Deutsche Wirtschaft bricht auf breiter Front ein
„Die deutsche Wirtschaftsleistung ging im ersten Vierteljahr 2020 wegen der Coronavirus-Pandemie und den zu ihrer Eindämmung getroffenen Maßnahmen massiv zurück“
, schreibt die Bundesbank im aktuellen Monatsbericht. Der außergewöhnlich starke Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um saison- und kalenderbereinigt 2,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal sei umso bemerkenswerter, als die Wirtschaft in den ersten beiden Monaten des Quartals noch auf breiter Basis expandiert sei, es im März dann aber einen Einbruch gegeben habe. Da die Eindämmungsmaßnahmen im April fortbestanden und es trotz Lockerungen weiterhin substanzielle Einschränkungen geben dürfte, erwarten die Fachleute für das zweite Quartal eine noch erheblich niedrigere Wirtschaftsleistung.
Die Pandemie hätte das Wirtschaftsgeschehen in Deutschland auf breiter Front getroffen, heißt es in dem Bericht. Betroffen seien viele konsumnahe Dienstleistungsbranchen, die ihre Geschäftstätigkeit stark einschränken oder sogar einstellen mussten. Hierzu zählten das Gastgewerbe, große Teile des stationären Einzelhandels, Reisedienstleister, andere freizeit- und kulturbezogene Dienstleistungen und die Personenbeförderung. Auch das Verarbeitende Gewerbe sei von den Beschränkungen im Inland beeinträchtigt. Hier sorgten zudem die rückläufige Nachfrage aus dem Ausland und Störungen der globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten für Abwärtsdruck. „So verringerten sich die Warenexporte allein im März um mehr als ein Zehntel“
, schreibt die Bundesbank. Besonders kräftig habe sich das Exportvolumen in die Länder des Euroraums verringert. Zudem seien im gesamten ersten Jahresviertel die Warenlieferungen in die Volksrepublik China aufgrund der dort sehr frühen landesweiten Eindämmungsmaßnahmen stark rückläufig.
Während die gewerblichen Ausrüstungsinvestitionen infolge der ausgesprochen hohen Unsicherheit deutlich zurückgegangen seien, hätten die Bauinvestitionen weiter zugelegt. Der Baubetrieb in Deutschland habe unter Beachtung von Hygiene-Regeln fortgesetzt werden können, zudem dürften die überdurchschnittlich warmen Witterungsverhältnisse die Produktion begünstigt haben.
Privater Verbrauch kräftig gefallen
Laut Bundesbank dürfte sich der private Konsum im Winter 2020 kräftig verringert haben. Zwar hätten die preisbereinigten Umsätze im Einzelhandel im Vergleich zum Vorquartal sogar leicht zugelegt. Hier hätten sich gegenläufige Entwicklungen in verschiedenen Teilbereichen annähernd ausgeglichen. Während die Käufe von Textilien, Bekleidung und Schuhen sowie Geräten von Informations- und Kommunikationsgeräten im stationären Handel massiv zurückgegangen seien, habe der Lebensmittelabsatz aufgrund von Vorratskäufen ein starkes Plus verzeichnet. Auch Substitutionseffekte infolge angeordneter Schließungen von Gaststätten dürften dabei eine Rolle gespielt haben. Zudem hätten die privaten Haushalte beträchtlich mehr Waren über den Internet- und Versandhandel bezogen. In anderen Konsumbereichen wie dem Gastgewerbe oder dem Kfz-Handel schränkten sie ihre Ausgaben jedoch erheblich ein. Der Stillstand bei sonstigen konsumbezogenen Dienstleistern, zu denen beispielsweise Friseure oder Personenbeförderungsunternehmen zählen, habe ebenfalls stark gedämpft.
Krise trifft Automobilindustrie besonders hart
Die weltweiten Einschränkungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie hätten auch der deutschen Industrie schwer zugesetzt, schreiben die Bundesbank-Fachleute. Nach einem guten Jahresauftakt brach die industrielle Erzeugung im März 2020 ein und unterschritt den Stand des Vormonats saisonbereinigt um 11,6 Prozent. Besonders betroffen sei die Automobilindustrie, bei der die Einschränkungen im In- und Ausland zu einem teilweisen Ausfall der Absatzkanäle geführt haben dürften. Zudem hätten vorübergehende Grenzschließungen die internationalen Lieferketten empfindlich gestört. Denkbar sei auch, dass viele potenzielle Pkw-Käufer angesichts des raschen Konjunktureinbruchs und der stark gestiegenen Unsicherheit ihre Kaufentscheidungen verschoben haben.
Arbeitslosigkeit im April sprunghaft gestiegen
„Die Auswirkungen der Abwehrmaßnahmen gegen die Pandemie treffen den Arbeitsmarkt erheblich“
, heißt es im Monatsbericht weiter. Die Ökonominnen und Ökonomen weisen jedoch darauf hin, dass die Datenlage zum jetzigen Zeitpunkt immer noch unvollständig sei und das Ausmaß der Wirkungen daher nur schwer abzusehen. Das gelte insbesondere für die Kurzarbeit. Zwar habe die Zahl der für Kurzarbeit angezeigten Personen eine bisher unbekannte Größenordnung erreicht, es sei aber unsicher, wie viele Betriebe diese auch tatsächlich in Anspruch nehmen würden. Die Bundesbank geht davon aus, dass die Kurzarbeit aktuell eine viel größere Rolle spielen wird als in der Rezession von 2008/2009. So seien diesmal auch weite Teile des Dienstleistungssektors betroffen, während damals überwiegend das Verarbeitende Gewerbe Kurzarbeit nutzte. Außerdem gehen die Fachleute davon aus, dass der Arbeitsausfall je Person aufgrund der angeordneten Geschäftsschließungen zumindest kurzfristig deutlich höher ausfallen dürfte als damals.
Im ersten Quartal sei die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt weitgehend unverändert gewesen, die Meldetermine hätten aber auch vor Einführung der weitreichenden Kontaktbeschränkungen gelegen. „Im April stieg die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt sprunghaft gegenüber dem Vormonat um 373.000 Personen auf 2,64 Millionen an.“ Damit habe sich die Arbeitslosenquote um 0,8 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent erhöht. Auch für die nächsten Monate sind die Aussichten für den Arbeitsmarkt gemäß den Frühindikatoren schlecht.
Ausmaß und Geschwindigkeit der Erholung ungewiss
„Trotz der eingeleiteten Lockerungen ist das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland nach wie vor weit von einem Zustand entfernt, der bislang als normal angesehen wurde“
, so die Expertinnen und Experten. Die verfügbaren Konjunkturindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex oder der GfK-Konsumklimaindex zeichneten ein dementsprechend düsteres Bild. Zwar spräche derzeit vieles dafür, dass sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Verlauf des zweiten Quartals im Zuge der Lockerungsmaßnahmen wieder aufwärtsbewegen werde. Über die weitere Wirtschaftsentwicklung bestehe aber eine sehr hohe Unsicherheit. Diese sei unter anderem von dem weiteren Verlauf des globalen Infektionsgeschehens und der ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen abhängig. Zudem komme es darauf an, wie sich vor diesem Hintergrund das Konsum- und Investitionsverhalten verändere.