Schädliche Nebenwirkungen durch unkonventionelle Geldpolitik

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat zu besonderer Vorsicht beim Einsatz unkonventioneller geldpolitischer Instrumente gewarnt. "Diese Mittel sind mit mehr schädlichen Nebenwirkungen verbunden als die Standardwerkzeuge der Geldpolitik", sagte Weidmann beim European Banking Congress vor rund 300 Zuhörern in Frankfurt am Main. Bei der gleichen Veranstaltung sprach unter anderen auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi.

Schon seit geraumer Zeit würden Notenbanker in vielen Ländern eine höhere Inflationsrate anstreben und hätten dazu neue, unkonventionelle geldpolitische Instrumente eingesetzt, sagte Weidmann, und verwies in dem Zusammenhang auf das außergewöhnlich niedrige beziehungsweise zum Teil negative Zinsniveau. Dies habe dazu geführt, dass die Geldpolitik nun im Fokus intensiver politischer Debatten stehe. "Die Intensität hat ein Ausmaß erreicht, dass am Ende die Unabhängigkeit der Zentralbanken in Frage gestellt werden könnte", sagte der Bundesbankpräsident. Für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik sei die Unabhängigkeit der Notenbanken aber eine zentrale Bedingung, so Weidmann.

Vorübergehende Faktoren für geringen Preisdruck verantwortlich

Aus der Sicht von Weidmann beruht der aktuell geringe Preisdruck im Euro-Raum vor allem auf einer Reihe vorübergehender Faktoren. Dies schlage sich auch in den langfristigen Inflationserwartungen nieder, die stabil bei knapp unter 2 Prozent lägen. In den Jahren von 2012 bis 2014 sei es die notleidende Wirtschaft gewesen, die die Inflation gedämpft habe, weil Staaten und private Haushalte versucht hätten, ihre in manchen Fällen besorgniserregende Schuldensituation nicht weiter ausufern zu lassen. "Auch dies hat den Preisdruck gedämpft", sagte der Bundesbankpräsident. Er verwies diesbezüglich darauf, dass die Europäische Zentralbank bereits im Jahr 2015 geschätzt hatte, dass solche Faktoren für eine gegenüber den USA um bis zu 1 Prozent niedrigere Kerninflation (Teuerungsrate ohne Lebensmittel und Energie) ursächlich seien. Zusätzlich dazu sei ab 2014 der Rohölpreis stark zurückgegangen, was einer der wichtigsten Faktoren für die aktuell niedrige Inflation sei, so Weidmann. Diese Entwicklung sei nun dabei, sich zu drehen: "Schon im Februar des nächsten Jahres könnte die Inflation im Euroraum auf bis zu 1 ½ Prozent steigen", sagte Weidmann.

Dennoch sei die aktuelle Situation durch geringe Inflation und niedrige Zinsen geprägt. Der Bundesbankpräsident sprach sich jedoch dagegen aus, das Inflationsziel des EZB-Rats anzuheben, um so den geldpolitischen Spielraum zu erhöhen. "Eine Veränderung der Definition von Preisstabilität könnte die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik beschädigen", sagte Weidmann.

Auch eine Senkung des Inflationsziels sei keine Option, da so wiederum die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von unkonventionellen geldpolitischen Instrumenten steigen würde. Bereits jetzt würde etwa der Bankensektor die Nebenwirkungen dieser unkonventionellen Maßnahmen – etwa Negativzinsen – in Form von geringerer Profitabilität zu spüren bekommen. "Die Geldpolitik kann nicht ignorieren, dass eine niedrige Profitabilität von Banken letzten Endes auch die Übertragung geldpolitischer Impulse beeinträchtigt", sagte Weidmann. Dies könnte die Notenbanken in der Zukunft vor Probleme bei ihrer Aufgabe stellen, Preisstabilität zu gewährleisten.

Politik muss für Wachstum sorgen

Auch andere Nebenwirkungen und Marktverzerrungen der ultralockeren Geldpolitik würden bereits jetzt zu Tage treten, sagte Weidmann. So würde der Ankauf von Staatsanleihen die Grenzen zwischen Fiskal- und Geldpolitik verwischen. Dies könnte den Druck auf die Staaten vermindern, ihre Haushalte zu konsolidieren. "Unglücklicherweise sind die Marktkräfte die einzigen Anreize für solide Staatsfinanzen, da die Europäische Kommission praktisch aufgegeben hat, die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakt durchzusetzen", sagte der Bundesbankpräsident. Letztlich seien es nicht die Notenbanken, die für stärkeres Wachstum sorgen könnten, das auch zu höheren Zinsen führen würde. "Den Schlüssel dazu hält die Politik in Händen", sagte Weidmann. Nötig seien Strukturreformen, die der EZB-Rat auch unablässig angemahnt habe.

Draghi: Unkonventionelle Maßnahmen weiter notwendig

Vor der Rede von Bundesbankpräsident Weidmann hatte auf derselben Konferenz Mario Draghi gesprochen, der Präsident der Europäischen Zentralbank. Draghi verwies darauf, dass die Wirtschaftsleistung des Euroraums im Jahr 2016 wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht habe. Auch die Beschäftigung habe im Vergleich zum Krisenjahr 2013 um rund vier Millionen Arbeitsplätze zugelegt. Dies seien ermutigende Entwicklungen. Dennoch sei es notwendig, die aktuellen geldpolitischen Maßnahmen des Euroraums weiterzuführen, um das Inflationsziel des EZB-Rats zu erreichen. "Die EZB wird weiter handeln und alle Instrumente innerhalb ihres Mandates nutzen, um eine Teuerungsrate unter, aber nahe zwei Prozent sicherzustellen", sagte Draghi. Die aktuellen Maßnahmen würden nach Schätzungen der EZB die Inflationsrate in aktuellen und nächsten Jahr um mehr als ein halbes Prozent erhöhen.