Operation Center TARGET2-Securities ©Nils Thies

Geringere TARGET2-Zahlungsströme durch EU-Sanktionen gegen Russland Research Brief | 55. Ausgabe – Februar 2023

Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren verschiedene Arten von Finanzsanktionen gegen russische Banken verhängt. Eine neue Studie untersucht, ob diese Maßnahmen die Zahlungsströme in TARGET2 beeinflusst haben.

Die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 veranlasste die Europäische Union (EU) erstmals, Finanzsanktionen gegen Russland zu verhängen. Mitte 2014 beschloss die EU gezielte Maßnahmen sowohl gegen Privatpersonen als auch gegen einzelne russische Kreditinstitute. Infolge der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 verschärfte die EU die bestehenden Sanktionen und weitete sie aus.

Finanzsanktionen zielen im Allgemeinen darauf ab, grenzüberschreitende Finanzaktivitäten eines Ziellandes einzuschränken und über die damit verbundenen wirtschaftlichen Kosten mittelbaren politischen Druck auszuüben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es jedoch wichtig, Sanktionen richtig zu konzipieren und in der Praxis wirksam umzusetzen. Die bestehende empirische Literatur analysiert verschiedene Aspekte von Sanktionen gegen Russland, konzentriert sich aber häufig nur auf Veränderungen im Warenverkehr.

Eine neue Studie untersucht nun die Auswirkungen von Finanzsanktionen auf grenzüberschreitende Zahlungsströme mit der Hilfe von Angaben zu einzelnen Konten, die Banken beim Eurosystem unterhalten. Wir verwenden Daten des Echtzeit-Bruttoabwicklungssystems des Eurosystems, TARGET2. Der Datensatz enthält Informationen über Auftraggeber und Begünstigte einer Euro-Zahlung, einschließlich der Konten der direkten TARGET2-Teilnehmer, sowie Datum und Wert der Transaktion. Somit lassen sich Zahlungen in TARGET2 identifizieren, die von einer russischen Bank initiiert wurden oder für eine russische Bank bestimmt sind und die jeweils über eine Korrespondenzbank in der EU abgewickelt werden.

Dieser Ansatz identifiziert die Auswirkungen von Sanktionen im Vergleich zur bestehenden Literatur eindeutiger: Erstens hat die EU nur wenigen, ausgewählten Banken in Russland restriktive Maßnahmen auferlegt. Daher können wir in einem Land, das Ziel von Sanktionen ist, zwischen sanktionierten und nicht sanktionierten Banken unterscheiden. Zweitens wurden Sanktionen im Laufe der Zeit modifiziert, sodass wir die Auswirkungen verschiedener Arten von Finanzrestriktionen analysieren können. Drittens sind Daten auf täglicher Frequenz verfügbar, was eine höhere Trennschärfe der Analyse ermöglicht. Außerdem sind wir viertens in der Lage, die Auswirkungen der gegen russische Banken verhängten Finanzsanktionen im Jahr 2014 nach der russischen Annexion der Krim und im Jahr 2022 nach der russischen Invasion in der Ukraine zu vergleichen. Die Studie verwendet einen Differenzen-in-Differenzen Schätzer, um den Effekt der Sanktionen zu bewerten. Sie verdeutlicht, wie die Bundesbank mit den bei ihr vorliegenden Mikrodaten zeitnah aktuelle Fragestellungen fundiert untersuchen kann.

Finanzsanktionen in der Praxis

In der Untersuchung werden drei verschiedene Arten von Finanzsanktionen gegen russische Banken unterschieden: Kapitalmarktsanktionen, der SWIFT- Ausschluss sowie Bereitstellungs- und Verfügungsverbote.

Zum Stichtag der Analyse galten gegen neun russische Banken Kapitalmarktsanktionen. Damit geht das Verbot für EU-Marktteilnehmer einher, von den sanktionierten Instituten emittierte übertragbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente zu kaufen, zu verkaufen, Wertpapierdienstleistungen oder Hilfsdienste bei der Begebung zu erbringen oder anderweitig damit zu handeln. Somit können sich diese russischen Banken in der EU nicht mehr über Kapitalmarktinstrumente refinanzieren.

Der SWIFT-Ausschluss verbietet den Austausch von Finanzdaten für den Zahlungsverkehr in SWIFT. Die betroffenen russischen Institute können allerdings weiterhin internationale Überweisungen tätigen, entweder über alternative Zahlungssysteme, so wie das chinesische „Cross-Border Interbank Payment System“ (CIPS), oder über andere sichere Kommunikationswege, wie zum Beispiel sichere Telefax-Leitungen.

Bei einem Bereitstellungs- und Verfügungsverbot werden sämtliche Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren, die im Eigentum oder Besitz von natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen sind, die mit den sanktionierten Instituten in Verbindung stehen. Den Betroffenen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Wohl geringere Zahlungsströme in TARGET2 durch Sanktionen

Die Analyse deutet daraufhin, dass sich die Zahlungsströme in TARGET2 sowohl bei nicht-sanktionierten als auch sanktionierten russischen Banken insgesamt reduzieren. Bei sanktionierten Banken wirkt dieser Effekt jedoch stärker.

Abbildung 1: Tägliche Transaktionen russischer Banken in TARGET2

Abbildung 2: Tägliche Transaktionen russischer Banken in TARGET2

Abbildungen 1 und 2 veranschaulichen für 2014 und für Januar bis Juni 2022 die täglich aggregierten Geldzuflüsse und Geldabflüsse in TARGET2 über die Konten russischer Banken, getrennt nach sanktionierten und nicht-sanktionierten Einheiten. Russische Banken, die von Kapitalmarktsanktionen betroffen sind, tätigten bereits vor der Implementierung der Sanktionen weniger Zahlungen in TARGET2. Der Unterschied zu nicht-sanktionierten russischen Banken fällt anschließend noch größer aus. Darüber hinaus versiegten die Geschäftsaktivitäten in TARGET2 fast vollständig, sobald eine Bank von SWIFT ausgeschlossen wurde oder von einem Bereitstellungs- und Verfügungsverbot betroffen war.

Die empirischen Schätzungen zeigen, dass Finanzsanktionen die Mittelzuflüsse auf und die Mittelabflüsse von Bankkonten sanktionierter russischer Banken im Vergleich zu Konten nicht-sanktionierter russischer Banken senkten. Die Maßnahmen wirkten 2022 stärker als 2014. Dies liegt daran, dass 2022 härtere Maßnahmen (SWIFT-Ausschluss sowie Bereitstellungs- und Verfügungsverbote) implementiert wurden. Der SWIFT-Ausschluss scheint die stärksten Effekte auf die Zahlungsströme in TARGET2 aufzuweisen.

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist einschränkend zu berücksichtigen, dass TARGET2 nur einen Teil des internationalen Zahlungsverkehrs repräsentiert. Auch nach einem SWIFT-Ausschluss können russische Banken weiterhin über alternative Kommunikationskanäle oder andere Zahlungssysteme, wie etwa das chinesische CIPS, internationale Zahlungen tätigen. Wir untersuchen zudem keine Ausweichreaktionen und können sie daher nicht komplett ausschließen.

Fazit

Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Finanzsanktionen die Zahlungsströme in TARGET2 senken, wobei der SWIFT-Ausschluss am stärksten wirkt. Dieser Effekt ist 2022 stärker als 2014. Etwaige Ausweichreaktionen sind jedoch nicht Teil dieser Analyse.

Haftungsausschluss 
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider.

Referenzen

  • Drott C., S. Goldbach und V. Nitsch (2022): “The Effects of Sanctions on Russian Banks in TARGET2 Transactions Data”, Deutsche Bundesbank Discussion Paper No 38/2022.
Die Autoren    
Christian Drott ©Bert Bostelmann
Constantin Drott
Stefan Goldbach ©Nils Thies
Volker Niitsch ©TU Darmstadt
Constantin Drott
Ökonom im Zentralbereich Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme der Deutschen Bundesbank

Stefan Goldbach
Ökonom in Zentralbereich Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank

Volker Nitsch
Professor und Leiter des Fachgebiets VWL, Internationale Wirtschaft, Technische Universität Darmstadt

Neuigkeiten aus dem Forschungszentrum

Veröffentlichungen

  • What Drives Startup Valuations?“ von Björn Imbierowicz (Deutsche Bundesbank) und Christian Rauch (American University of Sharjah) wird im Journal of Banking and Finance erscheinen.
  • Are Tax Cuts Contractionary at the Zero Lower Bound? Evidence from a Century of Data“ von James Cloyne (University of California, Davis), Nicholas Dimsdale (Oxford University) und Patrick Hürtgen (Deutsche Bundesbank) wird im Journal of Political Economy erscheinen.

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