Blaue Binärzahlen auf einem PC-Bildschirm ©ninog / fotolia

Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Arbeitsproduktivität Research Brief | 65. Ausgabe – Mai 2024

Der digitale Wandel schafft Möglichkeiten, Arbeitsabläufe und Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Um die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Arbeitsproduktivität zu quantifizieren, wird häufig auf Investitionen in digitale Technologien geschaut. Dieser Blickwinkel vernachlässigt, dass digitale Vorprodukte, wie Mikrochips oder integrierte Software, ebenso einen wichtigen Transmissionskanal für die Effizienzgewinne durch Digitalisierung darstellen. In einer neuen Studie haben Forscherinnen und Forscher der Bundesbank untersucht, wie sich Effizienzgewinne in den Digitalbranchen auf die Arbeitsproduktivität in Deutschland, Frankreich und den USA ausgewirkt haben.

Bisherige Studien zur Wirkung der Digitalisierung auf die Arbeitsproduktivität konzentrieren sich oftmals auf die Rolle von Investitionen in Digitalgüter. Hierzu zählt etwa die Anschaffung von Computern für gewerbliche Zwecke. Digitale Produkte werden jedoch nicht nur als Investitionsgüter verwendet, sondern sind auch wichtige Vorleistungen, wie etwa Mikrochips und integrierte Software. In Deutschland, Frankreich und den USA wird rund die Hälfte der in den Digitalbranchen hergestellten Güter als Vorleistung eingesetzt. Zu den Digitalbranchen zählen dabei neben dem Sektor der Information und Kommunikation auch Sparten des Verarbeitenden Gewerbes, wie beispielsweise der Wirtschaftszweig Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen. In Letzterem werden unter anderem Grafikkarten oder Mikroprozessoren hergestellt.

Tabelle 1: Anteilige Verwendung von Digitalgütern*
 

Deutschland

Frankreich

Vereinigte Staaten

Konsum

0,31

0,26

0,24

Investitionen

0,16

0,17

0,25

Vorleistungsgüter

0,53

0,57

0,51

Analyse sektoraler Effizienzveränderungen in einem Makro-Modell mit Produktionsnetzwerk 

In unserer Studie berücksichtigen wir dies und untersuchen, wie sich Effizienzgewinne in den Digitalbranchen über Produktionsverflechtungen auf die Arbeitsproduktivität in Deutschland, Frankreich und den USA ausgewirkt haben. Die Effizienzfortschritte in einem Wirtschaftszweig werden anhand des Wachstums der totalen Faktorproduktivität (TFP) gemessen. Es erfasst den Teil des sektoralen Produktionswachstums, der nicht auf Veränderungen der eingesetzten Produktionsmittel zurückzuführen ist. Schätzung zeigen, dass das TFP-Wachstum der digitalen Branchen in den letzten Jahrzehnten außerordentlich hoch war (Abbildung 1).

Abbildung 1: Totale Faktorproduktion in digitalen und nicht-digitalen Sektoren
Abbildung 1: Totale Faktorproduktion in digitalen und nicht-digitalen Sektoren

Um die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen dieser Effizienzfortschritte zu quantifizieren, nutzen wir ein dynamisches makroökonomisches Mehrsektorenmodell, in dem die Wirtschaftssektoren durch Produktionsverflechtungen miteinander verbunden sind: Produkte eines Sektors werden nicht nur für den Konsum oder Investitionen genutzt, sondern fließen auch als Vorleistungen in die Produktion anderer Wirtschaftsbereiche ein. Die verschiedenen Vorleistungen können dabei nur begrenzt durch andere ersetzt werden. Die Produktionsströme zwischen einzelnen Wirtschaftszweigen werden auf Basis gesamtwirtschaftlicher Input-Output Tabellen spezifiziert. Letztere enthalten Informationen über die Produktionsverflechtung einer Volkswirtschaft.

Effizienzsteigerungen in den Digitalbranchen wichtig, aber auch deren Verbreitung über digitale Vorleistungen

Im Einzelnen speisen wir zunächst die TFP-Entwicklungen aller Wirtschaftszweige in das Modell ein. Den sich daraus ergebenden Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität vergleichen wir dann mit dem eines kontrafaktischen Szenarios. In diesem wird angenommen, dass es im Untersuchungszeitraum kein TFP-Wachstum in den digitalgüterproduzierenden Wirtschaftssektoren gegeben hat. Der Vergleich zeigt, dass die TFP-Entwicklung der digitalen Branchen einen erheblichen Einfluss auf das gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivitätswachstum hatte. Ohne die Effizienzsteigerungen in diesen Wirtschaftszweigen wäre die Produktivitätswachstumsrate zwischen 1996 und 2020 in den USA um etwa 25 Prozentpunkte niedriger ausgefallen, und das, obwohl die Erzeugung der digitalen Sektoren nur einen vergleichsweise kleinen Teil an der gesamtwirtschaftlichen Erzeugung ausmacht. Ähnliches gilt für Deutschland und Frankreich: Hier hätte sich die Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität um 15 beziehungsweise 11 Prozentpunkte verringert. Die digitale Transformation war somit ein maßgeblicher Treiber der Arbeitsproduktivität in den letzten Jahrzehnten.

Abbildung 2: Bedeutung der Digitalsektoren für die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität
Abbildung 2: Bedeutung der Digitalsektoren für die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität

In einem weiteren Szenario zeigen wir, dass digitale Vorleistungen ein wichtiger Übertragungskanal für die Effizienzgewinne der Digitalbranche sind. Hierbei nehmen wir an, dass digitale Produkte nur für den Konsum oder als Investitionsgut verwendet werden können, nicht aber als Vorleistungen. Abbildung 2 verdeutlicht, dass ohne digitale Vorleistungen das Produktivitätswachstum deutlich geringer wäre.

Die zuvor beschriebenen Simulationsszenarien können auch für andere Wirtschaftsbereiche durchgeführt werden. Dann zeigt sich zwar, dass auch die nicht der Digitalbranche zurechenbaren Sparten des Verarbeitenden Gewerbes sowie die Bereiche Handel und Verkehr maßgeblich zum Wachstum der Arbeitsproduktivität beigetragen haben. Diese Wirtschaftssektoren sind jedoch, gemessen am Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung, deutlich größer als die Digitalbranche. Relativ zur Wirtschaftskraft ist der Einfluss der Digitalbranche auf das gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivitätswachstum überdurchschnittlich hoch. 

Fazit

Die digitale Transformation hatte in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Einfluss auf das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität. Unsere Analysen auf Basis eines multisektoralen Makro-Modells heben hervor, dass ohne die Effizienzgewinne in den digitalen Branchen das Arbeitsproduktivitätswachstum in Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten zwischen 1996 und 2020 nur etwa halb so hoch gewesen wäre. Dabei spielen Produktionsverflechtungen eine zentrale Rolle. Sie sorgen dafür, dass die beachtlichen Effizienzfortschritte der Digitalsektoren über die Wertschöpfungsketten an die Endverbraucherinnen und -verbraucher weitergegeben werden. In welchem Umfang dies erfolgt, hängt neben der Höhe der digitalen Effizienzgewinne entscheidend von der relativen Bedeutung digitaler Vorprodukte ab. Um diese zu steigern, sollte der Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Digitalisierung der Unternehmen in der Breite weiter vorangetrieben werden.

Haftungsausschluss 
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.
Die Autoren
Elisabeth Falck ©Bert Bostelmann
Oke Röhe ©Nils Thies
Johannes Strobel ©Nils Thies
Dr. Elisabeth Falck
Ökonomin im Zentralbereich Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank
Dr. Oke Röhe
Ökonom im Zentralbereich Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank
Dr. Johannes Strobel
Ökonom im Zentralbereich Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank

Neuigkeiten aus dem Forschungszentrum

Veröffentlichungen

  • What Drives Startup Valuations?“ von Björn Imbierowicz (Deutsche Bundesbank) und Christian Rauch (American University of Sharjah) wird im Journal of Banking and Finance erscheinen.
  • Are Tax Cuts Contractionary at the Zero Lower Bound? Evidence from a Century of Data“ von James Cloyne (University of California, Davis), Nicholas Dimsdale (Oxford University) und Patrick Hürtgen (Deutsche Bundesbank) wird im Journal of Political Economy erscheinen.

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