BaFin und Bundesbank veranstalten Branchentreff BaFinTech
Beim Branchentreffen BaFinTech, welches die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in diesem Jahr erstmals in Kooperation mit der Bundesbank veranstaltete, haben die Bundesbankvorstände Joachim Wuermeling und Burkhard Balz über Chancen und Risiken der Digitalisierung von Bankgeschäften und digitales Zentralbankgeld gesprochen. Das Format richtete sich an Vertreterinnen und Vertreter beaufsichtigter und nicht beaufsichtigter Unternehmen der Finanzindustrie – insbesondere von Fintechs, Kreditinstituten und Versicherern. Im Mittelpunkt der Konferenz standen aktuelle Fragen der Digitalisierung der Finanzindustrie und finanztechnologische Innovationen – dabei kamen Fachleute von BaFin und Bundesbank sowie weitere Expertinnen und Experten zu Wort.
Wuermeling: Wir als Aufsicht wollen Digitalisierung ermöglichen
Wuermeling nahm dabei die Perspektive der Bankenaufsicht ein, die die Modelle, in denen Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) verwendet werden, prüfen. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen könnten große Datenmengen beherrschbar machen, so Wuermeling. „Und im Finanzsektor hat die Bankenaufsicht, haben BaFin und Bundesbank daran ein ureigenes Interesse“.
So könnten digitale Technologien die einzelnen Banken durch bessere Analysen und Datenmanagement oder den Einsatz von Advanced Analytics im Risikomanagement stabiler machen und somit einen Stabilitätsgewinn für das Finanzsystem insgesamt schaffen. Als Aufsicht wolle man deshalb "Enabler" von Digitalisierung sein, so Wuermeling.
Der Blick der Aufsicht sei dabei in erster Linie pragmatisch, so Wuermeling. Die Aufsichtspraxis richte sich daran aus, ob und welche Charakteristika des maschinellen Lernens bei einer Methodik vorlägen und wie stark diese ausgeprägt seien. Dieser Ansatz helfe, ML-Innovationen und ihre Risiken zu erkennen, angemessen zu behandeln und neue Anwendungen bei Banken nicht über einen Kamm zu scheren – das Grundprinzip einer risikoorientierten Aufsicht. Je komplexer ein ML-Modell ausgestaltet sei, desto schwieriger werde es, den Zusammenhang zwischen Input und Output verbal oder durch mathematische Formeln zu beschreiben, so Wuermeling. Es sei dann für Modelliererinnen und Modellierer, Anwenderinnen und Anwender, Validiererinnen und Validierer und auch für die Aufsicht häufig schwer, die Ergebnisse im Detail nachzuvollziehen. „Anstelle der Nachvollziehbarkeit im Detail ist daher vielmehr bedeutend, das Modellverhalten im Ganzen auf Erklärbarkeit zu prüfen und plausibilisieren“,
so Wuermeling. Diese Entscheidungsprozesse zu verstehen sei umso bedeutsamer, wenn Entscheidungen von ML-Systemen weitreichende Auswirkungen auf die Menschen oder auf die Risikosituation einer Bank hätten, „Denken Sie beispielsweise an KI-basierte Einschätzungen der Kreditwürdigkeit. Wir wollen Entscheidungen verstehen, wollen Licht ins Dunkel bringen", so Wuermeling weiter.
Qualität der Daten entscheidend
Wuermeling betonte zudem, wie wichtig die Qualität der Daten sei. „Wenn Sie ein maschinelles Lernverfahren mit Daten füttern, die zu wenig Variation aufweisen, nicht ausreichen oder gefälscht sind, erhalten Sie fehlerhafte Schlussfolgerungen – und laufen dann Gefahr, falsche Geschäftsentscheidungen zu treffen“,
so Wuermeling weiter.
Kritisch äußerte sich der Bundesbankvorstand über spezielle Zulassungsanforderungen, wie sie die Europäische Kommission für Kreditwürdigkeitsprüfungen vorgeschlagen hat. „Doppelte Regulierung und doppelte Aufsichtsprozesse – das birgt die Gefahr, dass Innovationen verhindert werden und der Sinn fürs Angemessene und Machbare, den die Aufsicht aus ihrer täglichen Arbeit zieht, verloren gehen könnte.“
Das Projekt digitaler Euro |
Im Juli 2021 hat der EZB-Rat beschlossen, ein formelles Projekt zum digitalen Euro einzurichten, der Zentralbankgeld in digitaler Form sein soll. Seit Oktober 2021 arbeiten Fachleute des Eurosystems an spezifischen Fragen zu seiner potenziellen Ausgestaltung. Ende 2023 wird das Eurosystem dann entscheiden, ob das Projekt in die Realisierungsphase eintritt, welche drei Jahre dauern könnte und die Entwicklung und Erprobung technischer Lösungen und Regelwerke umfasst, die für die Ausgabe eines digitalen Euro erforderlich sind. |
Balz: Digitaler Euro könnte sinnvoll sein
Bei der gleichen Veranstaltung ging Burkhard Balz darauf ein, warum ein digitaler Euro sinnvoll sein könnte. Ein Grund sei die strategische Souveränität im europäischen Zahlungsverkehr. Bisher gebe es keine einfache, universell und paneuropäisch einsetzbare Zahlungslösung von europäischen Anbietern, so Balz. „Stattdessen sind wir – spätestens, wenn wir eine innereuropäische Grenze überschreiten – im stationären wie im Onlinehandel auf internationale Kartensysteme und die Internetbezahlverfahren von BigTechs angewiesen.“
Diese BigTechs setzten jedoch ihre eigenen Regeln und Standards und schränkten somit die Nutzung- und Zugangsrechte für Dritte ein. Wettbewerb und Marktneutralität seien somit auch im Zahlungsverkehr gefährdet. „Wollen wir das enorme Potenzial, welches in der Nutzung von Krypto-Token und Stablecoins liegen kann, nicht in den Händen weniger belassen, müssen wir also zügig handeln“,
so Balz. Ebenso müssten die Entwicklungen anderer Nationen im Blick behalten werden. So werde etwa der chinesische e-Yuan schon umfassend in der Praxis getestet. Sollte er – ähnlich wie Alipay - an beliebten Zielen für chinesische Touristinnen und Touristen im Ausland als Zahlungsmittel akzeptiert werden, könnte er auch im internationalen Handel und Zahlungsverkehr bedeutender werden und die chinesische Währung im Vergleich zu Dollar oder Euro stärken. Als weiteren Grund führte Balz die sinkende Nutzung von Bargeld an.
„Mehr als 340 Millionen Menschen könnten mit digitalem Zentralbankgeld zahlen“
Balz ging zudem darauf ein, was ein digitaler Euro leisten könnte. Demnach könnte er allen Bevölkerungsgruppen einen einfachen und bequemen Zugang zu einem digitalen Zahlungsmittel bieten, auch Menschen, die digital weniger affin seien. Seine Herausgabe wäre frei von geschäftlichen Interessen. Er würde nicht nur die europäische Souveränität stärken, sondern zudem helfen, paneuropäische digitale Ökosysteme zu entwickeln. „Mehr als 340 Millionen Menschen könnten mit digitalem Zentralbankgeld im gesamten Euroraum bezahlen, grenzüberschreitend und unabhängig von internationalen Anbietern“.
Der Bundesbankvorstand betonte aber auch, dass Zentralbanken und Aufsicht mögliche Risiken für die Realwirtschaft, Finanzstabilität und die Geldpolitik analysieren müssten. So müsse ein umfangreicher Abfluss von Einlagen aus dem Bankensektor ebenso vermieden werden wie plötzliche Umschichtungen in Zentralbankgeld. „Ein Weg könnte zum Beispiel sein, Höchstbeträge für das Halten digitaler Euro oder gestaffelte Zinssätze festzulegen“
, so Balz. Er betonte zudem, dass das Eurosystem auch künftig Bargeld anbieten werde. „Der digitale Euro ergänzt das Bargeld, er ersetzt es nicht“,
so Balz.