Den Inflationserwartungen auf der Spur Umfrage deutet auf vorübergehend abnehmende Inflationsrisiken hin

Der Preisdruck im gemeinsamen Währungsraum lässt nach Einschätzung von Konjunkturexperten in diesem und im kommenden Jahr leicht nach. Das geht aus dem "Survey of Professional Forecasters" (SPF) für das dritte Quartal 2013 hervor, einer vierteljährlichen Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) unter erfahrenen Konjunkturbeobachtern. Ihre Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Verbraucherpreise im Euroraum (gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex, kurz HVPI) in den Jahren 2013 und 2014 sind demnach im Mittel auf je 1,5 % gesunken. Bislang waren die befragten Konjunkturexperten im Durchschnitt noch von einem Preisanstieg in diesem Jahr um 1,7 % und im kommenden Jahr von 1,6 % ausgegangen. Die gesunkenen kurz- bis mittelfristigen Inflationserwartungen spiegeln den Befragten zufolge vor allem die Eintrübung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage wider. Auch niedrigere Rohstoffpreise sowie ein verminderter Beitrag von staatlichen Maßnahmen wie beispielweise der Anhebung von Steuersätzen tragen zum Rückgang bei.

An den für die Geldpolitik besonders wichtigen längerfristigen Inflationserwartungen hat sich hingegen nichts geändert. Für das Jahr 2018 erwarten die Befragten im Mittel für den Euroraum weiterhin einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2 %. Damit wären die Inflationserwartungen nach wie vor auf einem Niveau verankert, das nahe dem ist, was das Eurosystem noch als Preisstabilität ansieht ("Steigerung der Verbraucherpreise gemessen am HVPI von weniger als 2 % pro Jahr").

Inflationsrisiken früh erkennen

Für die Notenbanken des Eurosystems sind die Einschätzungen professioneller Beobachter wichtige Indikatoren: Sie geben Einblicke in Erwartungen, die eine wesentliche Rolle bei wirtschaftlichen Entscheidungen spielen und somit auch die Preisbildung beeinflussen. Die längerfristigen Inflationserwartungen stellen darüber hinaus einen wichtigen Gradmesser für die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank und die Wirksamkeit ihrer Geldpolitik dar. Lösen sich die Erwartungen hinsichtlich künftiger Inflationsraten vom angestrebten Niveau unterhalb von 2 %, würde diese "Entankerung" unmittelbar das Preisstabilitätsziel des Eurosystems gefährden.

Erwartungen lassen sich nicht direkt messen. Befragungen von Experten sind eine Möglichkeit, sich den Einschätzungen der Öffentlichkeit zu nähern. Die EZB befragt daher im Rahmen des SPF regelmäßig im Januar, April, Juli und Oktober einen festen Kreis von rund 90 Teilnehmern. Dazu zählen große Banken, Wirtschaftsforschungsinstitute und Verbände mit Sitz in der EU. Erfragt werden die Inflationserwartungen des laufenden, kommenden und darauf folgenden Jahres sowie auf mittelfristige Sicht von fünf Jahren. Zu denselben Zeiträumen fragt der SPF auch Erwartungen zum Wirtschaftswachstum und zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Euroraum ab. Dazu kommen Prognosen zur Entwicklung des EZB-Leitzinses, des US-Ölpreises, des Euro-Dollar-Umrechnungskurses und der Arbeitskosten.

Unsicherheit messen

Das Besondere am SPF im Unterschied zu vergleichbaren Befragungen ist die Berücksichtigung der Unsicherheit. Die Teilnehmer geben nämlich nicht nur Punktschätzungen zur Höhe der Teuerungsrate, des Wirtschaftswachstums und der Arbeitslosenquote ab. Sie werden auch nach einer Wahrscheinlichkeitsabstufung für mögliche Ergebnisse befragt.

Ein Beispiel: Ein Befragter gibt an, dass er für das Jahr 2014 eine mittlere Preissteigerungsrate von 1,8 % erwartet. Er ist sich jedoch nicht ganz sicher. Deshalb gibt er an, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 % die Inflationsrate zwischen 1,5 % und 1,9 % liegen wird. Möglich ist seiner Schätzung zufolge auch eine niedrigere Rate zwischen 1,0 % und 1,4 %, allerdings nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 %. Höhere Raten zwischen 2,0 % und 2,4 % sieht er dagegen mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 %.

Mit solchen Angaben entsteht für jeden Befragten ein Profil der Unsicherheit. Diese Profile lassen sich über alle Befragten zusammenfassen. Je größer die sich ergebende Spanne der Unsicherheit ist, desto eher besteht die Gefahr einer Entankerung der Erwartungen. Ähnliches gilt hinsichtlich des Grades der Uneinigkeit der Antwortenden.