Ein Baum im Klimawandel ©jozsitoeroe / stock.adobe.com

Die Effektivität grüner Sicherheitenpolitik als klimapolitisches Instrument Research Brief | 57. Ausgabe – April 2023

Die Debatte um Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels erstreckt sich zuletzt auch auf Instrumente von Zentralbanken. Dabei wird unter anderem die Vorzugsbehandlung grüner Anleihen in geldpolitischen Operationen der Zentralbank diskutiert. Ein solches Instrument würde die Finanzierungskonditionen emissionsarmer Unternehmen verbessern und somit einen Anreiz für klimafreundliche Investitionen setzen. Eine neue Modellanalyse geht den klimapolitischen und makroökonomischen Folgen einer solchen grünen Sicherheitenpolitik nach und kann lediglich geringe Effekte auf grüne Investitionen identifizieren.

Den menschengemachten Klimawandel zu begrenzen ist eine der größten Herausforderungen der Wirtschaftspolitik in den nächsten Jahrzehnten. Aufgrund der unzureichenden fiskalischen Maßnahmen (beispielsweise CO2-Bepreisung), die aktuell zur Eindämmung des Klimawandels getroffen werden (IPCC Report, 2021), sind zuletzt Forderungen an Investoren im Allgemeinen und an Zentralbanken im Besonderen laut geworden, aktive Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Seit ihrer Strategieüberprüfung 2021 berücksichtigt die Europäische Zentralbank (EZB) klimapolitische Ziele in ihrer Geldpolitik, solange dies nicht dem Primärmandat der Preisstabilität entgegensteht (EZB, 2021). In unserer Studie (Giovanardi et al., 2022) untersuchen wir, ob die Vorzugsbehandlung grüner Anleihen im Sicherheitenportfolio ein geeignetes klimapolitisches Instrument sein kann.

Wir entwickeln ein dynamisches allgemeines Gleichgewichtsmodell, in dem sich Unternehmen entweder mit Eigenkapital und Fremdkapital in Form von Anleihen finanzieren können. Sie entscheiden also über ihre Finanzierungsstruktur. Die Anleihen werden von Banken gehalten, welche diese wiederum als Sicherheiten für kurzfristige Kredite bei der Zentralbank hinterlegen können. Da Anleihen risikobehaftet sind, akzeptieren Zentralbanken Unternehmensanleihen nur mit einem gewissen Abschlag als Sicherheiten. Für eine Bank ist eine Anleihe umso wertvoller, je geringer der Abschlag der Zentralbank ist. Da Banken im Wettbewerb zueinanderstehen, sorgt dies dafür, dass Unternehmen, die Anleihen mit geringen Abschlägen begeben, sich günstiger finanzieren können.

In unserem Modell gibt es zwei Typen von Unternehmen, die Anleihen begeben: konventionelle Unternehmen und grüne Unternehmen. Im Produktionsprozess konventioneller Firmen entstehen Treibhausgase, die durch ihren Beitrag zur Erderwärmung gesamtwirtschaftliche Kosten verursachen. Diese werden aber nicht von Unternehmen, sondern von der Allgemeinheit getragen. Emissionen stellen also eine negative Externalität dar. Im Gegensatz dazu entstehen im Produktionsprozess grüner Firmen keine Treibhausgase.

Wenn die Zentralbank auf Anleihen grüner Unternehmen einen geringeren Abschlag als für Anleihen vergleichbarer konventioneller Unternehmen erhebt, werden grüne Anleihen aus Sicht der Banken lukrativer, sodass die Nachfrage danach steigt. Grüne Unternehmen ändern ihre Kapitalstruktur, begeben mehr Anleihen und erhöhen ihre Investitionen. Der gesamtwirtschaftliche Anteil grüner Investitionen steigt, sodass der Ausstoß von Treibhausgasen fällt. Allerdings steigt auch der Verschuldungsgrad grüner Unternehmen, in dessen Folge das Ausfallrisiko für diese Anleihen steigen kann.

Dieser unerwünschte Effekt auf die Schuldentragfähigkeit liegt bei einer CO2-Steuer nicht vor, da diese lediglich die Attraktivität von Investitionen in entsprechendes Sachkapital beeinflusst, nicht aber die Attraktivität von Anleihen relativ zu Eigenkapitalfinanzierung erhöht. Daher führt eine CO2-Steuer in unserem Modellrahmen zu einem gesamtwirtschaftlich wesentlich besseren Resultat als grüne Sicherheitenpolitik: Sobald Emissionen wohlfahrtsmaximierend gepreist werden, gibt es in unserem Modell kein Argument für eine grüne Sicherheitenpolitik.

Diese Ergebnisse sind qualitativ nicht überraschend. Wir nutzen daher unser Modell, um die Größe dieser Effekte quantitativ abzuschätzen. Unsere quantitative Analyse basiert auf Euroraum-Daten von 2010 bis 2019, die Ergebnisse sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Die Effekte von grünen Abschlägen auf Anleiherenditen, Investitionen und den Verschuldungsgrad
Abbildung 1: Die Effekte von grünen Abschlägen auf Anleiherenditen, Investitionen und den Verschuldungsgrad

Ausgehend von einem Abschlag („haircut“) auf Unternehmensanleihen von 26 Prozent mit fünfjähriger Restlaufzeit und BBB-Rating (grüne Linie), fällt die Rendite auf grüne Anleihen um etwa 20 Basispunkte, wenn der Abschlag auf null reduziert würde (Abbildung 1, links). Als Folge dieser Reduktion der Finanzierungskosten emittieren grüne Unternehmen mehr Anleihen. Im Modell steigen grüne Investitionen nur um etwa 0,6 Prozent, wenn der entsprechende Abschlag auf null Prozent sinkt (Abbildung 1, Mitte). Nicht alle Erlöse einer Anleiheemission werden also investiert: Ein Teil wird für eine Erhöhung der Dividenden genutzt, sodass der Verschuldungsgrad der betroffenen Unternehmen steigt und die Schuldentragfähigkeit sinkt (Abbildung 1, rechts). Dies ist konsistent mit der empirischen Literatur, beispielsweise Grosse-Rueschkamp et al. (2019), Todorov (2020), Macaire und Naef (2022), Eliet-Doilet und Maino (2022) oder Chen et al. (2022).

Da der positive Effekt auf grüne Investitionen den negativen Effekt auf die Schuldentragfähigkeit überwiegt, kann grüne Sicherheitenpolitik in unserem Modell durchaus wohlfahrtssteigernd wirken. Dabei sind jedoch zwei Dinge zu beachten: Erstens sind bei einer unpräzisen Kalibrierung der Abschläge Wohlfahrtsverluste möglich, zum Beispiel, wenn konventionelle Anleihen mit einem derart hohen Abschlag versehen werden, dass die Gesamtmenge an Sicherheiten zu niedrig wird. Zweitens ist der Einfluss einer grünen Sicherheitenpolitik auf den Anteil grüner Investments recht gering: Da in der wohlfahrtsmaximierenden Sicherheitenpolitik die Differenz zwischen grünen und konventionellen Anleihen lediglich 18 Basispunkte beträgt, fällt der Anstieg grüner Investitionen um etwa den Faktor 100 geringer aus als es aus klimapolitischer Sicht erforderlich ist. Der notwendige Anteil grüner Investitionen kann durch eine Vorzugsbehandlung grüner Anleihen im Sicherheitenportfolio gar nicht hervorgerufen werden, da die Abschläge auf grüne Anleihen nicht kleiner als null und die auf konventionelle Anleihen nicht größer als 100 Prozent werden können. 

Unsere makroökonomische Analyse abstrahiert von Anleihen, deren Zahlungsstruktur direkt von Emissionen abhängt (sogenannten sustainability linked bonds). Dies beeinflusst möglicherweise die quantitativen Aussagen über die zu erwartenden Effekte, die qualitativen Aussagen unserer Analyse bleiben davon jedoch unberührt. Weiterhin lassen sich die besprochenen Mechanismen auch auf Anleihekaufprogramme und die Kapitalregulierung von Banken übertragen, da auch hier geldpolitische bzw. regulatorische Instrumente die Nachfrage nach Unternehmensanleihen und -krediten beeinflussen. Zuletzt beschränkt sich die Analyse auf mittelfristige Effekte und diskutiert nicht Implikationen für das Primärmandat der Preisstabilität.

Fazit

Die Vorzugsbehandlung grüner Anleihen im Sicherheitenportfolio der Zentralbank wirkt unter bestimmten Annahmen wohlfahrtssteigernd. Aufgrund unerwünschter Nebeneffekte auf den Verschuldungsgrad grüner Unternehmen ist diese Politik aber ein qualitativ und quantitativ imperfektes Substitut für eine CO2-Besteuerung. Sollten in der aktuell bestehenden Sicherheitenpolitik Transitionsrisiken und physische Risiken konventioneller Unternehmen unterschätzt werden, sollten die Abschläge auf die Anleihen dieser Unternehmen natürlich erhöht werden. Die relative Bevorzugung grüner Anleihen wäre in diesem Fall aber ein Instrument des Risikomanagements der Zentralbank, welches die negativen Effekte auf geldpolitische Operationen vermeiden soll, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden.

Haftungsausschluss 
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

Referenzen

  • EZB Pressemitteilung (2021). ECB presents action plan to include climate change considerations in its monetary policy strategy. 
  • Eliet-Doillet A. und Maino A. (2022). Can Unconventional Monetary Policy Contribute to Climate Action? Unveröffentlichtes Manuskript.
  • Chen H., Chen Z., He Z., Liu J. und Xie R. (2022). Pledgeability and Asset Prices: Evidence from the Chincese Corporate Bond Markets. Journal of Finance, im Erscheinen.
  • Giovanardi F., Kaldorf M., Radke L. und Wicknig F. (2022). The Preferential Treatment of Green Bonds. Bundesbank Discussion Paper Nr. 51/2022.
  • Grosse-Rueschkamp B., Steffen S., Streitz D. (2019). A Capital Strucutre Channel of Monetary Policy. Journal of Financial Economics 133, 357-378.
  • IPCC (2021), Summary for Policymakers. In: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press.
  • Macaire C. und Naef A. (2021). Greening Monetary Policy: Evidence from China. Climate Policy 1-12.
  • Todorov, K. (2019) Quantify the Quantitative Easing: Impact on Bonds and Corporate Debt Issuance. Journal of Financial Economics 135(2), 340-358.
Die Autoren  
Francesco Giovanardi
Matthias Kaldorf
Francesco Giovanardi
Universität zu Köln, Center for Macroeconomic Research
Matthias Kaldorf
Deutsche Bundesbank, Forschungszentrum
Lucas Radke
Florian Wicknig
Lucas Radke
Universität zu Köln, Center for Macroeconomic Research
Florian Wicknig
Bundesbank, Zentralbereich Volkswirtschaft

Neuigkeiten aus dem Forschungszentrum

Veröffentlichungen

  • What Moves Markets?” von Mark Kerßenfischer (Deutsche Bundesbank) und Mike Schmeling (Goethe Universität) wird im Journal of Monetary Economics erscheinen.
  • Leaping into the dark: A theory of policy gambles“ von Kartik Anand (Deutsche Bundesbank), Prasanna Gai (University of Auckland) und Philipp König (Deutsche Bundesbank) wird im Journal of Comparative Economics erscheinen.

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