Bundesbank-Projektionen: Wirtschaft erholt sich nur mühsam
Die deutsche Wirtschaft erholt sich nach Einschätzung der Bundesbank nur mühsam von den Krisen der vergangenen drei Jahre. „Die deutsche Wirtschaft ringt vor allem noch mit den Folgen der hohen Inflation. Diese schmälert die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger“, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel anlässlich der aktuellen Projektionen. Im laufenden Jahr fasse die Wirtschaft zwar langsam Tritt, aufgrund des Rückgangs im vergangenen Winterhalbjahr schrumpfe das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aber um kalenderbereinigt 0,3 Prozent.
Den Bundesbank-Projektionen zufolge soll die deutsche Wirtschaft 2024 um 1,2 Prozent und 2025 um 1,3 Prozent steigen. Im Vergleich zum vergangenen Dezember revidierten die Bundesbank-Fachleute die BIP-Rate für das laufende Jahr leicht nach oben, vor allem aufgrund der Entspannung an den Energiemärkten. Für 2024 und 2025 ergibt sich wegen der höheren Zinsen und der geringeren Wettbewerbsfähigkeit hingegen ein geringeres Wirtschaftswachstum als noch vor einem halben Jahr erwartet.
Nachlassende Inflation und niedrigere Energiekosten fördern Erholung
In der nächsten Zeit kommen die nachlassende Inflation, kräftig steigende Löhne und ein robuster Arbeitsmarkt zusammen. Daher steige die Kaufkraft der privaten Haushalte nach und nach und sie könnten mehr konsumieren. Allerdings habe die straffere Geldpolitik zu höheren Finanzierungskosten geführt, was die privaten Investitionen besonders im Wohnungsbau dämpfe. Zudem käme von dem stärkeren Euro und der hohen Lohndynamik Gegenwind für die Exporteure. Dank einer steigenden Auslandsnachfrage legten die Exporte dennoch moderat zu. Der reale Staatskonsum gehe im laufenden Jahr aufgrund auslaufender pandemiebezogener Ausgaben stark zurück und lege dann wieder deutlich zu. „Insgesamt dürfte sich die Expansion der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte nur allmählich verstärken. Im weiteren Verlauf wächst sie dann etwas kräftiger“, schreiben die Fachleute.
Noch keine Entwarnung bei der Inflation
„Bei der Inflation sehen wir zwar einen erfreulichen Rückgang, aber noch längst keine Entwarnung“, sagte Nagel. Wenngleich zunächst die Teuerung vor allem von Energie rasch nachlasse, erweise sich die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel (Kernrate) als hartnäckig hoch. Nagel warnte, dass sich die hohe Teuerung verfestigen könnte, falls die Löhne und die Unternehmensgewinne noch kräftiger stiegen. Eine solche Überwälzung sei in einem Umfeld einer hohen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage möglich. „Entschiedenes geldpolitisches Handeln ist wichtig, um den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Risiken einer dauerhafteren Inflation entgegen zu wirken“, so Nagel.
Insgesamt gehe die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflationsrate von 8,7 Prozent im vergangenen Jahr auf 6 Prozent im laufenden Jahr zurück. In den kommenden beiden Jahren wird sie laut Bundesbank 3,1 Prozent beziehungsweise 2,7 Prozent betragen. Gemäß den Projektionen nimmt die Teuerungsrate für Energie im laufenden Jahr stark ab. Auch bei Nahrungsmitteln gebe es Anzeichen dafür, dass der Preisanstieg nicht mehr so breit gefächert ist wie zuvor. Beispielsweise haben sich zuletzt Milchprodukte verbilligt und auch die Preise für Obst und Gemüse gaben wieder nach. Durch den kräftigen Preisanstieg Anfang 2023 bleibe die Teuerung bei Nahrungsmitteln im Jahresdurchschnitt laut Bundesbank aber insgesamt zweistellig. Für 2024 erwarten die Ökonominnen und Ökonomen dann eine nochmals geringere Teuerung von Energie und deutlich schwächer steigende Preise für Nahrungsmittel. Zudem normalisieren sich die Gewinnmargen etwas. Der hohe Preisdruck von den Arbeitskosten lässt jedoch erst 2025 spürbar nach. Die Inflationsrate wurde wegen der Energiepreisentwicklung insgesamt niedriger angesetzt, vor allem für die Jahre 2023 und 2024. Die Kernrate fällt nun allerdings durchweg spürbar höher aus.
Kurzfristig nachlassendes Beschäftigungswachstum erwartet
Aufgrund der nur schleppenden wirtschaftlichen Erholung dürfte das Tempo des Beschäftigungsanstiegs im laufenden Sommerhalbjahr merklich nachlassen. Dafür sprechen auch die weniger expansiven Einstellungsabsichten der Unternehmen. „In den kommenden Monaten ist zudem mit einer moderat erhöhten Arbeitslosigkeit zu rechnen“, so die Expertinnen und Experten. Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Menschen, die im vergangenen Jahr in Deutschland Schutz suchten, dann verstärkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Der Arbeitsmarkt würde dennoch bis Ende 2025 seine in der Grundtendenz gute Verfassung beibehalten. Gründe hierfür seien, dass die Unternehmen weiterhin eine starke Nachfrage nach Arbeitskräften hätten und dass das Arbeitsangebot im weiteren Verlauf ohne den Sondereffekt von zusätzlichen Flüchtlingen nur noch wenig zulegen dürfte. Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden zwei Jahren zurückgeht, und 2025 wieder den bisherigen Tiefstand aus dem Jahr 2019 erreicht.