"Handeln und Haften müssen im Euro-Raum stärker in einer Hand liegen"

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat in einer Rede gefordert, dass das Prinzip von Handeln und Haften im Euro-Raum künftig wieder stärker in einer Hand liegen müsse. "Sowohl der starken Verschuldung von Banken als auch der von Staaten liegt ein gemeinsames Problem zugrunde: das Auseinanderfallen von Handeln und Haften", sagte er vor 200 Gästen in der deutschen Botschaft in Rom.

Auf gutem Weg

Im Hinblick auf die Haftung von Banken für ihre Anlage- und Kreditvergabeentscheidungen ist laut Weidmann mittlerweile einiges geschehen. So gebe es seit eineinhalb Jahren die gemeinsame europäische Bankenaufsicht, die sicherstellen solle, dass in allen Euro-Mitgliedstaaten die Banken gleich streng überwacht würden. Vor allem aber müssten Banken  mehr und hochwertigeres Kapital vorhalten, um Verluste besser zu verkraften. Wenn ihr Eigenkapital nicht ausreiche, um mögliche Verluste zu decken, würden zudem die Gläubiger herangezogen. "Nur in allerletzter Instanz ist der Einsatz von Steuergeldern zu erwägen", so Weidmann. Das höhere Eigenkapital und die sogenannten Bail-in-Vorschriften würden dafür Sorge tragen, dass die Eigentümer und Gläubiger der Banken mögliche Verluste tragen. Es sei aber nicht nur wichtig, dass Handeln und Haften bei Banken in einer Hand liegen. Auch für die politischen Entscheidungen im Euro-Raum  müsse das Prinzip künftig wieder stärker  gelten, betonte Weidmann. Aus seiner Sicht sind dafür zwei Wege denkbar: Entweder würden die Staaten sowohl die Entscheidungsmacht als auch die Haftung in Haushaltsfragen auf die europäische Ebene übertragen. Das sei zum Beispiel in Form einer europäischen Fiskalunion möglich. "Oder die Staaten treffen die Haushaltsentscheidungen weiterhin für sich, müssen dann aber auch für die Folgen einstehen", sagte er.

Der größte Schritt im Integrationsprozess

Eine echte Fiskalunion könne laut Weidmann "tatsächlich das Gleichgewicht zwischen Handeln und Haften wiederherstellen". Ein Mitgliedstaat müsse dann den Anforderungen einer europäischen Fiskalunion Folge leisten. Die Fiskalunion sei daher aus Sicht von Weidmann der größte Schritt im Integrationsprozess seit Einführung des Euro, der ohne umfassende Änderungen der Europäischen Verträge und ohne Referenden in den Mitgliedstaaten nicht zu erreichen sei. Das gelte sowohl für ein gemeinsames Finanzministerium für den Euro-Raum mit eigenem Budget als auch für ein System, das regelbasierte Eingriffe in bestehende nationale Haushalte erlaube. Weidmann sieht darin hohe Hürden: "Die Bereitschaft sie zu überspringen kann ich derzeit nicht erkennen, weder in Italien, noch in Deutschland oder anderswo."

Unabhängige Fiskalbehörde nötig

"Falls man die die Souveränität der Mitgliedstaaten in fiskalischen Fragen beibehalten möchte, bleibt nur, Handeln und Haften auf Ebene der Mitgliedstaaten zu verankern, so wie dies im bestehenden Maastricht-Rahmen angelegt sei", führte der Bundesbank im Weiteren aus. Um die dezentrale Wirtschafts- und Finanzpolitik dabei auf einen stabilitätspolitischen Kurs zu verpflichten, setze der Maastricht-Rahmen auf fiskalpolitische Regeln und die Disziplinierung durch die Finanzmärkte. Beide hätten sich allerdings als nicht sehr wirkungsvoll gezeigt, so Weidmann. Seit Bestehen der Währungsunion seien die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes von manchen Ländern sogar häufiger verletzt als eingehalten worden. Als Reaktion auf die Krise seien die Fiskalregeln zwar angepasst worden, allerdings hätte die EU-Kommission mehr Freiheitsgrade bekommen bei ihrer Überwachung. "Im Ergebnis neigt die Kommission dann dazu, immer wieder Kompromisse zulasten der Haushaltsdisziplin zulassen", kritisierte Weidmann. Eine unabhängige Fiskalbehörde könnte seiner Ansicht nach hier Abhilfe schaffen, indem sie die bisherigen Aufgaben der EU-Kommission im Rahmen der Haushaltsüberwachung übernimmt.

Risikolose Staatsanleihen sind Fiktion

Der Bundesbankpräsident wiederholte in diesem Zusammenhang seine Forderung, die enge Verflechtung zwischen Banken und Staaten zu lösen. Für einen funktionsfähigen dezentralen Handlungsrahmen müssten die bestehenden eklatanten Unstimmigkeiten beseitigt werden. "Denn sie untergraben das Prinzip der Eigenverantwortung und schwächen damit die Anreize für eine solide Haushaltspolitik", so Weidmann. Zwar seien laut EU-Vertrag sogenannte Bail-outs und monetäre Staatsfinanzierung verboten, doch würden Staatsanleihen in den Eigenkapitalvorschriften für Banken dessen ungeachtet als risikolos behandelt. "Spätestens in der Krise hat sich diese Annahme aber als Fiktion erwiesen".

Staatsschuldtitel müssten daher zwingend in den Bankbilanzen mit Eigenkapital unterlegt und die Forderungen von Banken gegenüber einzelnen Staaten gedeckelt werden, unterstrich Weidmann. "Wenn es durch eine angemessene Regulierung gelingt, dass Staatsanleihen kein Klumpenrisiko mehr sind, dann wird der enge Zusammenhang von Banken und Staaten gelöst, der sich in der Krise als Brandbeschleuniger erwiesen hat", erklärte der Bundesbankpräsident diesbezüglich. Damit wäre auch eine Restrukturierung von Staatsschulden möglich, ohne dabei das Finanzsystem zu Fall zu bringen.

Dies sei laut Weidmann auch eine wichtige Voraussetzung für die mögliche Einführung einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung. Zwar seien die großen Banken im Euro-Raum mittlerweile durch die EZB beaufsichtigt. Die Mitgliedstaaten hätten allerdings noch erheblichen Einfluss auf die Qualität der Bankbilanzen. Das betreffe sowohl die nationalen Gesetzgebungsmöglichkeiten wie das Insolvenzrecht als auch die hohen Bestände von Staatsanleihen in den Bankbilanzen. "Solange die Banken in großem Umfang Staatsanleihen ihrer Heimatländer in ihrer Bilanz haben, bedeutet eine gemeinsame Versicherung von Bankeinlagen auch eine Vergemeinschaftung fiskalischer Risiken", warnte der Bundesbankpräsident. "Eine umfassende Vergemeinschaftung von Haftung zwischen den Euro-Staaten ohne eine entsprechende gemeinsame Kontrolle wäre hingegen der falsche Weg. Denn das würde den in einer Währungsunion bestehenden Verschuldungsanreiz eher verstärken als bremsen", so Weidmann.