Effekte einer international koordinierten CO2-Bepreisung auf Wirtschaft und Wohlfahrt Research Brief | 49. Ausgabe – Juni 2022
Der Klimawandel stellt eine weltweite, große Herausforderung dar. Deswegen ist internationale Kooperation in der Klimapolitik wichtig. Dies zeigt auch eine neue Studie. Sie untersucht die makroökonomischen Effekte, die von einer CO2-Bepreisung ausgehen. Dabei werden verschiedene Szenarien betrachtet, in denen Regionen, wie Europa und Nordamerika allein oder gemeinsam einen CO2-Preis einführen, jeweils mit und ohne Grenzausgleichssteuer.
Viele Länder einigten sich im Pariser Klimaschutzabkommen im Dezember 2015 auf ambitionierte Klimaziele. Um diese zu erreichen, werden aktuell verschiedene Politikmaßnahmen diskutiert. Dazu zählen unter anderem die Einführung eines CO2-Preises und eine Grenzausgleichssteuer, um „Carbon Leakage“, das heißt die Verlagerung der Produktion von „schmutzigen“ Gütern in Regionen ohne CO2-Preis, zu begrenzen. Außerdem wird internationale Kooperation bei der Klimapolitik angestrebt. Etwa durch einen Zusammenschluss von Regionen zu einem „Klimaclub“ im Sinne von Nordhaus (2015), d. h. mit einem einheitlichen CO2-Preis und einer Grenzausgleichssteuer. Aber wie gut eignen sich diese Maßnahmen?
Das Modell
In unserer Studie (Ernst et al., 2022) nutzen wir das in der Bundesbank entwickelte „Environmental Multi-Sectoral“ (EMuSe) - Modell, um die wirtschaftlichen Effekte dieser Politikmaßnahmen zu skizzieren. EMuSe ist ein makroökonomisches Modell mit drei Regionen und multisektoraler Produktionsstruktur. Neben ökonomischen Schlüsselgrößen enthält es auch klimabezogene Variablen wie etwa CO2-Emissionen. Die Regionen bilden grob Europa, Nordamerika (mit Australien) sowie den Rest der Welt ab. Auf der Produktionsseite modellieren wir elf Wirtschaftssektoren. Diese unterscheiden sich in ihrer Größe, ihrem Einsatz von Kapital, Arbeit und Vorleistungsprodukten sowie in ihren Emissionsintensitäten während der Produktion. Unternehmen können in Emissionsminderung investieren und tun dies je nach CO2-Preis und Minderungskosten. Durch die hohen weltweiten CO2-Emissionen kommt es über den Klimawandel und physische Schäden zu ökonomischen Schäden, die die Produktivität reduzieren.
Simulationen zu verschiedenen klimapolitischen Maßnahmen
Wir simulieren fünf diskutierte Politik-Szenarien:
- Nur Europa führt einen CO2-Preis ein.
- Nur Europa führt einen CO2-Preis und eine Grenzausgleichssteuer auf Importe gegenüber Nordamerika und dem Rest der Welt ein.
- Europa und Nordamerika führen einen CO2-Preis ein.
- Europa und Nordamerika führen einen CO2-Preis und eine Grenzausgleichssteuer gegenüber dem Rest der Welt ein (Klimaclub-Szenario nach Nordhaus (2015)).
- Alle Regionen führen einen CO2-Preis ein (globale CO2-Bepreisung).
Basierend auf NGFS (2021) unterstellen wir dabei, dass der CO2-Preis in der jeweiligen Region bis zum Jahr 2100 um das 13-fache steigt und danach konstant bleibt. Die Grenzausgleichssteuer wird in Höhe des inländischen CO2-Preises auf den geschätzten Emissionsgehalt von Importen erhoben; Exporte werden nicht freigestellt. Auf praktische und politische Herausforderungen bei der Umsetzung der betrachteten Politikszenarien gehen wir nicht ein.
Kurzfristige Verluste und mögliche langfristige Gewinne durch CO2-Bepreisung
Abbildung 1 zeigt die Effekte auf ausgewählte Größen in den drei Regionen unter den Szenarien 1 bis 4 (relative Abweichung zur Ausgangssituation). Die Effekte von Szenario 5 entsprechen qualitativ denen aus Szenario 4. Sie fallen jedoch deutlich größer aus und sind nicht abgebildet, um die übrigen Szenarien übersichtlicher darzustellen.
Regionen, die einen CO2-Preis einführen, erleiden zunächst gesamtwirtschaftliche Verluste und holen im Verlauf wieder auf. Die Verluste ergeben sich, weil die Produktionskosten steigen und die Produkte relativ zu denen der anderen Regionen teurer werden. Höhere Preise reduzieren die Nachfrage und das Einkommen, so dass der Konsum fällt. Gleichzeitig sinken die Emissionen durch den gestiegenen CO2-Preis. In der Folge verringert sich der ökonomische Schaden, so dass die Produktivität steigt. Andere Regionen ohne CO2-Preis profitieren unmittelbar durch positive Handelseffekte (und mittelbar durch sinkende Emissionen). Gleichzeitig verlagert sich ein Teil der im Inland eingesparten CO2-Emissionen ins Ausland (Carbon Leakage).
Die Grenzausgleichssteuer verändert diese Handelseffekte nur geringfügig, denn der daraus resultierende relative Preisanstieg für ausländische Güter ist eher klein (siehe zweites oder viertes Szenario). Carbon Leakage wird durch die Grenzausgleichsteuer somit kaum verhindert. Würden Exporte vom Inland in das Ausland von der CO2-Abgabe befreit oder ein sehr viel höherer Steuersatz gewählt, könnte dieser Effekt jedoch größer ausfallen. Beteiligt sich neben Europa auch Nordamerika an der CO2-Bepreisung, gehen die weltweiten Emissionen deutlich stärker zurück (drittes und viertes Szenario). Dann sinken die Verluste weltweit, und der Aufholprozess setzt früher ein. Zudem wird ein höheres langfristiges Produktionsniveau erreicht.
Umverteilung zwischen den Regionen könnte globalen CO2-Preis ermöglichen
Die Analyse zeigt, dass ein ökonomischer Anreiz besteht, sich nicht an einer CO2-Bepreisung zu beteiligen. Es entstehen dann nämlich positive Handelseffekte, und zunächst werden gesamtwirtschaftliche Verluste vermieden. Wohlfahrtsverluste aus einer CO2-Bepreisung wären insbesondere im Rest der Welt mit einem relativ gesehen niedrigen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sehr hoch. Im Rahmen des Modells kann ein Gleichgewicht gefunden werden, in dem über die Zeit alle Regionen von einer globalen CO2-Bepreisung profitieren. Dazu müssen die reicheren Regionen einen Teil ihrer Wohlfahrtsgewinne durch den globalen CO2-Preis beispielsweise über direkte Transfers oder CO2-Preisdifferenzierung abtreten. Die konkrete Quantifizierung insbesondere von Wohlfahrtsfunktionen ist in einer solchen Modellanalyse aber naturgemäß mit erheblicher Unsicherheit verbunden.
Fazit
Unsere Modellsimulationen zeigen, dass sowohl umweltpolitisch als auch ökonomisch die positiven Effekte einer CO2-Bepreisung umso größer ausfallen, je mehr Regionen sich anschließen. Grenzausgleichssteuern auf Importe (allein) können negative Handelseffekte nur in begrenztem Umfang verhindern. Daher reduzieren sie Carbon Leakage nur mäßig. Der Anreiz sich an der CO2-Bepreisung zu beteiligen, ist insbesondere für ärmere Regionen gering. Für reichere Regionen kann es vorteilhaft sein, ärmere Regionen für eine Teilnahme zu vergüten.
Haftungsausschluss |
Die hier geäußerten Ansichten spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems wider. |
Referenzen
- Ernst, A., N. Hinterlang, A. Mahle & N. Stähler (2022). Carbon Pricing, Border Adjustment and Climate Clubs: An Assessment with EMuSe. Discussion Paper, Deutsche Bundesbank, 25/2022.
- NGFS (2021). NGFS Climate Scenarios for Central Banks and Supervisors. Technical Report June 2021, Network of Central Banks and Supervisors for Greening the Financial System.
- Nordhaus, W. (2015). Climate Clubs: Overcoming Free-Riding in International Climate Policy. American Economic Review 105 (4), 1339-1370.
Die Autoren |
Anne Ernst Natascha Hinterlang Alexander Mahle Nikolai Stähler |
Neuigkeiten aus dem Forschungszentrum
Veröffentlichungen
- „What Drives Startup Valuations?“ von Björn Imbierowicz (Deutsche Bundesbank) und Christian Rauch (American University of Sharjah) wird im Journal of Banking and Finance erscheinen.
- „Are Tax Cuts Contractionary at the Zero Lower Bound? Evidence from a Century of Data“ von James Cloyne (University of California, Davis), Nicholas Dimsdale (Oxford University) und Patrick Hürtgen (Deutsche Bundesbank) wird im Journal of Political Economy erscheinen.
Veranstaltungen
- Research Workshop on Numerical Methods in Macroeconomics
22. – 23.10.2024 | Frankfurt am Main
gemeinsam mit The Institute of Monetary and Financial Stability der Goethe Universität
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