Bundesbankpräsident Joachim Nagel & Governeur der Banque de France François Villeroy de Galhau ©Matthieu Pattier / Gaby Gerster

Europa gemeinsam voranbringen

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat sich beim diesjährigen 34. European Banking Congress in Frankfurt am Main für ein starkes und geeintes Europa ausgesprochen, welches nötig sei, um den Herausforderungen einer zunehmend fragmentierten Welt zu begegnen.

Die Welt habe sich verändert. Autokratische Regime hätten an Einfluss gewonnen, manche schreckten vor militärischer Aggression nicht zurück. Russlands schrecklicher Angriff auf die Ukraine hat uns schmerzlich bewusstgemacht, dass die Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Krieges aufgebraucht ist, so der Bundesbankpräsident. Zudem stellten populistische Bewegungen eine Bedrohung unserer liberalen Werte dar. Die Europäische Union diene Populisten oft als Sündenbock. Dies mache es schwieriger, die europäische Integration weiter voranzutreiben. Doch Europa stehe vor großen Herausforderungen.

Gemeinsames Handeln in Zeiten wirtschaftlicher Herausforderungen wichtig

Die Pandemie oder geopolitische Spannungen hätten die Risiken einseitiger Handelsabhängigkeiten deutlich gemacht. Dazu käme der zunehmende Arbeitskräftemangel aufgrund des demografischen Wandels sowie die Notwendigkeit des digitalen und grünen Wandels. Schließlich könnten Nagel zufolge die Ergebnisse der jüngsten US-Wahlen Europa ernsthaft herausfordern – politisch wie wirtschaftlich.

Klar ist, dass wir die Herausforderungen nur durch gemeinsames Handeln meistern werden. Europa muss zusammenstehen. Europa darf sich nicht spalten lassen, betonte Nagel in seiner Rede. Das erfordere Kompromissbereitschaft von allen Seiten. Die Vollendung des europäischen Binnenmarktes sei hierbei ein zentraler Schlüssel.

Enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland

Auch die nach wie vor fragmentierten Finanzmärkte seien ein Problem. Wir müssen die unsichtbaren Mauern einreißen, die die Integration der Finanzmärkte behindern, so Nagel. Zum Beispiel fehle bei der Bankenunion immer noch eine gemeinsame Einlagensicherung und eine Lösung für die verhängnisvolle Verknüpfung von Staaten und Banken. Um hier voranzukommen, sei Kompromissbereitschaft erforderlich.

François Villeroy de Galhau, Gouverneur der Banque de France, thematisierte in seiner Rede auf dem Kongress unter anderem das akute Wachstumsproblem Europas. Er sagte aber auch, dass Europa weiterhin dazu in der Lage sei, sein wirtschaftliches Wachstum zu stärken. Zentralbanken hätten in seinen Augen die Pflicht, der Politik bei strukturpolitischen Fragen mit ihrer Expertise zur Seite zu stehen, obwohl am Ende natürlich Regierungen zu entscheiden hätten.

Im Anschluss an ihre Reden betonten der Bundesbankpräsident und der Gouverneur der französischen Notenbank in einem gemeinsamen Statement die Notwendigkeit, den deutsch-französischen Dialog voranzutreiben. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich habe in der Vergangenheit bewiesen, dass mit gemeinsamer Anstrengung Krisen erfolgreich überwunden wurden, zum Beispiel die Staatsschuldenkrise und die Coronakrise.

Europa stehe an einem Scheideweg: Entweder folge es dem Pfad geringen Wachstums, geringer Produktivität und geringer Innovationskraft, oder es bündele seine Kräfte für einen ambitionierten, auch disruptiven Pfad. Die Wirtschaftspolitik der USA konfrontiere mit zusätzlichen Herausforderungen, doch Europa müsse sich auf seine eigenen Stärken besinnen. Wichtige Schritte seien die Vertiefung des Binnenmarktes, die Schaffung einer Spar- und Investitionsunion sowie der Abbau von Bürokratie zur Förderung von Innovationen.

Europa müsse seine wirtschaftliche Größe nutzen, indem es interne Hindernisse abbaue. Es müsse seine finanzielle Kraft stärken, indem es besser zwischen Ersparnissen und Investitionsbedarf vermittle, beispielsweise durch Beteiligungs- und Wagniskapital. Und es müsse bei Innovationen schneller werden, mit weniger Bürokratie und einer Kultur, in der innovative Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Ideen verwirklichen können, so die beiden.

Gemeinsame Verteidigung und politische Abstimmung

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeige, dass wirtschaftliche Integration allein keinen Frieden garantiere. Eine enge Abstimmung zwischen Frankreich und Deutschland, auch in außen-, sicherheits- und energiepolitischen Fragen, sei deshalb entscheidend. Ein stärker europäisch geprägter Ansatz in der Verteidigungspolitik, einschließlich gemeinsamer Beschaffungen von Rüstungsgütern, sei daher notwendig. Beide Länder sollten ihre historisch gewachsene Zusammenarbeit fortsetzen und Europa gemeinsam zu einem wichtigen Spieler auf der internationalen Bühne machen.

Der European Banking Congress ist ein etablierter Treffpunkt für hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Finanzen und Wissenschaft. Er soll ein Forum für eine offene und zukunftsorientierte Diskussion europäischer Themen und deren Bedeutung für Politik und Finanzmärkte sein.