftlichen Primärbanken. Und das ist auch richtig und angemessen: So erfordert deren regional orientiertes und risikoaverses Geschäftsmodell nicht zwingend eine europäische Aufsicht, vielmehr können die Besonderheiten dieses Sektors angemessen durch die nationalen Aufseher beaufsichtigt und eingeordnet werden.

Deshalb wird sich für die genossenschaftlichen Primärinstitute in der täglichen Aufsicht durch den SSM wenig ändern: Deren Ansprechpartner bleiben weiterhin die BaFin und die Bundesbank, die Kommunikation mit der EZB wird ein Ausnahmefall sein und kann auf Deutsch erfolgen. Die EZB wird gleichwohl durch einen jährlichen Bericht der nationalen Aufseher über alle nicht-signifikaten Institute informiert.

Die Aufsichtspraktiken insgesamt werden europäischer

Dennoch wird der neue Aufsichtsmechanismus auch auf die kleineren Banken Auswirkungen haben, auch sie werden den europäischen Wind spüren. Zwar werden sie diesem nicht direkt ausgesetzt sein; es ist aber davon auszugehen, dass der SSM die verschiedenen nationalen Aufsichtspraktiken stärker vereinheitlichen wird. Ziel ist dabei, dass auch die kleineren Institute in allen Euroländern nach einheitlichen Standards beaufsichtigt werden. Das ist meiner Meinung nach bis zu einem bestimmten Punkt auch durchaus sinnvoll.

Um eine kohärente Aufsichtspraxis in Europa zu gewährleisten, kann die EZB mit bindenden Leitlinien und nicht bindenden allgemeinen Weisungen den nationalen Aufsichtsbehörden Vorgaben machen, wie diese die Aufsicht über weniger bedeutende Institute ausüben sollen. Dabei handelt es sich etwa um Aufsichtsschwerpunkte oder Grundsätze für die Bewertung bestimmter Sachverhalte. Gleichzeitig hat die EZB aber keine Einzelfallanweisungsbefugnis, kann also eine nationale Aufsichtsbehörde nicht zu bestimmten Aufsichtshandlungen oder zum Erlass eines bestimmten Beschlusses auffordern.

Eine Vereinheitlichung des Aufsichtshandelns in Europa darf aber nicht darin enden, dass Ungleiches gleich reguliert und beaufsichtigt wird. Konkret meine ich in diesem Zusammenhang die Besonderheiten des deutschen Drei-Säulen-Modells. Das hat sich bewährt und ist auch in Zeiten einer europäischen Aufsicht unbedingt erhaltenswert. Die Besonderheiten müssen auch im SSM angemessen berücksichtigt werden.

Die Chancen dafür stehen gut, denn die SSM-Verordnung ist so angelegt, dass der SSM bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die Vielfalt der Kreditinstitute, ihre Größe und ihre Geschäftsmodelle sowie die systemischen Vorteile der Vielfalt im europäischen Bankensystem berücksichtigen soll. Für die kleinen und mittleren Banken bedeutet dies konkret, dass die Aufsichtsintensität an ihrem Risiko ausgerichtet wird.

In wenigen Fällen haben die weniger signifikanten Banken aber auch direkten Kontakt mit den europäischen Aufsehern: Dies ist regelmäßig der Fall, wenn es um die Erteilung oder den Entzug von Zulassungen und die Prüfung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen geht. Bei der EZB ist die Generaldirektion Mikroprudenzielle Aufsicht III dafür zuständig, für alle anderen Aufsichtsbeschlüsse bleiben es die nationalen Aufseher.

Ein Sonderfall bei der Beaufsichtigung der weniger signifikanten Institute tritt ein, wenn die EZB der Auffassung ist, dass nationale Aufseher die gemeinsamen Aufsichtsstandards nicht einhalten oder verletzen. Dann kann der SSM die Aufsicht über das betreffende Institut direkt übernehmen.

Ein gemeinsamer Abwicklungsmechanismus als zweite Säule der Bankenunion…

Nun zum europäischen Abwicklungsmechanismus, der SRM. Der Grundgedanke dahinter ist, dass auch eine noch so gute Aufsicht nicht verhindern kann, dass Banken scheitern. Und dass sie das können müssen, entspricht den Prinzipien einer Marktwirtschaft. Der neue europäische Abwicklungsmechanismus gilt ebenso wie der SSM für alle Banken in den 19 Ländern der Eurozone.

Der Abwicklungsmechanismus besteht aus zwei Elementen: Erstens aus einer europäischen Abwicklungsbehörde, die künftig direkt über die Abwicklung von Kreditinstituten unter EZB-Aufsicht sowie grenzüberschreitend tätiger Banken entscheidet. Für alle übrigen Banken übernehmen die nationalen Banken die Abwicklung – in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA). Die Brüsseler Abwicklungsbehörde überwacht dabei die Einhaltung der vereinbarten Regeln. Zweitens wird ein gemeinsamer Abwicklungsfonds in Höhe von 1% der gedeckten Einlagen der ansässigen Banken aufgebaut. Finanziert wird er von der Kreditwirtschaft in den einzelnen Mitgliedstaaten selbst. Damit wird ein wichtiges Prinzip festgeschrieben: Die Banken, und nicht der Steuerzahler, haften selbst für die von ihnen ausgehenden Risiken.

… betrifft zumindest durch die Bankenabgabe auch die Genossenschaftsbanken

Innerhalb von acht Jahren sollen die nationalen Abwicklungsfonds vergemeinschaftet werden. Wie genau die Bankenabgabe unter Anwendung des Proportionalitätsprinzips ausgestaltet werden soll, ist noch offen. Für die Genossenschaftsbanken ist es wichtig, dass die Besonderheiten ihrer Gruppe angemessen berücksichtigt werden. Auch wenn alle Banken in den Abwicklungsfonds einzahlen, so müssen bei der Bemessung auch Kriterien einbezogen werden, die die Mitgliedschaft in einer Institutssicherungseinrichtung berücksichtigen und die Bankenabgabe somit risikogerecht ausgestalten.

Anpassungen werden erforderlich durch die Reform der Einlagensicherung

Neben der einheitlichen Bankenaufsicht und dem Abwicklungsmechanismus wurden die Anforderungen an nationale Einlagensicherungssysteme mit der im April 2014 beschlossenen Reform der Einlagensicherungsrichtlinie weiter harmonisiert. Danach müssen alle EU-Länder bankenfinanzierte Einlagensicherungsfonds aufbauen, die im Entschädigungsfall Bankeneinlagen bis zu einer Höhe von 100 000 garantieren.

Für die genossenschaftliche Finanzgruppe ist dabei positiv, dass die in Deutschland existierenden Institutssicherungssysteme der Sparkassen und Genossenschaften auch zukünftig als Einlagensicherungssystem anerkannt werden. Diese Anerkennung ist natürlich mit Auflagen verbunden. Trotzdem ist dies ein gutes Beispiel dafür, wie nationale Besonderheiten von Bankensystemen auf EU-Ebene gewürdigt werden.

Insgesamt ist die Genossenschaftsgruppe bei der Reform der Einlagensicherungssysteme auf einem guten Weg. Und die für sie positive Nachricht lautet, dass eine EU-weite Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme bei allen Integrationsbestrebungen nicht vorgesehen und zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht angemessen ist.