Monatsbericht: Deutsche Industrie unter hohem Anpassungsdruck
Die deutsche Wirtschaftsleistung habe sich im dritten Quartal 2024 überraschend erhöht, schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht. Laut Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes stieg das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um saisonbereinigt 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Die Fachleute leiten aus diesem Anstieg jedoch keine verbesserte konjunkturelle Grunddynamik ab. „Sämtliche maßgebliche Nachfragkomponenten bieten gegenwärtig wenig Anlass für eine kurzfristige merkliche Erholung der deutschen Wirtschaft“, heißt es im Monatsbericht weiter. Der private Konsum habe im dritten Quartal zwar von den kräftig gestiegenen Löhnen profitieren können. Allerdings zögerten die Verbraucherinnen und Verbraucher, die zusätzlichen Ausgabenspielräume zu nutzen, auch da sich der Arbeitsmarkt zusehends eintrübe.
Deutsche Industrie unter großem Anpassungsdruck
Die Industrieproduktion sank im September saisonbereinigt stark, und auch im Mittel des dritten Quartals ging sie gegenüber dem Vorquartal deutlich zurück. Laut Monatsbericht dürfte insbesondere die anhaltend schwache Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten zu dem Rückgang geführt haben. „Die Industrie befindet sich in einem schwierigen Umfeld und steht unter hohem Anpassungsdruck“, schreiben die Fachleute. Sie müsse sich nicht nur an die längerfristigen Auswirkungen des durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelösten Energiepreisschock anpassen, sondern stehe vor zahlreichen weiteren Herausforderungen. Dazu gehörten die grüne Transition zu einer CO2-freien Produktionsweise, der demografische Wandel oder die zunehmende Konkurrenz auf den Weltmärkten durch aufstrebende Volkswirtschaften wie China. „Von diesem Strukturwandel ist die deutsche Automobilindustrie in besonderer Weise betroffen“, heißt es weiter. Auch die Bauwirtschaft kämpfe weiterhin mit einer schwachen Nachfrage. Die bis August verfügbaren Umsatzzahlen deuteten darauf hin, dass vor allem die Investitionen im Wohnungsbau weiter zurückgingen. Hier machten sich die noch immer erhöhten Finanzierungskosten weiterhin dämpfend bemerkbar.
Arbeitsmarkt trübt sich zusehends ein
„Die langanhaltende wirtschaftliche Schwäche erreichte im Sommerquartal auch den bislang sehr robusten Arbeitsmarkt“, schreiben die Expertinnen und Experten. Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland ging im Durchschnitt der Sommermonate verglichen mit dem Frühjahr saisonbereinigt um 45.000 Personen bzw. 0,1 Prozent zurück.
Die registrierte Arbeitslosigkeit erhöhte sich weiter leicht: Im Sommerquartal waren im Durchschnitt saisonbereinigt 2,81 Millionen Personen arbeitslos, also rund 52.000 Personen mehr als im zweiten Quartal. Im Oktober kamen gegenüber dem Vormonat weitere 27.000 Arbeitslose hinzu, sodass die Arbeitslosenquote zuletzt bei 6,1 Prozent lag. Der Blick auf die Frühindikatoren lässt in den nächsten Monaten weder eine deutliche Verbesserung noch eine deutliche Verschlechterung der Lage am Arbeitsmarkt erwarten.
Löhne steigen gegenwärtig noch kräftig
Die Tarifverdienste stiegen im Sommerquartal um kräftige 8,8 Prozent, nach 3,1 Prozent im Quartal zuvor. „Dies ist die höchste Vorjahresrate seit Sommer 1993“, schreibt die Bundesbank. Ausschlaggebend seien vor allem die deutlichen Tarifanhebungen im Einzelhandel sowie im Groß- und Außenhandel. „Gegenwärtig treffen hohe Lohnforderungen auf ein schwaches wirtschaftliches Umfeld, was zu stärkerem Anpassungsdruck führt“, heißt es in dem Bericht. Die Bundesbank rechnet angesichts der wirtschaftlichen Schwächephase und deutlich gesunkener Inflationsraten mit spürbar niedrigeren Abschlüssen in den anstehenden Lohnverhandlungen.
Verbraucherpreise zum Jahresende wohl wieder höher
Die Verbraucherpreise gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex stiegen im dritten Quartal saisonbereinigt um 0,3 Prozent und damit nur noch knapp halb so stark wie in den beiden vorangegangenen Quartalen. Die Preise für Energie sanken sogar spürbar. Gegenüber dem Vorjahr ging die Inflationsrate insgesamt von 2,6 auf 2,2 Prozent zurück. Dies lag nach Aussage der Fachleute auch an einem dämpfenden Basiseffekt durch den Anstieg der Energiepreise im Sommer 2023. Die Rate ohne Energie und Nahrungsmittel sei mit 3,1 Prozent dagegen fast so hoch geblieben wie im Vorquartal (3,2 Prozent).
Die Bundesbank rechnet vorübergehend mit einer wieder etwas höheren Inflationsrate. Dies liege zum einen an den zum Jahresende 2023 deutlich gesunkenen Energiepreisen, wodurch der Abstand zwischen den aktuellen Preisen und den Preisen des Vorjahres zunähme. Zum anderen wirkten zu Beginn des neuen Jahres Sondereffekte wie kräftige Preisanhebungen beim „Deutschland-Ticket“ oder den Tarifen der privaten Krankenversicherungen preissteigernd.
Bundesbank rechnet mit vorerst anhaltender Konjunkturflaute
„Die Konjunkturflaute der deutschen Wirtschaft wird wohl auch im vierten Quartal anhalten“, prognostizieren die Volkswirtinnen und Volkswirte der Bundesbank. Die auf der Investitionsneigung lastenden Faktoren wie eine hohe Unsicherheit, immer noch vergleichsweise hohe Finanzierungskosten und eine geringe Auslastung in der Industrie bestünden nach wie vor. Zwar dürften der private Konsum und die Dienstleister die Wirtschaft im laufenden Quartal weiter stützen. Jedoch rechnet die Bundesbank nicht damit, dass die Industrie im vierten Quartal an Schwung gewinnt. „Die Nachfrage nach deutschen Industrieerzeugnissen ist in der Tendenz weiter schwach“, heißt es im Monatsbericht.