Inflationserwartungen umfassend beobachten
Die Bundesbank hat sich in ihrem aktuellen Monatsbericht dafür ausgesprochen, Inflationserwartungen anhand von verschiedenen Kennzahlen zu beleuchten und neben Erwartungen aus Umfragen, inflationsindexierten Anleihen und Inflationsswaps auch Inflationsoptionen in die Analyse einzubeziehen. Die zusätzlichen Erkenntnisse könnten hilfreich sein, denn für eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik ist es bedeutend, wie gut sie die langfristigen Inflationserwartungen im gewünschten Sinn beeinflusst und auf mögliche Änderungen angemessen reagiert. Inflationserwartungen sind „verankert“, wenn Unternehmen, Gewerkschaften und Finanzmarktteilnehmer langfristig die Inflationsraten erwarten, die der Definition von Preisstabilität entsprechen. Dann hat sich eine Zentralbank überzeugend und glaubwürdig ihrem Ziel verpflichtet.
Zusätzliche Aussagen möglich
Inflationserwartungen werden meist aus Umfragen sowie anhand von Finanzmarktinstrumenten wie inflationsindexierten Anleihen und Inflationsswaps ermittelt. Die so bestimmten Erwartungen erlauben Aussagen über die Richtung der zukünftigen Inflationsentwicklung. Mit dem noch neuen Finanzmarktinstrument der Inflationsoptionen ließen sich zusätzlich Aussagen über Wahrscheinlichkeiten ableiten, mit der bestimmte zukünftige Inflationsraten eintreffen können, heißt es im aktuellen Monatsbericht. So könnten zum Beispiel die folgenden Fragen beantwortet werden: Wie stark streuen die Erwartungen der Marktteilnehmer um den Mittelwert? Für wie wahrscheinlich halten es die Marktteilnehmer, dass außergewöhnlich hohe oder niedrige Inflationsraten eintreffen? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb einer bestimmten Zeit Inflationsraten unter null auftreten?
Inflationserwartungen zeitweise sehr unterschiedlich
Die Bundesbank hat anhand der Inflationsoptionen die Inflationserwartungen in den Jahren 2009 bis 2014 untersucht. Die Bundesbank-Ökonomen stellten unter anderem fest, dass in der Zuspitzung der Staatsschuldenkrise im Jahr 2012 die Einschätzungen über die künftige Inflationsentwicklung im Euro-Raum zunehmend auseinander gingen. In der Hochphase konnten die Marktteilnehmer anscheinend nur schwer abschätzen, wie sich die getroffenen geldpolitischen Maßnahmen auf die Inflationsrate im Euro-Raum auswirken würden. Wie auch andere Analysen nahelegen, lässt sich daraus allerdings nicht folgern, dass die Inflationserwartungen nicht mehr fest verankert gewesen wären. Aus den Inflationsoptionen lasse sich laut Bundesbank zudem schließen, dass während der Krisenzuspitzung, aber auch in der zweiten Jahreshälfte 2014 die Wahrscheinlichkeit vorübergehend gestiegen sei, mit der Marktteilnehmer zukünftig Inflationsraten unter null erwarteten.
Darüber hinaus gab es zuletzt einen bemerkenswerten Gleichlauf der langfristigen Inflationserwartungen im Euro-Raum, in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich. In allen drei Währungsräumen sanken sie im vergangenen Jahr deutlich, legten aber nach dem Jahreswechsel wieder etwas zu. Daher liege die Vermutung nahe, dass unabhängig von der jeweiligen Geldpolitik zeitweise auch globale Einflüsse wie der Ölpreis die langfristigen Inflationserwartungen bestimmten, schreiben die Bundesbank-Ökonomen. Ob dieser Einfluss jedoch über die Zeit bestehen bleibt, sei derzeit noch nicht abschließend zu beurteilen.