Architektur­symposium bei der Bundes­bank

"Die Moderne spaltet die Öffentlichkeit", sagte Reinhard Hübsch, leitender Kulturredakteur des Südwestrundfunks, auf einem Architektursymposium in der Bundesbank-Zentrale in Frankfurt. Viele Gebäude der Nachkriegsmoderne, die in den 1960er Jahren gebaut worden sind, seien zwar zunächst unter Denkmalschutz gestellt worden, aber dennoch mittlerweile den Abrissbaggern zum Opfer gefallen. Seine persönliche Einschätzung: "Liebenswert ist die Moderne allemal". Rund 120 hessische Architekten und Innenarchitekten waren der Einladung der Akademie der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, des Landesamts für Denkmalpflege Hessen und der Bundesbank gefolgt, um die Zentrale der nationalen Notenbank kennenzulernen und der Frage nachzugehen, ob es sich um ein geliebtes oder ungeliebtes Gebäude der Moderne handelt.

Bestens bekannt

Schon von weitem ist das 220 Meter lange und 54 Meter hohe Gebäude aus Stahlbeton der Bundesbank-Zentrale zu erkennen. Vor allem den vielen Autofahrern, die von Norden oder Westen aus nach Frankfurt hineinfahren, sei das Gebäude bekannt, sagte Reiner Bruckhaus, Abteilungsleiter Zentrales Baumanagement in der Bundesbank. Bruckhaus und seine Kollegen ringen mit den Hinterlassenschaften der Moderne, wie er selbst sagt, und kümmern sich um die Erhaltung des Gebäudes. Viele der Teilnehmer des Symposiums erkannten bei einem Rundgang über das Gelände kaum einen Unterschied zwischen den Fotografien des gerade erst fertiggestellten Neubaus in den 1970er Jahren und dem heutigen Zustand des Gebäudes – abgesehen von neuem Schreibtischmobiliar und technischer Ausstattung. "Ich kenne kein Gebäude der Moderne, das so gut erhalten ist wie die Zentrale der Bundesbank", sagte Brigitte Holz, Präsidentin der hessischen Architektenkammer.

Standortsuche

Keineswegs klar war der Standort im Norden Frankfurts – zwischen Ginnheim und Bockenheim – als die Vorgängerin der Bundesbank, die Bank Deutscher Länder, nach dem Zweiten Weltkrieg aus Platzgründen einen neuen Standort für sich suchte, erklärte Sunna Gailhofer, Diplom-Ingenieurin  und Publizistin, die in Archiven zur Baugeschichte der Bundesbank und im Archiv des Deutschen Architekturmuseums geforscht hat. Auch Frankfurt als Standort war ungewiss. Die amerikanische Besatzungsmacht präferierte zwar die Mainmetropole, wo die Bank Deutscher Länder in der Taunusanlage ihren Sitz hatte. Großbritannien allerdings bezweifelte die Bedeutung Frankfurts als Bankenplatz und damit auch den Standort. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik bestand zudem noch Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung, weshalb sich die deutsche Seite noch nicht auf einen Standort festlegen wollte. Daher begannen konkrete Planungen für einen Neubau in Frankfurt erst mit der Gründung der Bundesbank im Jahr 1957, obwohl die Platznot schon viele Jahre sehr groß war. Statt dem heutigen Standort hatte die Bundesbank aber damals ein Gebiet direkt am Main im Auge. Nach und nach erwarb sie die erforderlichen Grundstücke. "Kurz vor dem Abschluss wurde aber klar, dass die Stadt Frankfurt mitten durch das Gelände eine Straße plante – aus Sicherheitsgründen für die Bundesbank undenkbar", sagte Gailhofer.

Ein neuer Standort wurde daraufhin im Norden Frankfurts gefunden und ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Der Zugang zum Gelände sollte über die A66 erfolgen, doch wieder änderte die Stadt kurzfristig ihre Straßenplanung. Die Planungen aus dem Architektenwettbewerb mussten daraufhin angepasst werden. Der Siegerentwurf konnte so mit der vorgesehenen Ausrichtung der Gebäude nicht umgesetzt werden, erklärte Heinz Scheid. Er und sein Team von ABB hatten den Wettbewerb damals gewonnen und schließlich den Auftrag für die Planung und Bauleitung dieses Projekts erhalten.

Sachlich und funktional

Charakteristisch für das Gebäude sei eine Betonung der Symmetrie, innen wie außen, sagte Architekt Scheid. Wolfgang Voigt, stellvertretender Direktor Deutsches Architekturmuseum (DAM) Frankfurt, erklärte in seinem Vortrag, dass der Stil des Gebäudes sich deutlich von denen anderer nationaler Notenbanken unterscheide. Die Gebäude vieler anderer Zentralbanken seien eher Palästen nachempfunden, meist mit repräsentativem Säuleneingang oder großer Kassenhalle, wie beispielsweise die an einen Dom erinnernde, von einer Kuppel abgeschlossene Halle der argentinischen Zentralbank in Buenos Aires. Die Architektur der Bundesbank sei dagegen eine Architektur des Neuanfangs. "In meiner Wahrnehmung wollte die Bundesbank nichts mehr mit jeglicher Tradition zu tun haben, vor allem nicht mit der Reichsbankgeschichte", sagte Voigt. "Sie wollte die Erscheinung als Herrschaftsarchitektur um jeden Preis vermeiden." Der Bau definiere sich vor allem über die "Nicht-Eigenschaften", sagte er. Man wollte nicht aussehen wie eine Bank, erklärte die Publizistin Gailhofer, sondern wie ein Bürohaus, das von einem anderen Nutzer übernommen werden könnte. Sachlichkeit, Funktionalität und Ehrlichkeit seien die Eigenschaften, die mit dem Bau verbunden werden können, sagte der stellvertretende DAM-Direktor Voigt. Für ihn ist die Bundesbank-Zentrale neben der nach dem Krieg wiederaufgebauten Paulskirche und dem ehemaligen Gebäude des Bundesrechnungshofes eines der bedeutendsten Gebäude der Nachkriegszeit in Frankfurt.