Preisstabilität

1999 wurde der Euro in Deutsch­land eingeführt. Doch nicht nur bei uns, son­dern auch in an­de­ren Län­dern Eu­ro­pas ist die ge­mein­sa­me Wäh­rung das ge­setz­li­che Zah­lungs­mit­tel. Frü­her war für die Wäh­rung jedes Lan­des die ei­ge­ne Zen­tral­bank zu­stän­dig. Für den Euro tra­gen die Zen­tral­ban­ken der Euro-Län­der und die Eu­ro­päi­sche Zen­tral­bank ge­mein­sam die Ver­ant­wor­tung. Die­ses Sys­tem der Euro-Zen­tral­ban­ken heißt Eu­ro­sys­tem. Die deut­sche Zen­tral­bank – die Deut­sche Bun­des­bank – ist Mit­glied des Eu­ro­sys­tems.

Das wich­tigs­te Ziel des Eu­ro­sys­tems ist es, für Preis­sta­bi­li­tät zu sor­gen. Dabei geht es nicht um ein­zel­ne Prei­se, son­dern um den Durch­schnitt aller Prei­se: das Preis­ni­veau. Um es zu be­rech­nen, wer­den be­stimm­te Waren und Dienst­leis­tun­gen aus­ge­wählt, die für das Leben der Men­schen im All­tag von Be­lang sind. Sta­tis­ti­ker er­mit­teln jeden Monat die Prei­se der Güter in die­sem Wa­ren­korb und be­rech­nen dar­aus den Durch­schnitt. So lässt sich die Ent­wick­lung des Preis­ni­veaus be­stim­men. Nach Auffassung des EZB-Rats kann Preisstabilität am besten gewährleistet werden, wenn er mittelfristig eine Inflationsrate von 2 Prozent anstrebt. Dieses Ziel ist symmetrisch, das heißt negative Abweichungen von diesem Zielwert sind ebenso unerwünscht wie positive. Wenn das Preis­ni­veau über einen län­ge­ren Zeit­raum deut­lich steigt, spricht man von In­fla­ti­on, sinkt es, spricht man von De­fla­ti­on.

Doch warum ist Preis­sta­bi­li­tät so wich­tig? Preis­sta­bi­li­tät ist wich­tig, damit die Kauf­kraft des Gel­des er­hal­ten bleibt. Bei In­fla­ti­on sinkt der Geld­wert, die Kauf­kraft des Gel­des nimmt ab. Ein Bei­spiel: Ein Paar Schu­he kos­ten heute 100 Euro. Bei einer In­fla­ti­ons­ra­te von 5 Pro­zent muss man dafür in einem Jahr 105 Euro be­zah­len, in 5 Jah­ren schon rund 128 Euro. Je höher die In­fla­ti­ons­ra­te, desto dra­ma­ti­scher sind diese Fol­gen. Emp­fän­ger von Ge­häl­tern, Ren­ten und So­zi­al­leis­tun­gen sind be­son­ders be­trof­fen. Denn diese Ein­kom­men blei­ben auch bei In­fla­ti­on zu­nächst ein­mal gleich. Das führt dazu, dass sich die Men­schen von ihrem Geld wegen stei­gen­der Prei­se immer we­ni­ger leis­ten kön­nen. Hohe In­fla­ti­on ist auch nach­tei­lig für Spa­rer. Ihre Geld­an­la­gen ver­lie­ren zu­se­hends an Kauf­kraft. Das be­trifft zum Bei­spiel die Al­ters­vor­sor­ge: Ein über viele Jahre an­ge­spar­tes Geld­ver­mö­gen reicht dann unter Um­stän­den nicht mehr aus, um den Le­bens­un­ter­halt zu si­chern.

Aber nicht nur In­fla­ti­on, son­dern auch De­fla­ti­on scha­det der Wirt­schaft: Zwar kön­nen sich die Men­schen bei durch­schnitt­lich sin­ken­den Prei­sen mehr kau­fen, aber ein all­ge­mei­ner Preis­rück­gang hat auch ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen. Die Un­ter­neh­men ma­chen we­ni­ger Ge­winn, mit­un­ter sogar Ver­lust – man­che müs­sen des­halb sogar Mit­ar­bei­ter ent­las­sen. Diese kön­nen sich dann we­ni­ger leis­ten und der Druck auf die Prei­se nimmt wei­ter zu. Zudem ver­schie­ben die Men­schen Kauf­ent­schei­dun­gen, weil sie hof­fen, dass die Prei­se noch wei­ter sin­ken. Eine ge­fähr­li­che Ab­wärts­spi­ra­le ent­steht: Ge­win­ne und Steu­er­ein­nah­men schrump­fen, die Be­las­tun­gen durch Schul­den und hohe Aus­ga­ben für So­zi­al­leis­tun­gen neh­men zu, und es wird we­ni­ger in­ves­tiert.

Auch für die Pla­nun­gen der Un­ter­neh­men ist Preis­sta­bi­li­tät wich­tig: Nur so kön­nen sie Preis­schwan­kun­gen ein­zel­ner Güter klar er­ken­nen, um An­ge­bot und Nach­fra­ge genau ab­zu­schät­zen und Pro­duk­ti­on und In­ves­ti­tio­nen ent­spre­chend aus­zu­ge­stal­ten.

Was also tut das Eu­ro­sys­tem, um die Prei­se sta­bil zu hal­ten? Mit sei­nen geld­po­li­ti­schen In­stru­men­ten kann es die Höhe der Zin­sen im Eu­ro­raum be­ein­flus­sen. Im Falle einer In­fla­ti­ons­ge­fahr wird es die Zin­sen er­hö­hen. Da­durch wer­den we­ni­ger Kre­di­te auf­ge­nom­men, es kommt we­ni­ger Geld in Um­lauf und es wer­den we­ni­ger Güter nach­ge­fragt. Die Un­ter­neh­men blei­ben zum Teil auf ihren Waren sit­zen und kön­nen ihre Prei­se kaum noch er­hö­hen. Man­che sen­ken ihre Prei­se sogar. So kann eine An­he­bung der Zin­sen die In­fla­ti­on be­kämp­fen, bis wie­der Preis­sta­bi­li­tät herrscht.

Im Falle einer De­fla­ti­ons­ge­fahr wird das Eu­ro­sys­tem die Zin­sen sen­ken. Da­durch wer­den mehr Kre­di­te auf­ge­nom­men, es kommt mehr Geld in Um­lauf und es wer­den mehr Güter nach­ge­fragt. Der Ab­wärts­druck auf die Prei­se lässt damit im Laufe der Zeit nach und die Un­ter­neh­men kön­nen wie­der hö­he­re Prei­se er­zie­len. Eine Zins­sen­kung kann also dazu bei­tra­gen, dass die De­fla­ti­on be­kämpft wird. So stellt sich wie­der Preis­sta­bi­li­tät ein.

Auch lang­fris­tig wird die Si­che­rung sta­bi­ler Prei­se die wich­tigs­te Auf­ga­be des Eu­ro­sys­tems blei­ben – für eine funk­tio­nie­ren­de Markt­wirt­schaft, nach­hal­ti­ges Wachs­tum, Be­schäf­ti­gung und ge­sell­schaft­li­chen Wohl­stand. Und das über­all, wo die Men­schen mit dem Euro be­zah­len.