Deutschland-Prognose: Wachstumsaussichten deutlich eingetrübt

Die deutsche Wirtschaft kämpft nicht nur mit hartnäckigem konjunkturellen Gegenwind, sondern auch mit strukturellen Problemen, erklärte Bundesbankpräsident Joachim Nagel anlässlich der neuen Deutschland-Prognose. Die Bundesbank rechnet für 2024 mit einem leicht um 0,2 Prozent sinkenden realen Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den kommenden Jahren könnte die Wirtschaft dann um 0,2 Prozent (2025), 0,8 Prozent (2026) und 0,9 Prozent (2027) wachsen. Damit revidieren die Fachleute ihren Wachstumsausblick der Deutschland-Prognose vom Juni deutlich nach unten. 

Es zeigt sich zunehmend, dass die deutsche Wirtschaft nicht nur mit hartnäckigem konjunkturellen Gegenwind, sondern auch mit erheblichen strukturellen Problemen zu kämpfen hat, heißt es im aktuellen Ausblick. Insbesondere die exportorientierte Industrie leide unter dem hohen Anpassungsdruck. Im Inland müsse sie sich unter anderem an die erhöhten Energiekosten und die Erfordernisse des Umbaus hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft sowie an die Folgen des demografischen Wandels anpassen. Zudem seien die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten zunehmend mit protektionistischen Tendenzen und wachsender Konkurrenz aus aufstrebenden Volkswirtschaften konfrontiert. „Vor allem China hat in Branchen wie der Automobil- und Chemieindustrie sowie dem Maschinenbau, die für die deutsche Industrie besonders wichtig sind, stark aufgeholt und spürbar Marktanteile gewonnen, schreiben die Expertinnen und Experten. Aber auch der private Konsum dürfte sich schwächer darstellen, als noch im Juni erwartet und ist kein eigenständiger Motor für die erwartete Erholung der Wirtschaft mehr.

Arbeitsmarkt schwächt sich spürbar ab

Die anhaltende Schwäche der deutschen Wirtschaft beeinträchtige den deutschen Arbeitsmarkt zwar mittlerweile merklich und auch stärker als zuvor erwartet. Nichtsdestotrotz ist der Arbeitsmarkt immer noch recht robust: Das Beschäftigungsniveau ist hoch, die Arbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig, heißt es in der Deutschland-Prognose. Die schwache gesamtwirtschaftliche Aktivität dürfte aber dazu führen, dass die Beschäftigung im Winterhalbjahr weiter etwas sinkt. Auch für 2025 rechnen die Fachleute nochmals mit einem leichten Beschäftigungsabbau und einer weiter steigenden Arbeitslosigkeit. Erst ab 2026, so die Einschätzung der Bundesbank-Fachleute, dürfte sich der Arbeitsmarkt wieder erholen. Angesichts der länger anhaltenden Konjunkturschwäche, der insgesamt schwächeren Arbeitsmarktaussichten und einer niedrigeren Inflation dürften auch die Löhne künftig deutlich schwächer steigen.

Inflationsrate geht zurück auf 2 Prozent

Die Inflationsrate war zuletzt niedriger als erwartet, schreiben die Fachleute. Auch im laufenden Jahr insgesamt dürfte sie mit 2,5 Prozent etwas niedriger ausfallen als noch im Juni prognostiziert. Mit einer Inflationsrate (gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex, HVPI) von etwa 2 Prozent rechnen die Fachleute der Bundesbank allerdings für Deutschland erst ab 2026 (2026: 2,1 Prozent, 2027: 1,9 Prozent). Die vorhergegangene geldpolitische Straffung dürfte nachwirken und der Druck von den Lohnstückkosten nachlassen. Im kommenden Jahr gehen die Fachleute zunächst von einer noch erhöhten Inflationsrate von 2,4 Prozent aus, insbesondere da die Teuerung bei Dienstleistungen nur langsam sinke. Besonders starke Preiserhöhungen seien 2025 im öffentlichen Nahverkehr, bei Versicherungsdienstleistungen, Mieten und Pauschalreisen zu erwarten. 

Prognose unterliegt einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren

 „Zunehmende geopolitische Spannungen, oder vermehrte protektionistische Maßnahmen gehen mit signifikanten Abwärtsrisiken für die Wirtschaftsleistung und Aufwärtsrisiken für die Inflation einher, heißt es in der Deutschland-Prognose. Auch stellten die Auswirkungen des Klimawandels und der Klimaschutzpolitik Risiken für die Prognose dar, so könnte etwa ein höherer CO2-Preis den Preisauftrieb verstärken. Gleichzeitig könnten die strukturellen Veränderungen im In- und Ausland die Wirtschaft noch stärker belasten und das Produktionspotenzial deutlicher dämpfen als bislang angenommen. Schließlich bestehe Unsicherheit über die Ausrichtung der Finanz- und Wirtschaftspolitik nach der Bundestagswahl. „In der Gesamtschau überwiegen gegenwärtig für das Wirtschaftswachstum die Abwärtsrisiken und für die Inflation die Aufwärtsrisiken, resümieren die Fachleute.