Die Chance, aufzuräumen Symposium "Finanzstabilität und die Rolle der Zentralbanken"
Sabine Lautenschläger, Direktoriumsmitglied der EZB, sieht die Banken in Europa rund sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise auf einem guten Weg. "Ich würde sagen, die Banken sind sicherer geworden"
, sagte Lautenschläger auf einem zweitägigen Symposium der Bundesbank zur Finanzstabilität und zur Rolle der Zentralbanken am 28. Februar in Frankfurt. Aber die Regulierung sei noch nicht am Ende der Frage angekommen, wie Aufsicht gestaltet sein müsse. "Der
SSM ist ein großer Schritt für Europa nach vorne, aber vieles ist noch offen"
, so Lautenschläger, die ab November 2014 den Vizevorsitz der neuen gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht (SSM) übernehmen soll. Gemeinsam mit Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, Martin Hellwig, Leiter des Bonner Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, und Gerhard Schick, Bundestagsabgeordneter und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ging sie mit Mark Schieritz von der Wochenzeitung "Die Zeit" der Frage nach, inwieweit die Banken in den vergangenen Jahren sicherer geworden seien.
Für Schick und Hellwig geht das bisher Erreichte noch nicht weit genug: "Es ist immer noch nicht aufgeräumt worden", sagte Hellwig. "Viele Banken haben noch Leichen im Keller, zu viele schwache Banken sind immer noch im Markt"
. Lautenschläger sagte, es gelte nun, die gemeinsame Bankenaufsicht so auszugestalten, das aufgeräumt werden könne: "Ich halte das für immens wichtig, dass wir einen harten Stresstest durchführen." Dieses Jahr sei ein entscheidendes Jahr: "Wir haben dieses Jahr die Chance, aufzuräumen."
Falsche Anreize
Schwierig sei laut Hellwig auch, dass viele Banken überall in Europa in Staatsanleihen investierten, statt in Unternehmen, da Staatsanleihen als risikolos eingestuft würden. Auch Lautenschläger sieht hier Handlungsbedarf: "Es darf nicht vom Anreizsystem her attraktiver sein, in Staaten zu investieren, als in die Realwirtschaft. Hier müssen die Regularien verändert werden."
Die schwachen Banken sind Hellwig zufolge außerdem ein Mittel für die Politik, um an Geld aus der Notenpresse zu kommen. Entscheidend sei nun die Ausgestaltung der Aufsicht: "Haben wir es mit einer Europäisierung zu tun, die diesen Konnex auflöst? Oder ist sie ein Instrument für die Politik, diesen Konnex zu halten und die
EZB noch mehr in die Verantwortung zu ziehen?"
, fragte der Leiter des Max-Planck-Institutes.
Keine Lösung für too-big-too-fail-Problematik
Umstritten war auf dem Podium auch die Frage, inwieweit die Banken heute ausreichend Eigenkapital vorhalten. Lautenschläger bewertete das bislang Erreichte positiv. So würden etwa deutsche Institute inzwischen das Acht- bis Zehnfache an Eigenkapital früherer Zeiten halten. Nach Auffassung von Hellwig und Schick wird dies jedoch bei weitem nicht ausreichen. "Eigenkapital ist zwar kein Allheilmittel, aber es schafft Haftung, und die gehört nun einmal dazu"
, gab Hellwig zu bedenken. Bei Industrieunternehmen forderten die Banken eine Eigenkapitalausstattung von bis zu 30 %, bei Banken selbst seien es dagegen oft nicht einmal 4 %, stellte Schick fest. Problematisch sei, dass gerade große Banken zu wenig Eigenkapital vorhielten und auch die too-big-too-fail-Problematik noch nicht gelöst sei. Seiner Ansicht nach schwelen hier große Risiken: "Ich glaube nicht, dass man Institute mit Bilanzsumme von zwei oder mehr Billionen Euro sinnvoll steuern kann"
, sagte der Bundestagsabgeordnete Schick.
Jürgen Fitschen wies diese Kritik vehement zurück. Die Fortschritte, die der Finanzsektor in den vergangenen Jahren gemacht habe, würden überhaupt nicht gewürdigt, sagte er. Wenn Schick Zweifel am Management einer großen Bank habe, solle er doch einmal zu einer Vorstandssitzung vorbeikommen, lud ihn der Manager ein. "Ich glaube, Sie wären überrascht, was wir da alles so besprechen."
Ihn ärgere außerdem die Behauptung, große Institute könnten nicht abgewickelt werden, da die Banken längst sogenannte "living wills", eine Art Testament, bei den Aufsichtsbehörden eingereicht hätten. Diese lese nur niemand.
Keine schnelle Einigung bei Stresstest zu erwarten
Die Bedeutung des anstehenden Stresstests hob auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in seiner folgenden Rede hervor. Unerlässlich sei in diesem Zusammenhang, dass geklärt werde, wie man die Banken abwickeln könne, die beim Stresstest durchfallen. Schäuble bremste allerdings die Erwartungen, hier mit einer schnellen Einigung für die Bankenabwicklung zwischen EU-Parlament, Kommission und Finanzministern zu rechnen. "Es würde jeder Erfahrung widersprechen",
sagte Schäuble.
Er lobte zudem die Fortschritte, die bislang in der Eurozone gemacht worden seien: "Das Vertrauen in den Euro ist zurückgekehrt. Europa ist nicht länger die größte Sorge der Welt",
sagte er. Jetzt müsse die Eurozone für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sorgen und sich nicht auf die Unterstützung der Zentralbanken verlassen. Es gelte vielmehr, weitere gemeinsame Regeln festzusetzen und die Bankenunion voranzutreiben.
Zu wenig Monitoring von Schattenbanken
Um die Frage nach der Regulierung von Schattenbanken – etwa Hedge Fonds oder Geldmarktfonds – ging es am Nachmittag des Symposiums. "Die Schattenbanken können die Finanzstabilität beispielsweise durch die direkte Verbindung zu Banken und ihre Ähnlichkeit in den Geschäftsmodellen beeinflussen"
, sagte Claudia Buch, Präsidentin des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) und künftige Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. Inwiefern diese Risiken bestehen, wie sehr sie verbunden sind mit anderen Finanzinstituten, wie hoch ihre Rücklagen sind – zu all diesen Fragen gebe es bislang zu wenige Daten, kritisierte Buch in ihrem Vortrag. Ein umfassendes Monitoring sei hier gefragt. Zudem müsse geprüft werden, inwiefern die Verbindung von diesen Finanzinstituten zu anderen limitiert werden müsse oder ob das System als Ganzes höhere Kapitalanforderungen erfüllen müsse.
Anreize richtig setzen
Dieser Forderung stimmten auch Mark Carney (Bank of England), Andreas Dombret (Deutsche Bundesbank) und Elke König (BaFin) in der anschließenden Diskussion zu. Durch die Regulierung im Bereich der Banken hätten sich einige Geschäfte hin zum Schattenbanken-bereich verschoben, warnte Carney. "Wir müssen darauf achten, welche Anreize wir durch unsere Regulierung setzen",
warnte er. Dombret betonte, dass es daher wichtig sei, sich nicht nur einzelne Sektoren – also den Bankenbereich und den Schattenbankenbereich – anzuschauen, sondern die Märkte insgesamt. Insgesamt gelte es, Regeln maßvoll nachzuziehen. "Es geht nicht darum, den Schattenbankenbereich zu eliminieren", sagte König. "Es ist ein gutes System, das Grenzen braucht."
Unabhängig von einem künftigen strengeren Monitoring müssten einige Reformen im Bereich der Schattenbanken sofort angegangen werden.
Es kommt auf die Implementierung an
Bis zum nächsten G20-Gipfel, der im Herbst in Brisbane stattfindet, sei für die Politik und die Bankenaufsicht noch eine Menge zu tun, konstatierte Bundesbank-Vorstandsmitglied Dombret in seinen Schlussworten am Ende des zweitätigen Symposiums. Aber er warnte: Regulierung sei nur so gut wie ihre Implementierung. Er machte dies am Beispiel der gemeinsamen Bankenaufsicht in Europa und der Notwendigkeit einer gemeinsamen Bankenabwicklung deutlich: "Wie kann eine europäische Aufsichtsbehörde glaubwürdig sein, wenn sie keine Bank abwickeln kann?"
, fragte Dombret. Daher müsse jetzt alles daran gesetzt werden, sich auf eine gemeinsame Abwicklung noch vor der Europawahl im Mai zu verständigen.