Kapitel 1 Payment Systems IT Connection

Meine Freunde hatten mich eindringlich gewarnt: einen Schritt in dieses Haus zu setzen. Das passe auf keinen Fall zu mir. Dafür sei ich einfach nicht gemacht, nicht für so einen verstaubten Laden. Ich: Sportskanone hoch zehn, Tech-Guru im Quadrat, Software-Königin der ersten Stunde. Naja, zu spät. Jetzt bin ich hier, was? Schauen wir mal, wohin uns die Reise führt.

Maxin Power – Werkstudentin

Die Tür schließt sich vor mir surrend von selbst, da ist es auch schon, da geht es los, ein sanftes Druckgefühl zieht sich unter meinen Füßen die Beine entlang. Ein letzter prüfender Blick. Jup, Haare sitzen. Hose und Bluse auch. Schuhe? Saubere Sache. Bei weißen Sneakers weiß man ja nie. Doch bei so einem Energiebündel wie mir? Keine Frage, das wird was. Tatsächlich, es kribbelt ein wenig im Bauch, während die Zahlen größer und größer werden. Es zieht mich die Etagen hinauf. 7 – 12 – 21 – 24 – 34. Zack: Das muss es sein. Die automatische Tür schiebt sich auf.

Anita

„Du musst Maxin sein, richtig?”

Ein breites, leicht nervös wirkendes Lächeln macht sich vor mir breit. Man streckt mir geradewegs die Hand entgegen. Ich nicke hastig. „Und, Sie, ähm … Also, ja, Frau Wolke. Genau. Wir hatten uns ja im Videocall schon getroffen”, erwidere ich schnell. „Anita. Das Sie kannst du dir gleich mal abgewöhnen. Wir hatten uns doch schon aufs Du geeinigt, oder?” Frau Wolke – Anita – lacht ungehalten. Laut und herzlich. „Komm gleich mal mit, Maxin. Wir wollen keine Zeit verlieren, am besten lernst du unsere Teams direkt kennen. Hast du denn gut hergefunden?” Wieder nicke ich hastig.

Skyline von Frankfurt am Main

Uff, denke ich, während wir loslaufen, vorbei an riesigen Fenstern. Der Römer, die Neue Altstadt, der glitzernde Main, die Skyline der umliegenden Wolkenkratzer, alles direkt vor uns – eine Großstadt im Miniaturformat, beeindruckend klein von hier oben. Wir kreuzen abgehende Zimmer, Raum 34.22, 34.23, 34.28. „Ach, schau, da sind wir! Willkommen im Team Mainframe Infrastruktur, hier fangen wir an.” Anitas Frisur wackelt freudig beschwingt, sie blinzelt um die Ecke der Türkante, schiebt ihre knallig rot geränderte Brille mit einem Finger hoch: „Herr Beilenstein … Udo … hast du einen Moment? Die neue Werkstudentin für die Softwareentwicklung ist da. Wir machen heute ein Kennenlernen durch alle Teams unserer Abteilung.”

Udo

Herr Beilenstein wippt auf seinem drehbaren Bürostuhl nach hinten, nach vorn, eine Hand noch am Telefon, die andere an seinem Rechner: „Klar doch. Immer hereinspaziert!”, ruft er – und da steht er schon mitten im Raum. 

„Beilenstein, hallo.” – „Maxin Power, freut mich.” – „Klasse, dass Sie da sind. Junge Leute wie Sie, mit Elan, die brauchen wir hier in der Bundesbank-IT!”

Mein erster Gedanke: keine Widerrede. Eine Institution wie diese kann etwas frischen Wind gut vertragen. Puh. Herr Beilenstein tippt zackig auf seinem Smartphone herum, dann legt er es rasch wieder auf den Tisch und lächelt mich an: „Was genau machen wir, nun … wir sorgen für die Basis, auf der unsere Anwendungen hochverfügbar laufen. Das machen wir mit einem Mainframe-System, das wir auch gern mal liebevoll ‚die olle Box’ nennen”, erklärt er. „Bitte was für eine Box?”, fragte ich irritiert nach. 

„Ach, wissen Sie, in der heutigen IT-Welt sind wir ein wenig die Exoten. Deswegen haben wir viele Spitznamen für unsere technische Infrastruktur. Einen kennen Sie nun. Ich bin gespannt, auf wie viele Sie noch kommen werden.“ Keine zehn Minuten hier – und schon die erste Challenge, na klasse.

„Bedeutende Transaktionen im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr laufen über den Mainframe. Er ist ideal dafür. In meinem Team kümmern wir uns um das ganze Betriebssystem, Unix System Services, Storage sowie um das Thema Security.”

Udo in Cord-Hosen

Das haut mich glatt von den Socken. „In der Uni behandeln wir das Thema Mainframe gar nicht mehr. Ist doch längst veraltete und überholte Technik!”, sage ich. „Interessante Meinung, Maxin. Ihr behandelt das nicht mehr, weil das nicht mehr sexy ist, oder? Genau wie eine Cordhose. Ist nicht in Mode, aber doch zeitlos. Stark und mit enormen Mehrwert, weil sie lange hält, ja weil sie beständig ist – genau wie der Mainframe, der dauernd weiterentwickelt wird. Ein klasse Teil!”

* * *

Nanu, Maxin hat den Mund offen stehen und dabei habe ich sie erst vor einer halben Stunde ins Onboarding mitgenommen. Was sie wohl denkt? Das will ich ja nicht, sie gleich am ersten Tag verschrecken – als ihre künftige Vorgesetzte. Hoffentlich legt sich das. Wir sind gerade in meinem Team angekommen. Hier unterstützt sie mich ab sofort als Werkstudentin Software-Engineering & Testing. „Kommen wir also zu den noch cooleren To-dos in der Bundesbank – der Softwareentwicklung. Let’s rock it!”, rufe ich mit erhobener Hand und mache eine kecke Drehung. Ihre Reaktion ist verhalten. Maxin kneift nur ganz leicht den Mundwinkel zusammen, dann die Augen, das ist wohl so eine Art halbwegs höfliches Lächeln. Ich glaube, sie kann mit meiner jugendlich-lockeren Art nicht umgehen.

„Na gut. Was gibt’s zu wissen: Wir entwickeln das, was auf dem dummen Blech läuft. Mit anderen Worten, wir machen das dumme Blech klug.“ Das ist jetzt ein wenig amüsant, denn man kann es ihr richtig ansehen: ‚Ding!‘ macht es in Maxins Kopf: Ach ja, da ist er, der nächste Spitzname! Hat sie schon eine kleine Liste in ihrem Kopf angelegt? Mal sehen, wie viele sie am Ende wirklich in Erinnerung behält. Naja, wenn sie irgendwann heimlich was in ihr Smartphone tippt, weiß ich Bescheid.

„Bis vor Kurzem hat uns das Großprojekt CSLD ordentlich beschäftigt, bei dem die Zahlungssysteme T2 und T2S aufwändig auf eine gemeinsame Basis auf dem Mainframe überführt wurden. Unser Part? Wir bauen die Software dafür. Sprich, wir entwickeln den Source-Code auf unseren Rechnern, kompilieren diesen und schieben das dann auf den Mainframe. Einziger Haken: Das Ganze frisst noch gewaltig Ressourcen. Aber die genaue Funktionsweise, das zeige ich dir später!” Maxin nickt und nickt und nickt, fast schon etwas übertrieben. Ich frage mich, wo ihre Coolness geblieben ist?

Wir düsen den Fahrstuhl ein paar Etagen nach unten, gönnen uns eine Mittagspause in der Hauskantine, düsen wieder aufwärts ins 34. Stockwerk. Zeit wird’s. Langsam taut das Eis. Maxin macht auch mal einen Spaß, wie aus dem Nichts: „Anita, was ist Optimismus? Ein Banker, der am Sonntag noch fünf Hemden bügelt.” – „Ein Klassiker, aber immer noch gut”, sage ich. Ist ja auch so. Also dann, weiter geht’s, im Raum 34.51 warten schon Ali und Mateusz auf uns. 

Ali

„Hapan, ein herzliches Servus im Hause …! Wo drückt der Schuh? Entschuldigung, mir san grad no aa unsere Brotzeit essn. Wia ungfreindlich …”, begrüßt uns Ali. Gut gelaunt wie eh und je. 

„Grüß euch, die Herren”, sage ich und Mateusz winkt seitlich am Laptop vorbei, „Hey, ihr zwei, bin gleich da. In Jira kam gerade noch ein Ticket mit Prio 1 für uns rein.” Maxin tritt zaghaft durch die Tür, fast ein bisschen schüchtern wirkt sie. Kaum zu glauben. Macht ihr hier irgendwas Angst? Keine Ahnung. Es folgt die förmliche Begrüßung, macht man ja so.

„Und das da ist mein Platz?”, freut sie sich. „Na, zur Deko ist er nicht”, scherze ich. Komisch, wieder kein Lachen. Vielmehr bekomme ich eine versteinerte Miene zurück. Maxin schaut sich völlig kritisch um, leicht irritiert. Da ist sie nicht die Erste. Tja, wir sind höchstoffiziell natürlich eine Behörde. Doch fensterlose graue Zimmer und verstaubte Faxgeräte gibt es hier schon lange nicht mehr. Das kann wirklich für positives Erstaunen sorgen, nicht wahr! Voll verständlich. Ich hatte am Anfang selbst allerlei Klischeebilder von Behörden im Kopf – und bin bis heute selbst überrascht, wie es hier läuft.

„Also Maxin”, beginnt Ali mit halb ernster Stimme, „dann erklären wir dir mal, wie alles im Team Software-Engineering aufgebaut ist. In einfachen Worten würde ich sagen, Softwareentwicklung bedeutet: Wir konstruieren das Tool-Set für die Applikationen in diesem Laden. Das ist der Kern unserer Arbeit. Wir zimmern die beste Software-Werkbank, auf der dann die leistungsstärksten Anwendungen inhouse entstehen.” Typisch, Ali, denke ich – sehr gut! Knapper könnte man es nicht formulieren. 

Maxin nickt wieder schweigend, wie gewohnt, begutachtet das elektronische Whiteboard, das wir seit kurzem im Raum haben. Sie macht große Augen, kratzt sich am Kopf: „Und wie sieht diese Werkbank denn genau aus?”

Mainframe

„Die große Mission dieser Tage heißt: unsere Mainframe-Applikation fortlaufend besser und immer sicherer zu machen. Wir haben nur ein Problem, und das sind unsere Rechnerkapazitäten. Die nehmen enorm viel Arbeitsspeicher, Festplattenkapazität und so weiter in Anspruch. Da müssen wir noch einiges verbessern. Und schneller müssen die Algorithmen auch noch werden – aber was erzähle ich, komm erstmal in Ruhe an. Da drüben, im Gemeinschaftsraum, nehmen Sie sich da am besten ein Heißgetränk mit. Sie haben heute ja noch ein bisschen was vor sich …”

Maxin

Challenge starten!