Medien beeinflussen Inflationserwartungen
Wie Menschen die Höhe der künftigen Inflation einschätzen, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Neben dem Einkommen und dem Alter könnte auch die Berichterstattung in den Medien Einfluss auf die Inflationserwartungen nehmen. Diesem Ansatz sind die Bundesbank-Ökonomen Jan-Oliver Menz und Philipp Poppitz in einem am 12. August erschienenen Diskussionspapier nachgegangen. Die Ergebnisse der Studie erläutert Jan-Oliver Menz.
Was wissen wir darüber, wie Menschen die zukünftige Höhe der Inflation einschätzen?
Internationale Studien belegen, dass Personen mit niedrigem Einkommen und geringerer Bildung, Arbeitslose, Frauen sowie junge und ältere Menschen in der Regel eine höhere Inflation in der Zukunft erwarten, und außerdem größere Fehler bei der Einschätzung zukünftiger Preissteigerungen begehen. Personen mit vergleichsweise höherem Einkommen, Männer sowie Menschen mittleren Alters erwarten eine vergleichsweise niedrige Inflation in der Zukunft und machen insgesamt kleinere Prognosefehler. Außerdem gleichen die Erwartungen dieser Gruppen stärker den Erwartungen, die professionelle Beobachter, beispielsweise Banken, abgeben.
Gelten diese Beobachtungen auch für Deutschland?
Ja, für Alter, Einkommen und Beruf findet sich dasselbe Muster auch in Deutschland. Für die Kategorien Geschlecht und Bildung liegen leider keine Daten vor.
Warum gibt es diese Unterschiede?
In der Wissenschaft werden verschiedene Erklärungsmöglichkeiten diskutiert. Die Inflationserwartungen von Menschen mittleren Alters sind vielleicht deshalb besser, weil sie aus dem Alltag mehr Erfahrung im Umgang mit Preisveränderungen haben als jüngere. Dagegen könnten Arbeitslose schlechtere Prognosen erstellen, weil sie weniger häufig aktiv am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen. Menschen mit höherem Einkommen sind tendenziell gebildeter, was eventuell zu einem besseren Verständnis von Inflation und damit zu richtigeren Prognosen führt.
Wir haben untersucht, ob sich die Inflationserwartungen deshalb unterscheiden, weil Menschen unterschiedliche Medien konsumieren.
Wie beeinflussen Medien unsere Erwartungen?
Es wird zwischen einem Volumen- und einem Inhaltskanal unterschieden. Wird über ein bestimmtes Thema sehr oft in den Medien berichtet, erneuern die Menschen ihr Wissen über dieses Thema auch häufiger, und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie etwa über die Zeitungslektüre etwas über die Inflationserwartung eines Forschungsinstituts oder einer Bank erfahren. Außerdem erreichen Nachrichten über ein bestimmtes Thema mehr Menschen, wenn die Medien ausführlicher darüber berichten. Gleichzeitig werden die Menschen über den sogenannten Inhaltskanal beeinflusst. Seine Wirkung übersteigt die Beeinflussung der Menschen über die reine Information hinaus. Wird in einem Artikel beispielsweise der Anstieg der Lebensmittelpreise als "bedrohlich" dargestellt, bleibt beim Leser über die reine Information "steigende Preise" hinaus ein schlechtes Bauchgefühl zurück. Dieses kann dazu führen, dass die Preissteigerungen höher eingeschätzt werden als im Artikel beschrieben.
Wie beeinflussen die Medien in Deutschland unsere Inflationserwartungen?
Zum einen kommt es darauf an, welche Medien die Menschen konsumieren. Das ist unter anderem vom Alter oder Einkommen der Personen abhängig. Je nach Medienkonsum fällt der Einfluss auf die Inflationserwartungen unterschiedlich aus. So berichtet etwa die "Tagesschau" regelmäßig und ausgewogen über die Preisentwicklung. Betont sie, dass die Inflationsentwicklung problematisch ist, nähern sich die Aussagen der Haushalte den Inflationserwartungen von Experten an. Dies spricht dafür, dass die Berichterstattung der "Tagesschau" viele Menschen erreicht hat, die diese Informationen verstanden haben und wiedergeben können. Außerdem wird die Quelle als seriös wahrgenommen. Hingegen führt eine sehr negative Berichterstattung mancher Massenmedien dazu, dass Vorhersagen von Experten und Haushalten stärker voneinander abweichen. Vielleicht, weil die angebotenen Informationen bisweilen zugespitzt und übertrieben dargestellt wurden.
Welche Daten haben Sie für Ihre Untersuchungen genutzt?
Wir haben die Inflationserwartungen von Haushalten, unterschieden nach Alter, Einkommen und Beruf, über den Zeitraum von 1999 bis 2010 untersucht. Außerdem haben wir die Berichterstattung über Inflation in zehn verschiedenen Medien, darunter verschiedene Fernsehsender, analysiert.
Das Diskussionspapier ist im Rahmen der Promotion von Jan-Oliver Menz im DFG-Forschungsprojekt "Sticky Information & Agenda-Setting" an der Universität Hamburg erstellt worden. Philipp Poppitz war als studentische Hilfskraft an dem Projekt beteiligt. Die hier vertretene Meinung spiegelt nicht zwangsläufig die der Bundesbank oder ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wider.