Weidmann: Deutsche Wettbewerbsfähigkeit nicht künstlich schwächen

In Washington ist die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu Ende gegangen. "Die weltwirtschaftliche Erholung geht weiter, obwohl das Wachstum mit uneinheitlichen Aussichten moderat bleibt", heißt es im Abschlusspapier des Lenkungsausschusses des IWF (IMFC). Große Schwankungen der Wechselkurse und Rohstoffpreise, hohe Schulden vieler Staaten und geopolitische Spannungen machten "Wachsamkeit" notwendig. Vor allem das geringe Wachstumspotenzial in vielen Ländern sei ein langfristiges Problem, heißt es in der Erklärung.

Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds 2015 ©Simone D. McCourtie / World Bank

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hob in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Samstag hervor, wie deutlich sich der Fokus seit dem vorangegangenen Treffen verschoben habe So hätten im Gegensatz zu vorherigen Treffen weder Deutschland noch der Euro-Raum im Zentrum der Diskussionen gestanden. Zwei Faktoren sah Weidmann dafür als wesentlich an: "Angesichts der sich festigenden Erholung wurde die Prognose für den Euro-Raum deutlich nach oben revidiert. Und die Geldpolitik ist zum jetzigen Zeitpunkt auch nach Wahrnehmung des IWF an die Grenze dessen gegangen, was sie leisten kann."

Demographische Herausforderungen

Als zweites wesentliches Ergebnis des IWF- und G20-Treffens nannte Weidmann, dass die unbeabsichtigten Folgen der ultra-expansiven Geldpolitik in allen drei großen Währungsräumen und die absehbar unterschiedlichen geldpolitischen Pfade immer mehr in den Vordergrund gerückt seien. Dazu gehöre zum Beispiel die hohe Risikobereitschaft auf den Finanzmärkten, aber eben nicht in der Realwirtschaft. Außerdem nannte Weidmann die Risiken von signifikanten Verschiebungen in den Wechselkursen, die Gefahr einer plötzlichen Umkehr der Kapitalströme und von handels-protektionistischen Tendenzen.

Weidmann warnte zudem vor einer möglichen Überforderung und Politisierung der Geldpolitik und vor Fehlanreizen für andere Politikbereiche: "Geldpolitik wird als maßgebliches, zum Teil einziges verfügbares Politikinstrument wahrgenommen", sagte er. Das führe auch zu einer zunehmenden Diskussion über die Unabhängigkeit der Notenbanken. Als weiteren wesentlichen Punkt aus den Gesprächen und Diskussionen der vergangenen Tage verwies der Bundesbankpräsident auf das Stichwort "new mediocre". Darunter versteht man einen zu niedrig laufenden Wachstumspfad. "Damit rücken zu Recht Strukturreformen, angebotsseitige Engpässe und demographische Herausforderungen in den Vordergrund", sagte Weidmann.

Bereits am Freitag hatte Weidmann in einer Pressekonferenz Forderungen widersprochen, dass Deutschland seine staatlichen Investitionen erheblich ausweiten solle. Unstrittig sei, dass das gesamtwirtschaftliche Investitionsvolumen aus zyklischer und struktureller Sicht steigerungsfähig sei. Gleichzeitig gebe es an verschiedenen Stellen Fehlinvestitionen und drastische Kostenüberschreitungen. "Insofern sind Vorschläge ausdrücklich zu unterstützen, die auf eine effizientere Investitionsplanungen und Durchführung abzielen", sagte Weidmann. Es sei eine zentrale Zukunftsaufgabe, konkrete Investitionsbedarfe zu ermitteln und entsprechende Projekte effizient und transparent voranzutreiben. Skeptisch zeigte sich Weidmann dagegen, zusätzliche Staatsausgaben möglichst an den Haushaltsregeln vorbei über Schulden zu finanzieren. Der ausgeglichene Haushalt in Deutschland sei ein Erfolg. "Dies jetzt durch umfängliche Kreditaufnahme in Nebenhaushalten in Frage zu stellen, hielte ich nicht für sinnvoll", sagte Weidmann.

Abwertung des Euro spielt eine gewisse Rolle

Ebenfalls hatte Weidmann Vorschlägen widersprochen, dem deutschen Leistungsbilanzüberschuss wirtschaftspolitisch entgegenzuwirken. Im Jahr 2014 ist der deutsche Leistungsbilanzüberschuss auf 7½ Prozent gestiegen, im Vorjahr hatte er noch bei 6½ Prozent gelegen. Die Aktivsalden seien vor allem auf Exportüberschüsse zurückzuführen. "Deutsche Unternehmen sind nun einmal auf den globalen Absatzmärkten sehr gut positioniert und entsprechend erfolgreich", sagte Weidmann. Zudem seien die Exportüberschüsse das Resultat unzähliger, überwiegend privatwirtschaftlicher und freier Entscheidungen von Unternehmen und Konsumenten im In- und Ausland: "Staatliche Eingriffe, Fehlanreize oder offensichtliche Marktverzerrungen, die den Exportüberschuss der deutschen Unternehmen künstlich aufblähen, sehe ich nicht", sagte Weidmann. Aber die Abwertung des Euro spiele eine gewisse Rolle, da deutsche Produkte dadurch wettbewerbsfähiger geworden seien und die Ausfuhren tendenziell zunehmen würden. Im Übrigen sei der Anstieg auch Folge der sehr expansiven Geldpolitik der EZB, die von IWF und anderen eingefordert wurde, sagte Weidmann.

Weidmann lehnte Vorschläge ab, den Leistungsbilanzsaldo zum Beispiel durch besondere fiskalpolitische Maßnahmen oder durch politische Einflussnahme auf den Lohnbildungsprozess zu dämpfen. "Insbesondere wäre es absurd, Maßnahmen zu diskutieren, die darauf abzielen, die deutsche Wettbewerbsfähigkeit künstlich zu schwächen, um die Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber den anderen Euro-Ländern zu verringern", sagte Weidmann.

Ebenfalls Thema bei der Frühjahrstagung waren die Quoten- und Governance-Reformen des IWF. Der IWF hatte bereits im Jahr 2010 Neuregelungen beschlossen. Diese sollten den Schwellenländern mehr Einfluss im IWF geben. Bislang haben die USA die Reform nicht ratifiziert. Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 forderten den Lenkungsausschuss des IWF nun auf, Zwischenlösungen zu verfolgen. Die großen Ziele der Reform von 2010 sollten dabei bestehen bleiben, sagte Agustín Carstens , Vorsitzender des IWF-Lenkungsausschusses. "Bei der Quotenreform haben wir keinen Rückschritt gemacht", kommentierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Diskussionen.