Recht auf Teilzeitarbeit erhöht Arbeitseinkommen von Müttern Research Brief | 64. Ausgabe – April 2024
Flexible Arbeitszeitregelungen können Eltern helfen, familiäre und berufliche Anforderungen miteinander zu vereinbaren. In diesem Zusammenhang untersucht eine neue Studie, wie sich das gesetzliche Recht auf Teilzeitarbeit auf das Arbeitsangebot und das Arbeitseinkommen von anspruchsberechtigten Müttern auswirkt.
In den letzten Jahrzehnten haben viele OECD-Länder Gesetze erlassen, um den Übergang von der Vollzeit- zur Teilzeitbeschäftigung zu erleichtern. So führten sie ein Recht auf Teilzeitarbeit ein, um Familie und Beruf besser vereinbar zu machen und so auch das Arbeitsangebot von Frauen mit kleinen Kindern zu erhöhen – einer Gruppe mit traditionell geringer Erwerbsbeteiligung. Erwerbsanreize sind angesichts des demografischen Wandels wichtig, um das Wachstumspotenzial zu stärken (Jahresgutachten 2023/24, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung).
Die Geburt eines Kindes hat im Durchschnitt einen starken negativen Einfluss auf das Arbeitseinkommen von Frauen im Vergleich zu Männern – die sogenannte child penalty (Kleven et al., 2019). Internationale Studien zeigen, dass familienpolitische Maßnahmen, wie eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs (in Deutschland: Elternzeit) oder der Geldleistungen nach der Geburt (in Deutschland: Elterngeld), häufig ein beabsichtigtes Ziel erreichen, wie zum Beispiel es Eltern zu ermöglichen, nach der Geburt mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Gleichzeitig stellen diese Studien aber häufig einen signifikant negativen oder keinen signifikanten Einfluss auf die Erwerbstätigkeit und entsprechend auf das Arbeitseinkommen von Müttern fest (siehe Olivetti and Petrongolo, 2017 für einen Literaturüberblick). Die geschlechterspezifischen Ungleichheiten bei den Arbeitsmarktergebnissen werden also durch diese Maßnahmen zumindest nicht verringert.
Teilzeitarbeit, Beschäftigung und Einkommen steigen
Eine neue Studie (Paule-Paludkiewicz, 2024) untersucht, wie sich das gesetzliche Recht auf Teilzeitarbeit auf die Arbeitsmarktergebnisse von Frauen nach der Geburt eines Kindes auswirkt. Um diese Frage empirisch zu untersuchen, nutzt das Forschungspapier eine Gesetzesänderung in Deutschland, die erstmals einen generellen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für Arbeitnehmer begründete (§ 8 TzBfG). Das Gesetz, das am 1. Januar 2001 in Kraft trat, erleichterte Arbeitnehmern den Wechsel von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung wesentlich. Außerdem wurde Eltern zeitgleich ein Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit eingeräumt (§ 15 BErzGG). Voraussetzung für das Recht auf Teilzeitarbeit ist, dass der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die empirische Analyse basiert auf Sozialversicherungsdaten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Diese Daten eignen sich besonders gut für die Analyse, da sie Mütter erfassen, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, das heißt jene Mütter, die von dem neuen Recht auf Teilzeitarbeit profitieren konnten. Zusätzlich zu seinem großen Stichprobenumfang (etwa 1,7 Mio. Personen) hat der Datensatz den entscheidenden Vorteil, dass er tagesgenaue Informationen zu den vollständigen individuellen Erwerbsbiografien enthält, sowie präzise Informationen zum Arbeitseinkommen.
Um zu untersuchen, welchen Einfluss die Reform auf die Arbeitsergebnisse von Müttern nach der Geburt hat, verwendet die Studie ein sogenanntes Differenz-von-Differenzen-Regressionsmodell. Dabei werden die Arbeitsmarktergebnisse von Müttern in größeren (anspruchsberechtigten) und kleineren (nicht anspruchsberechtigten) Betrieben vor und nach der Reform verglichen. Dieser empirische Ansatz ermöglicht es, den Effekt der Reform von anderen Faktoren zu isolieren, die die Arbeitsmarktergebnisse von Frauen in kleineren und größeren Betrieben in gleicher Weise beeinflussen (beispielsweise die Konjunktur oder auch allgemeine Trends in den sozialen Normen).
Abbildung 1 links zeigt, dass der Anspruch auf Teilzeit dabei hilft, Frauen mit kleinen Kindern den Zugang zur Teilzeitarbeit zu ermöglichen: so steigt die Wahrscheinlichkeit von anspruchsberechtigten (im Vergleich zu nicht anspruchsberechtigten) Frauen, 2 Jahre nach einer Geburt in Teilzeit zu arbeiten, nach der Reform um 2 Prozentpunkte. Das ist ein Anstieg von 15,7 % gemessen an der durchschnittlichen Teilzeitbeschäftigung von Müttern in größeren Betrieben vor der Reform. Zugleich hat das Gesetz einen positiven Effekt auf das tägliche Brutto-Arbeitseinkommen dieser Mütter, wie aus Abbildung 1 rechts hervorgeht.
Wie lässt sich der Anstieg des Arbeitseinkommens erklären?
Die Literatur zeigt, dass Übergänge von Vollzeit- zu Teilzeitarbeit traditionell häufig mit einem Wechsel des Arbeitgebers einhergehen (Fernández-Kranz et al., 2013) und Frauen in Teilzeitjobs mit einem niedrigeren Qualifikationsniveau wechseln oder wechseln müssen (Connolly und Gregory, 2008). Gemäß der neuen Studie führt das Recht auf Teilzeitarbeit dazu, dass anspruchsberechtigte Mütter nach der Geburt seltener den Arbeitgeber wechseln. Unternehmensspezifische Fähigkeiten und Kenntnisse können somit erhalten bleiben. Zudem arbeiten Mütter mit dem Recht auf Teilzeitarbeit im Vergleich zu Frauen ohne dieses Recht laut der Studie nach der Geburt durchschnittlich in Jobs, die ein höheres Qualifikationsniveau erfordern: Mütter mit dem Recht auf Teilzeitarbeit können in ihren alten Beruf in Teilzeit zurückkehren, verlieren keine berufsspezifischen Kenntnisse und müssen nicht auf verfügbare Teilzeitjobs mit niedrigeren Anforderungen ausweichen.
Zudem hat die Reform wie in Abbildung 2 dargestellt, einen positiven Einfluss auf die längerfristige Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Frauen (48 bis 72 Monate nach der Geburt), was sich wiederum im positiven Arbeitseinkommenseffekt widerspiegelt.
Fazit
Der Anspruch auf Teilzeit führt für anspruchsberechtigte Mütter im Vergleich zu Müttern ohne dieses Recht nach der Geburt dazu, dass sowohl die Teilzeitbeschäftigung als auch das Arbeitseinkommen steigen. Angesichts bestehender geschlechtsspezifischer Ungleichheiten im Arbeitsmarkt nach der Geburt ist diese positive und für familienpolitische Maßnahmen eher seltene Kombination aus einer größeren zeitlichen Flexibilität und einem Anstieg des Arbeitseinkommens für Mütter besonders hervorzuheben.
Haftungsausschluss |
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider. |
Referenzen
- Connolly, Sara and Mary Gregory. 2008. “Moving Down: Women’s Part-Time Work and Occupational Change in Britain 1991–2001.” Economic Journal, 118(526): F52–F76.
- Fernández-Kranz, Daniel, Aitor Lacuesta, and Núria Rodríguez-Planas. 2013. “The Motherhood Earnings Dip: Evidence from Administrative Records.” Journal of Human Resources, 48(1): 169-197.
- Grimm, V., Malmendier, U., Schnitzer, M., Truger, A., & Martin, W. 2023. „Wachstumsschwäche überwinden – In die Zukunft investieren. Jahresgutachten 2023/24“, Jahresgutachten, 2023.
- Kleven, Henrik, Camille Landais, Johanna Posch, Andreas Steinhauer, and Josef Zweimüller. 2019. “Child Penalties across Countries: Evidence and Explanations.” AEA Papers and Proceedings, 109: 122-26.
- Olivetti, Claudia, and Barbara Petrongolo. 2017. “The Economic Consequences of Family Policies: Lessons from a Century of Legislation in High-Income Countries.” Journal of Economic Perspectives, 31(1): 205-30.
- Paule-Paludkiewicz, Hannah. 2024. “Does the Right to Work Part-Time Affect Mothers’ Labor Market Outcomes?” Bundesbank Discussion Paper 12/2024.
Die Autorin |
Hannah Paule-Paludkiewicz Ökonomin im Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank |
Neuigkeiten aus dem Forschungszentrum
Veröffentlichungen
- „What Drives Startup Valuations?“ von Björn Imbierowicz (Deutsche Bundesbank) und Christian Rauch (American University of Sharjah) wird im Journal of Banking and Finance erscheinen.
- „Are Tax Cuts Contractionary at the Zero Lower Bound? Evidence from a Century of Data“ von James Cloyne (University of California, Davis), Nicholas Dimsdale (Oxford University) und Patrick Hürtgen (Deutsche Bundesbank) wird im Journal of Political Economy erscheinen.
Veranstaltungen
- Research Workshop on Numerical Methods in Macroeconomics
22. – 23.10.2024 | Frankfurt am Main
gemeinsam mit The Institute of Monetary and Financial Stability der Goethe Universität
255 KB, PDF
Weiterführende Infornationen
in englischer Sprache