Doppelmandat könnte Glaubwürdigkeit gefährden Symposium "Finanzstabilität und die Rolle der Zentralbanken"

Die Geldpolitik ist nach Ansicht von Bundesbankpräsident Jens Weidmann kein geeignetes Instrument zur Sicherung der Finanzstabilität. "Wenn es um die Bewältigung von Risiken für die Finanzstabilität geht, wirkt die Geldpolitik eher wie ein Vorschlaghammer als wie ein Skalpell", sagte er anlässlich der Eröffnung eines Symposiums der Bundesbank zur Finanzstabilität und der Rolle der Zentralbanken. "Letzteres sollte aber das bevorzugte Werkzeug sein und es verfügbar zu machen, muss ganz oben auf der politischen Agenda stehen", fügte er hinzu.

Finanziellen Ungleichgewichten muss die Geldpolitik Weidmann zufolge entgegenwirken, insoweit sie die Preisstabilität gefährden. Er warnte jedoch davor, neben der Preisstabilität die Finanzstabilität als gleichrangiges Ziel der Geldpolitik festzulegen. Dies übertreibe die Zielgenauigkeit und Wirksamkeit, mit der die Geldpolitik zur Finanzstabilität beitragen könne, unterstrich er. Notenbanken riskierten so letztlich, ihre Glaubwürdigkeit zu beschädigen.

Ein Ende der wohlwollenden Vernachlässigung

Im Anschluss an die Eröffnungsrede des Bundesbankpräsidenten stellten die Ökonomen Franklin Allen, Claudio Borio sowie Markus Brunnermeier in einer Vortragsreihe verschiedene Aspekte der Interaktion von Geldpolitik und Finanzstabilität dar und diskutierten ihre Ergebnisse im Gespräch mit Volker Wieland (Universität Frankfurt). Die Arbeiten standen dabei unter der Frage, ob die Zeit der "wohlwollenden Vernachlässigung" ("benign neglect") der Finanzstabilität durch die Geldpolitik an ein Ende gelangt sein könnte.

Franklin Allen (Wharton School an der Universität von Pennsylvania) zeigte in seinem Vortrag, wie die Geldpolitik über verschiedene Kanäle Risiken für die Finanzstabilität beeinflussen kann. Längerfristig blieben im gegenwärtigen Umfeld mit ultraniedrigen Zinsen insbesondere die Immobilienpreise eine Gefahr. Kurzfristig liegt Allens Arbeit zufolge dagegen das größte Risiko für die Finanzstabilität in einem Anstieg der Zinsen, da dies unmittelbar auf die Preise von Vermögenswerten durchschlage und indirekt auch Auswirkungen auf die Schuldentragfähigkeit sowie die Kreditwürdigkeit habe.

Claudio Borio (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) erläuterte in seinen Ausführungen, dass Krisen untrennbar seien von sogenannten Finanzzyklen – abwechselnden Phasen von Aufschwung und Krise. Diese Zyklen seien zu mächtig, um ihnen ausschließlich mit geldpolitischen Maßnahmen zu begegnen, auch die Fiskalpolitik sei gefragt. Die Geldpolitik sollte sich entschiedener gegen Phasen des Überschwangs richten und in der Krise die Zügel nicht allzu locker lassen. Diese stärker "symmetrische Politik" ist Borio zufolge der Schlüssel, um die Finanzstabilität in den Blick zu nehmen. Eine Änderung der gegenwärtigen Notenbankmandate erfordere dies nicht.

Markus Brunnermeier (Universität Princeton) stellte in seiner Präsentation unterschiedliche Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität dar, einerseits zur Verhinderung von Krisen, andererseits zum Management in der Krise. Als wichtigsten Indikator für die Prävention erläuterte er die Entstehung exzessiver kurzfristiger Kreditfinanzierung in einzelnen Sektoren. In der Krise gehe es dann um die Umverteilung von Vermögen, um betroffenen Sektoren wieder zu rekapitalisieren. Dazu diskutierte er verschiedene Ansätze.

Geldpolitik mit Mandat für Finanzstabilität?

Im Rahmen der ersten Podiumsdiskussion des Symposiums diskutierten anschließend Viral Acharya, Olivier Blanchard, Richard Fisher, Otmar Issing und Klaas Knot mit Zeit-Redakteur Mark Schieritz über die Frage, ob Zentralbanken nach der Krise eine größere Rolle bei der Sicherung der Finanzstabilität spielen sollten und welche Probleme damit verbunden sein können. Damit griffen sie auch die skeptischen Äußerungen von Bundesbankpräsident Weidmann zu einem Doppelmandat von Notenbanken auf.

Aus Sicht von Viral Acharya (NYU Stern) wäre ein breiteres Mandat zu begrüßen. Sollten Zentralbanken die Wahrung der Finanzstabilität bereits in guten Zeiten in den Blick nehmen, müsste die Geldpolitik am Ende nicht als Kreditgeber einspringen. Dies würde sie im Nachhinein von Fragen nach ihrer Unabhängigkeit und Verantwortung befreien.

Auch Klaas Knot (De Nederlandsche Bank) befürwortete die Zuständigkeit von Zentralbanken. "Zentralbanken sind recht gut positioniert, um eine solche umfassendere Rolle zu erfüllen", so Knot. Eine grundlegende Neuformulierung ihres Mandats sei dafür nicht erforderlich, sondern lediglich eine leicht veränderte Umsetzung und Interpretation des Mandats. Knot sieht in einer effektiven makroprudenziellen Politik auch eine Möglichkeit, um zu verhindern, dass Zentralbanken ihr geldpolitisches Mandat bis an ihre Grenzen dehnen müssten. Er räumte allerdings ein, dass ein Test der Wirksamkeit makroprudenzieller Instrumente noch ausstehe.

Otmar Issing (Center for Financial Studies) äußerte dagegen große Bedenken. "Die Anwendung makroprudenzieller Instrumente bringt dramatische Umverteilungseffekte mit sich", sagte er. Die Voraussetzung dafür sei eine demokratische Legitimation. "Ich fürchte, dass Zentralbanken, die dieses Politikfeld betreten, ihre Unabhängigkeit untergraben", warnte Issing. Dies werde an ihrer Fähigkeit zehren, Preisstabilität zu gewährleisten und sei am Ende nicht vorteilhaft für die Wohlfahrt in der Gesellschaft.

Richard Fisher, der als Präsident der Federal Reserve von Dallas nach eigenen Worten die "Bundesbank der USA" vertritt, verwies auf eine indirekte Legitimierung. So würden in den USA gewählte Volksvertreter jene Gesetze erlassen, durch die eine enorme Verantwortung auf die Notenbank übertragen werde. Entscheidend für die Beurteilung sei am Ende aber der Erfolg, so Fisher. "Regierungen übertragen die Verantwortung auf Zentralbanken, weil wir handeln und Entscheidungen treffen", erläuterte er. Sollten Zentralbanken dabei nicht erfolgreich sein, würde das ihre Unabhängigkeit bedrohen, argumentierte Fisher.

Olivier Blanchard (Internationaler Währungsfonds) richtete seinen Blick hinsichtlich der makroprudenziellen Politik vor allem auf die Zentralbanken der Schwellenländer. Er hob dabei insbesondere die Maßnahmen zur Steuerung von Kapitalströmen hervor. Neben der klassischen Geldpolitik gebe es makroprudenzielle Instrumente, Kapitalverkehrskontrollen sowie Interventionen am Devisenmarkt. All diese Instrumente seien für sich genommen nicht vollkommen und müssten daher gemeinsam zum Einsatz kommen. "Wir leben in einer Zeit, in der die zu bewältigenden Aufgaben größer sind als nur die Veränderung des Leitzinses", argumentierte er. Zentralbanken müssten hierbei eingebunden werden, forderte er.