Joachim Nagel ©Nils Thies

Ein stabiler Euro erfordert ein festes Fundament

Eine stabile Währung für Europa benötige ein festes Fundament, betonte Bundesbankpräsident Joachim Nagel bei einer Veranstaltung zu Ehren des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl. Zwar sei das Eurosystem durch politische Unabhängigkeit und ein klares Mandat gut gerüstet, um für stabile Preise im Euroraum zu sorgen. Diese institutionellen Pfeiler bedürfen jedoch einer festen Verankerung in soliden Staatsfinanzen, integrierten Märkten sowie Vertrauen der Menschen in die Notenbanken.

Unsolide Staatsfinanzen sind eine Gefahr für die Preisstabilität

Bei stetig wachsender Schuldenlast könnten die Menschen das Vertrauen verlieren, dass der Staat diese Last noch stemmen kann, ohne sie „wegzuinflationieren“, so Nagel. Steigen in der Folge die Inflationserwartungen, könnte wiederum die Inflation selbst zulegen. Wirksame Fiskalregeln sollen daher als Leitplanken solide Staatsfinanzen absichern, sagte der Bundesbankpräsident. Dann könne die Geldpolitik Preisstabilität zu möglichst geringen gesamtwirtschaftlichen Kosten sichern.

Im Hinblick auf die jüngste Reform der europäischen Fiskalregeln betonte Nagel, dass die neuen Regeln nun vor ihrer ersten Bewährungsprobe stünden. Die zu vereinbarenden Pläne sollten einen Pfad abstecken, mit dem hohe Defizit- und Schuldenquoten verlässlich sinken. Kommission und Rat stünden hier in der Verantwortung. Deutschland solle laut Nagel mit gutem Beispiel vorangehen und sich auf einen Kurs verpflichten, bei dem die Regeln stringent angewendet werden.

„Alles spricht für einen echten gesamteuropäischen Kapitalmarkt“

Neben soliden Finanzen hob Nagel die Bedeutung möglichst integrierter europäischer Finanzmärkte hervor. Diese würden dazu beitragen, dass geldpolitische Impulse gleichmäßig im gesamten Euroraum wirken und Unternehmen leichter die für sie passende Finanzierung finden. Außerdem würden integrierte Finanzmärkte bei einem wirtschaftlichen Schock in einem Mitgliedstaat dafür sorgen, dass die Folgekosten über das gesamte Währungsgebiet hinweg abgefedert werden, was zur Stabilität von Gesamtwirtschaft und Finanzsystem beitrage.

Zwar habe sich die EU schon vor einem Jahrzehnt das Ziel gesetzt, eine Kapitalmarktunion zu schaffen. Die Fortschritte bei der Finanzintegration seien laut EZB-Bericht aber enttäuschend. Um die Ziele zu erreichen, benötige es ein Bündel an Maßnahmen, die zum Teil auch in nationales Recht eingreifen. So gehe es etwa um besser aufeinander abgestimmte nationale Regeln für Insolvenzen und Rechnungslegung. Für einen echten Fortschritt müssen deshalb alle an einem Strang ziehen, also Kommission, Parlament und die Mitgliedsstaaten, sagte Nagel. 

Unabhängigkeit setzt Vertrauen der Bevölkerung in die Zentralbanken voraus

Die Unabhängigkeit von der Politik sei den Zentralbanken des Eurosystems laut Bundesbankpräsident bewusst gewährt worden, damit diese ihr Mandat geschützt vor politischer Einflussnahme erfüllen können. Dieses Vertrauen dürfe nicht als gegeben angesehen werden. Es müsse vielmehr immer wieder aufs Neue verdient werden. Vertrauen in das Stabilitätsversprechen der Zentralbanken würde überdies dazu beitragen, die Inflationserwartungen zu verankern und es den Zentralbanken damit erleichtern, ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen.

Im Hinblick auf die Inflationsentwicklung sieht Nagel den Euroraum auf gutem Weg. Schaue man durch das monatliche Auf und Ab hindurch, erkenne man: Preisstabilität ist nicht mehr fern, aber das letzte Stück des Weges ist noch zu gehen. Der EZB-Rat werde im Dezember auf Basis der vorliegenden Daten bewerten, ob die sich Inflationsentwicklung weiter auf das mittelfristige 2-Prozent-Ziel zubewegt, und auf dieser Basis über die Leitzinsen entscheiden. Ich rate dazu, vorsichtig zu bleiben und nichts zu überstürzen, sagte Nagel.

Um das Vertrauen der Menschen in die Zentralbanken und ihr Stabilitätsversprechen zu stärken, komme es dem Bundesbankpräsidenten zufolge auch auf eine verständliche Kommunikation an. Studien deuteten außerdem darauf hin, dass Menschen mit finanzieller Bildung den Zentralbanken eher vertrauen. Daher setze sich die Bundesbank mit ihren Bildungsangeboten dafür ein, das Wissen über Geld, Währung und Zentralbanken zu verbessern.

Karl Otto Pöhl-Lecture

Im Rahmen der Vortragsreihe „Karl Otto Pöhl-Lecture“ stellen verschiedene Persönlichkeiten regelmäßig ihre Sichtweise auf die Währungsunion vor. Sie wird traditionell von der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft organisiert.