FinTechs - neue Akteure, neue Herausforderungen Gastbeitrag im Frankfurt Main Finance Jahrbuch 2016

Fintechs sind derzeit in aller Munde. Ihnen ist gemein, dass sie mit innovativen, IT-basierten Geschäftsideen an den Markt drängen, die ihren Kunden erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen versprechen, stets verfügbar und konsequent an deren individuellen Bedürfnissen ausgerichtet sind. Damit stoßen Fintechs in nahezu alle Bereiche des Bank- und Finanzwesens vor. In den Geschäftsfeldern "Finanzierung und Geldanlage" wachsen beispielsweise Plattformen zur Kreditvermittlung, zur Finanzierung von Startups und mittelständischen Unternehmen und zum "social trading" heran, bei dem Anlagetipps und Empfehlungen innerhalb der Netzgemeinschaft geteilt werden. Auch rund um den Zahlungsverkehr entstehen technologiegetriebene Geschäftsmodelle, beispielsweise bei mobilen Bezahlverfahren oder bei internationalen Geldtransfers. Zahlreiche nützliche Anwendungen helfen beispielsweise Kunden, via Smartphone jederzeit einen Überblick über alle Bankkonten zu behalten; andere bieten Softwarelösungen für Smart-Data Anwendungen in Banken und Sparkassen. Der Versuch, diese bunte und lebendige Vielfalt vollständig erfassen zu wollen, bleibt vergebens.

Den Finanzplatz Frankfurt hat der "Hype" um Fintechs gleich mehrfach aufgewühlt. Mit dem Innovationspotenzial der Fintechs verbinden sich berechtigte Hoffnungen, Kundenbedürfnisse konsequenter befriedigen zu können, das Finanzwesen leistungsfähiger zu machen und neues Wachstum zu fördern. Daran knüpfen sich offene Fragen hinsichtlich des Förderungsbedarfs und der Bereitstellung eines potenten Ökosystems im Wettbewerb mit anderen Finanzplätzen um diese jungen Unternehmen an. Auf die einzelnen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute erzeugen Fintechs einen merklichen Druck, ihre Strategien zu überdenken oder bereits eingeschlagene Wege zu rechtfertigen.

Die Herausforderungen, vor die Fintechs etablierte Finanzinstitute stellen, sind nicht leicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Sicherlich bedeuten neue Mitspieler, sofern sie sich mit ihren Geschäftsmodellen in der Branche tatsächlich etablieren können, eine schärfere Konkurrenz um Kunden und Konditionen. Zugleich ist es für eine Bank oft schwierig, aus strategischer Sicht zu bewerten, ob die "Neulinge" als Konkurrenten oder als künftige Partner einzustufen sind, denn die neuen Wettbewerber zeichnen sich durch eine Fülle unterschiedlicher Geschäftsmodelle aus. Schließlich findet der Wettbewerb nicht nur zwischen ihnen und den etablierten Banken, sondern auch unter den neuen Finanzmarktakteuren statt.

Darüber hinaus besteht Unsicherheit, in welche Richtung sich der Bankensektor überhaupt entwickeln wird. Wie könnte Banking 4.0 im Jahr 2025 aussehen? Fintechs können als Konkurrenz, kooperative Partner oder auch als Disruptoren, also als Anbieter eines neuen und im Markt überlegenen Geschäftsmodells in Erscheinung treten, denen die etablierten Banken und Sparkassen mit herkömmlichen Angeboten und bestehender Infrastruktur kaum effektiv begegnen können. Damit stellt sich den Kreditinstituten ohne Frage herausforderndes unternehmerisches Umfeld und zwingt sie bereits heute dazu, strategische Entscheidungen zu treffen, um für den künftigen Umgang mit Fintechs gewappnet zu sein. Hierzu gehört, dass nötige Anpassungsprozesse etwa mit Blick auf die IT-Infrastruktur, die Produktpalette, die Filial- und Standortstrategie oder auch die Rekrutierung von Mitarbeitern erdacht und konsequent umgesetzt werden. Die Bankenaufsicht legt hierauf im Moment ein besonderes Augenmerk.

Daneben stellt sich für die Finanzaufsicht auch eine grundlegende Frage: Sind angesichts der vielen und teils tiefgreifenden Innovationen die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt? Die Antwort auf diese Frage hängt maßgeblich von den Zielen ab, die die Aufseher vor Augen haben. Ungeachtet der bereits erwähnten und allemal zukunftsträchtigen Frage, welche gesamtwirtschaftliche Bedeutung Fintechs einnehmen können und werden, ist das übergeordnete Ziel der Finanzaufsicht unverändert geblieben: Die Sicherstellung eines stabilen Finanzsystems. Die Rahmenbedingungen sind so zu setzen, dass die eingegangenen Risiken auch den Maßstab für einen fairen Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern definieren. Der Grundsatz "same business, same risk, same rules" ist das Credo, an dem sich die internationale Regulatorik bereits heute orientiert. Ich für meinen Teil befolge dieses Credo aufs Engste.

Man darf es aus Sicht der Bankenaufsicht keinesfalls darauf beruhen lassen, Innovationen ausschließlich von ihrer schillernden Seite her zu betrachten. Die Finanzkrise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir bei noch wenig erprobten Produkten und Dienstleistungen besonders sorgfältig auf Risiken und Nebenwirkungen achten müssen. Das gilt nicht zuletzt auch für die Leistungen der Informationstechnologie, wo - wie überall sonst auch - Fehler und Missbrauch möglich sind. Gestiegene Cyberrisiken sind nur eine der Nebenwirkungen, ebenso geht es um die Behandlung vertraulicher Daten oder ungeahnte Folgen algorithmenbasierter Bankdienstleistungen. Eine systematische Bevorzugung neuer Technologien lässt sich daher regulatorisch nicht begründen. Vielmehr ist nach meiner festen Überzeugung eine Regulierung geboten, die Technologien neutral behandelt und genau dann greift, wenn Instrumente und Institutionen unverhältnismäßige Risiken produzieren.

Es ist daher eine wesentliche Herausforderung der Regulierung, auch für scheinbar neue Formen der Finanzintermediation und der Bank- und Finanzdienstleistungen das Rad nur dort neu zu erfinden, wo das alte Rad keine Bodenhaftung mehr hat. Die bis heute gut erprobte Unterscheidung zwischen den regulierten Kredit-, Finanzdienstleistungs- sowie Zahlungsinstituten und den unregulierten Akteuren ist eine risikobezogene Grundlage, die faire Wettbewerbsbedingungen über die verschiedenen Marktteilnehmer hinweg schafft. Behält man die Risiken eines Geschäftsmodells im Blick, lässt sich für eine Kreditvermittlungsplattform, für einen Zahlungsdienstleister oder für jede andere, konkrete Geschäftsidee beurteilen, unter welchen Umständen sich eine Erlaubnispflicht und weitere regulatorische und aufsichtliche Konsequenzen ergeben. Eine regulatorische Sonderbehandlung von Fintechs per se ist daher weder erstrebenswert noch gesetzeskonform. Hat ein Fintech seine innovative Geschäftsidee konkret ausgearbeitet, so steht die Bundesbank mit ihren Hauptverwaltungen als regionaler Ansprechpartner für Erlaubnisfragen zur Verfügung.

Finanzaufseher müssen ihr Augenmerk auf diejenigen Innovationen richten, deren Risiken im Rahmen der bestehenden Aufsichtssystematik noch nicht hinreichend erfasst werden. Nur so kann die Aufsicht ihren Auftrag wahrnehmen, die Risiken für das Finanzsystem möglichst frühzeitig zu erkennen und alle Marktakteure risikoadäquat zu beaufsichtigen. Damit leistet sie letztlich einen Beitrag zu einem angemessenen und nachhaltigen Wirtschaftswachstum und zum Wohlstand aller.