IWF: Deutschland sollte Grund­pfeiler des wirtschaftlichen Erfolgs stärken

Deutschland sollte nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds (IWF) seine günstige konjunkturelle Lage für Reformen nutzen. "Dies ist ein guter Zeitpunkt, um in die Zukunft zu schauen und die Grundpfeiler für anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg und die Stabilität des Finanzsystems zu verstärken", heißt es in einem Zwischenbericht einer IWF-Delegation im Rahmen der sogenannten Artikel-IV-Konsultationen. Der Bericht fasst die Ansichten von IWF-Mitarbeitern zusammen. Diese spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten des Exekutivrats des IWF wider. 

Nach Einschätzung der IWF-Experten wird sich der Aufschwung in Deutschland in diesem Jahr fortsetzen. Angetrieben werde das Wachstum vor allem vom privaten Konsum, was vom starken Anstieg der verfügbaren Einkommen untermauert werde. Darüber hinaus würden auch die Nettoexporte Deutschlands die Wachstumsdynamik unterstützen.

Die IWF-Ökonomen halten ein höher als bisher prognostiziertes Wachstum in Deutschland für möglich, sofern sich die gesunkenen Energiepreise oder die Anleihekäufe der EZB stärker als angenommen auf das Wachstum auswirken sollten. Größere Risiken für das Wachstum bestünden dagegen vor allem in einem möglichen schwächeren Wachstum bei Deutschlands Handelspartnern oder "erneutem Stress im Euro-Raum, ausgelöst durch politische Unsicherheit oder zögerliche Reformen in einigen Ländern", schreiben die IWF-Ökonomen.

Kritik an hohen Leistungsbilanzüberschüssen

Kritisch äußerten sich die IWF-Experten in ihrem Zwischenbericht zum hohen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands. Der Rückgang der Energiepreise und die Währungsabwertung würden den ohnehin hohen Leistungsbilanzüberschuss weiter erhöhen. Dies gebe Anlass zur Sorge, da die Nachfrage in fortgeschrittenen Volkswirtschaften bereits trotz der ultra-expansiven Geldpolitik schwach sei, so die Delegation.

Bei der IWF-Frühjahrstagung Mitte April in Washington hatte Bundesbankpräsident Jens Weidmann Vorschlägen widersprochen, dem Leistungsbilanzüberschuss wirtschaftspolitisch entgegenzuwirken. Deutsche Unternehmen seien nun einmal auf den globalen Absatzmärkten sehr gut positioniert und entsprechend erfolgreich. Exportüberschüsse seien das Resultat unzähliger, überwiegend privatwirtschaftlicher und freier Entscheidungen von Unternehmen und Konsumenten, so der Bundesbankpräsident damals.

Politische Empfehlungen

Im Zwischenbericht der Artikel-IV-Konsultationen empfehlen die IWF-Ökonomen Deutschland wichtige politische Weichenstellungen. So sehen sie bei Einhaltung geltender Fiskalregeln noch weiteren Spielraum für öffentliche Investitionen.

Darüber hinaus sollten angesichts eines sinkenden Arbeitskräfteangebots die Hürden für die Vollzeitbeschäftigung von Frauen beseitigt werden. Dazu zählt der IWF-Stab vor allem die derzeit hohe Belastung von Zweitverdienern durch Steuern und Abgaben sowie das gegenwärtig zu geringe Angebot an Kinderbetreuung in Deutschland.

Mehr Wettbewerb im Dienstleistungssektor könnte nach Auffassung der IWF-Ökonomen eine größere Dynamik in diesem Sektor befördern. Im Gegensatz zum starken produzierenden Gewerbe entwickle sich die Produktivität im Dienstleistungsbereich noch schleppend.

Um mögliche künftige Preisblasen an den Immobilienmärkten zu verhindern, wird in dem Zwischenbericht die Einführung zusätzlicher makroprudenzieller Instrumente im Bereich der Vergabe von Immobiliendarlehen angeregt. Als Beispiele werden Obergrenzen für die Kreditaufnahme abhängig vom Immobilienwert oder dem Einkommen genannt.

Artikel-IV-Konsultationen

Der IWF führt mit den Mitgliedsländern jährliche Konsultationen durch. Die Grundsätze dafür sind in Artikel IV des Übereinkommens über den IWF festgelegt. Die Bundesbank nimmt gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen die Rechte und Pflichten Deutschlands im IWF wahr. Sie kooperiert mit dem IWF bei dessen Überwachung der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik im Rahmen der Artikel-IV-Konsultationen. Die Konsultationen finden ihren Abschluss mit der Erörterung des endgültigen, von der Geschäftsführung des IWF gebilligten Berichts durch das Exekutivdirektorium des IWF.