Virtuelle Festrede anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Instituts der deutschen Wirtschaft ©Nils Thies

Weidmann: Schuldenbremse steht zukunftsweisenden Investitionen nicht im Weg

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat die teils harsche Kritik an der Schuldenbremse zurückgewiesen. Bei einer Rede anlässlich des 70-jährigen Jubiläums des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sagte er, „sie steht zukunftsweisenden Investitionen und einem modernen Staat nicht im Weg“.

Weidmann verwies darauf, dass einige Ökonomen mit Blick auf das niedrige Zinsniveau und den absehbar hohen Investitionsbedarf höhere Spielräume für die Kreditaufnahme forderten. Angesichts der strukturellen Staatsausgaben, die grob der Hälfte der Wirtschaftsleistung entsprächen und die ohne Zinsausgaben gerechnet in den Planungen historische Höchstwerte erreichten, scheine es eher um eine Frage der Prioritätensetzung zu gehen, erklärte der Bundesbankpräsident. „Das heißt nicht, dass jegliche Anpassung der Fiskalregeln grundsätzlich abzulehnen wäre“, so Weidmann. „Hohen Staatsschuldenquoten sollte aber weiterhin verlässlich vorgebeugt werden.“ Er riet zudem, dabei „weder auf ewig niedrige Zinsen zu setzen, noch die Wachstumseffekte staatlichen Handelns zu überschätzen“.

Weidmann unterstrich, dass ihm eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen den Generationen wichtig sei. Gerade die jüngere Generation könnte durch die Corona-Pandemie langfristig benachteiligt sein, weil die Bildung vieler Kinder und Jugendlicher gelitten habe. Zur Generationengerechtigkeit gehöre, „dass wir unseren Kindern keinen hohen Berg an Staatsschulden hinterlassen“, so Weidmann. Schon deshalb seien wirksame Fiskalregeln wichtig. In Deutschland habe die Schuldenbremse geholfen, die öffentlichen Finanzen in guten Zeiten in Ordnung zu bringen. Sie beweise derzeit auch, „dass sie bei Krisen flexibel ist und genügend fiskalischen Spielraum lässt.“

Geldpolitik darf nicht in den Dienst der Fiskalpolitik gestellt werden

Natürlich sei es wichtig, die staatlichen Stützungsmaßnahmen jetzt nicht zu früh zurückzufahren. „Angesichts der anhaltenden Unsicherheit über den Verlauf der Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen ist hier ein vorsichtiges Vorgehen angezeigt“, so Weidmann. Der Bundesbankpräsident unterstrich, dass die Coronakrise aber nicht als Vorwand dienen sollte, um die für manche unliebsamen Fiskalregeln endgültig über Bord zu werfen. „Besonders kritisch wäre, wenn die absehbaren demografischen Belastungen der Staatsfinanzen künftig auf steigende Zinsen bei hohen Schuldenquoten prallen würden.“ Nach der Pandemie gelte es deshalb, die Staatsfinanzen wieder solide aufzustellen. Dies sei auch aus geldpolitischer Sicht wichtig.

Derzeit zögen Geld- und Fiskalpolitik an einem Strang. Wenn die pandemiebedingte Krise überwunden sein werde, dürften aber wieder Spannungen auftauchen. Die Geldpolitik im Euroraum sei der Preisstabilität verpflichtet und müsse ihre Zügel wieder straffen, wenn es der Preisausblick gebiete. „Allen muss klar sein, dass wir die Geldpolitik nicht in den Dienst der Fiskalpolitik stellen“, so der Bundesbankpräsident. „Um die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen Geld- und Fiskalpolitik zu verringern, ist es entscheidend, die fiskalischen Stützungsmaßnahmen zielgerichtet und zeitlich begrenzt zu halten.“

Staat sollte seinen Einfluss auf die Wirtschaft wieder zurücknehmen

Der Bundesbankpräsident warnte zudem davor, das derzeit hohe Maß an staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft zum neuen Normalzustand werden zu lassen. So überbrücke der Staat während der Pandemie Einnahmeausfälle von Unternehmen, leiste Transfers, stunde Steuern und garantiere Kredite oder beteilige sich sogar mit Kapital an Firmen. Diesem Eingreifen sei es vor allem zu verdanken, dass der Wirtschaftseinbruch im vergangenen Frühjahr bislang keine schwerwiegenderen Folgen oder gar eine Abwärtsspirale nach sich gezogen habe. Die Maßnahmen könnten laut Weidmann jedoch den notwendigen Strukturwandel erschweren. „Wenn Unternehmen mit überholtem Geschäftsmodell am Markt verbleiben, binden sie Produktionsfaktoren, die an anderer Stelle produktiver eingesetzt werden könnten“, sagte er.

Zugleich habe die Krise gezeigt, wie kraftvoll marktwirtschaftlich getriebene Lösungen seien. Als Beispiel nannte er die Schnelligkeit, mit der Unternehmen auf die Produktion von Masken umgestiegen seien. Nach der Pandemie komme es darauf an, dass der Staat seinen Einfluss auf die Wirtschaft wieder zurücknehme. „Es sollte sich kein verändertes Rollenverständnis des Staates einschleichen, das die unternehmerischen, innovativen Kräfte in unserer Marktwirtschaft eher schwächen würde“, so Weidmann. Um die großen Herausforderungen für unsere Wirtschaft und Gesellschaft in Zukunft zu meistern, werde es nämlich ganz besonders auf Innovationskraft ankommen.

Zu diesen Herausforderungen zählte Weidmann den Übergang zu klimaneutralem Wirtschaften, den demografischen Wandel und die Digitalisierung mit ihren Chancen und Risiken. Bei vielen Themen gehe es um die richtige Balance: bei der Lastenverteilung zwischen den Generationen, bei der Rolle des Staates in der Wirtschaft und bei der Verbindung von wirtschaftlicher Freiheit mit sozialem Ausgleich. „Dafür bietet unsere Wirtschaftsordnung die ideale Plattform. Das Verbindende und Ausgleichende liegt in der DNA der Sozialen Marktwirtschaft“, so der Bundesbankpräsident.