Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung in Europa – heute und morgen oder: Zwischen Resilienz und Innovation Begrüßung zum Empfang der Bundesbank in der Hauptverwaltung Frankfurt

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich zum jährlichen Empfang für unsere Partner im Bereich Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich freuen uns sehr, dass Sie heute Abend zu uns gekommen sind. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um uns mit Ihnen in lockerer Atmosphäre nach Feierabend bei gutem Essen und dem einen oder anderen Getränk auszutauschen. Vielen Dank, Frau Rutzka-Hascher, dass der Empfang auch in diesem Jahr im schönen Ambiente Ihrer Hauptverwaltung stattfinden kann.

Ich habe Ihnen in den vergangenen Jahren regelmäßig über den neuesten Stand von TARGET2-Securities (T2S) berichtet. T2S ist das mit Abstand größte Marktinfrastruktur-Projekt des Eurosystems. Tatsächlich ist T2S bislang ein voller Erfolg. Das bestätigen Marktteilnehmer, die von einer einfacheren Abwicklung zu geringeren Kosten reden – insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Die Migration des deutschen Marktes im Frühjahr 2017 ist ein weiterer, wichtiger Meilenstein – ein "großer Brocken", der das in T2S abgewickelte Volumen verdoppeln wird. Mit Blick auf dieses Ereignis haben wir den kurzen Film drehen lassen, den Sie gerade gesehen haben. Ich bin mir sicher, dass der Film dazu beitragen wird, hierzulande die Aufmerksamkeit stärker auf das zukunftsweisende Projekt T2S zu lenken.

1 Zur Bedeutung von Resilienz und Innovation

Meine einleitenden Bemerkungen tragen den Untertitel "Zwischen Resilienz und Innovation". Dieses Begriffspaar bezeichnet wie kaum ein anderes das Spannungsfeld, in dem wir im Bereich Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung tätig sind.

Was meine ich nun mit diesen zwei Begriffen?

Lassen Sie mich als erstes auf Resilienz eingehen, ganz allgemein gesprochen ist damit Widerstandsfähigkeit gemeint. Es geht um die Fähigkeit von Personen, Organisationen und technischen Systemen, externe Schocks auszuhalten und sich an neue wirtschaftliche oder politische Bedingungen anzupassen.

Resilienz stammt vom lateinischen Verb "resilire", was man mit "zurückspringen" übersetzt werden kann. Ein Unternehmen oder ein technisches System ist demnach resilient, wenn es durch einen externen Schock nicht dauerhaft "aus der Bahn geworfen wird", sondern in der Lage ist, in die richtige Spur zurückzukehren.

Resilienz ist daher für den Zahlungsverkehr und die Abwicklungssysteme sowie für die daran teilnehmenden Banken von größter Bedeutung. Die Finanzkrise hat uns dies allzu deutlich vor Augen geführt. Aber mittlerweile geht es nicht nur um finanzielle, sondern auch um operative Risiken.

Nun komme ich zum zweiten Begriff, der Innovation. Innovation stammt vom lateinischen Wort "innovare", welches "erneuern" bedeutet. Erneuern heißt, etwas Neues zu schaffen, das den Marktteilnehmern – und damit meine ich auch unsere Kunden und Partner – einen ökonomischen Nutzen stiftet oder das technische System verbessert.

Wie Sie alle wissen, sind die Bereiche Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung ganz besonders betroffen von der rasanten technologischen Entwicklung, mit positiven wie negativen Folgen. Technische Innovationen können Systeme schneller, zuverlässiger und widerstandsfähiger machen. Hochtechnologische Systeme sind aber auch potenziell anfällig für Störungen oder gar Angriffe.

2 "Cyber-Resilience"

Das Stichwort in diesem Zusammenhang lautet daher "Cyber-Resilience", also die Widerstandsfähigkeit von Systemen der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Hand aufs Herz, wer von Ihnen, meine Damen und Herren, hatte bis Februar dieses Jahres schon einmal einen Artikel über die Notenbank von Bangladesch gelesen? Nun, ich vermute die wenigsten. Ab Februar jedoch haben internationale Medien verstärkt über die Notenbank von Bangladesch berichtet.

Was war geschehen?

Bei einem der größten virtuellen Angriffe aller Zeiten hatten Cyber-Kriminelle die Sicherheitssysteme der Zentralbank von Bangladesch geknackt. Die Hacker verschafften sich Zugang zu den internen Systemen der Bank, vor allem der Software, die die Verbindung zum SWIFT-System herstellt. Anschließend überwiesen sie fast eine Milliarde US-Dollar von Konten der Notenbank von Bangladesch bei der Federal Reserve Bank of New York. Via SWIFT ging diese enorme Summe in Länder wie Sri Lanka und die Philippinen. Dort sollte das Geld dann abgehoben werden. Glücklicherweise wurden die meisten der Transaktionen blockiert, doch von den über 80 Millionen Dollar, die an eine Bank auf den Philippinen überwiesen wurden, konnte bisher nur ein Bruchteil sichergestellt werden.

Die Cyber-Kriminellen benutzten maßgeschneiderte Programme, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. So wurde etwa der Drucker, der normalerweise sämtliche SWIFT-Transaktionen ausdruckt, sehr präzise sabotiert. Erst einige Tage später konnte diese sogenannte "Malware" entfernt werden, woraufhin durch Ausdrucke dutzende betrügerische Transaktionen belegt wurden, die sich in Ausführung befanden und die die Mitarbeiter der Zentralbank nun versuchten zu stoppen.

Der Schaden wäre womöglich noch größer gewesen, wenn die Cyber-Kriminellen nicht das englische Wort für Stiftung, also "foundation", in mehreren Transaktionen falsch geschrieben hätten. Manchmal reicht eben noch so großes technisches Know-how nicht aus. Zum Glück!

Meine Damen und Herren, unsere Zahlungsverkehrs- und der Wertpapierabwicklungssysteme in Europa sind sicher und resilient. Dennoch arbeiten wir laufend daran, sie noch zuverlässiger und schneller zu machen.

Instant Payments

Besonders im Zahlungsverkehr zieht das Innovationstempo deutlich an. Die Maßstäbe des SEPA-Zeitalters gelten längst nicht mehr. Bei SEPA hat es 15 Jahre gedauert, bis aus "der Vision Wirklichkeit" wurde. Nun aber kommen immer mehr FinTechs auf den Markt, die zeigen, wie neue digitale Services funktionieren können. Und manchmal zeigen sie auch, wie schnell aus einem FinTech eine Bank werden kann, die mit neuer Infrastruktur und mithilfe anderer FinTechs in wenigen Monaten ein neues, fast komplettes kreditwirtschaftliches Angebot flexibel und modular zusammenstellen kann.

Um mit diesem Tempo Schritt zu halten, gilt es für die etablierten Anbieter ihre Services nicht nur attraktiver digital zu präsentieren, sondern auch neue Angebote zu entwickeln. Und dazu kam schnell eine Debatte, die viele lieber auf die lange Bank geschoben hätten. Die Rede ist von Instant Payments. Das ERPB (Euro Retail Payments Board) brachte das Thema Instant Payments erstmals vor zwei Jahren auf.

Es geht dabei um bargeldlose Zahlungen von jetzt auf gleich, jederzeit. Zahlungen mit dem Smartphone von Kunden an Händler an der Ladenkasse, im Internet und zwischen Privatpersonen. Das ist die Idee von Instant Payments. Wer Anschauungsunterricht benötigt, kann sich beispielsweise in Dänemark, Schweden oder Großbritannien umsehen. In Dänemark etwa ist eine Instant Payment App schon auf neun von zehn Smartphones installiert.

Und nun sieht es so aus, als ob wir im Euro-Raum schon im nächsten Jahr die ersten Instant Payments in Euro durchführen können. Es gibt ein Rulebook, es gibt Banken, die solche Zahlungen anbieten wollen und es gibt Clearinghäuser, die den Banken die Abwicklung anbieten möchten. Wie das Zusammenspiel zwischen diesen Clearinghäusern organisiert werden soll, ist jedoch noch nicht geklärt.

Doch inzwischen – das ist mein Eindruck –, ist allen Kreditinstituten klar geworden, dass sie keine Zeit verlieren dürfen, Instant Payments anzubieten. Denn die gefühlte Real-Time-Abwicklung einer Zahlung mithilfe einer App und der sofortigen Verfügbarkeit des Geldes für den Zahlungsempfänger wäre ein echtes Asset im Angebotsportfolio der Kreditwirtschaft.

Instant Payments haben das Potenzial unsere Zahlungsgewohnheiten langfristig zu verändern. Am Anfang geht es vielleicht nur um die Kleinbetragszahlung, die wir uns gegenseitig zusenden, wenn wir uns die Rechnung im Restaurant teilen. Der Anfang wäre sicher nur ein Nischenprodukt, das aber durchaus die Fantasie der Anwender weckt. Ich weiß, dass auch der Handel in Deutschland darüber nachdenkt, wie Instant Payments für die Nutzung an der Ladenkasse eingesetzt werden kann.

Auch im Unternehmenssektor ist das Thema angekommen. Während vor zwei Jahren Corporate Treasurer noch keinen Bedarf sahen, hört man heute ganz andere Reaktionen. Zahlung direkt bei Lieferung etwa, wäre in vielen Fällen doch nicht schlecht.

Die Debatte hat sich also erweitert und beschleunigt. Die anfängliche Sorge der Kreditwirtschaft, ob es bei Instant Payments überhaupt einen Business Case gibt, hört man weniger. Vor diesem Hintergrund bin ich optimistisch, dass wir in einigen Jahren auch im Euro-Raum dort ankommen, wo unsere Nachbarn im Norden heute schon sind.

4 Schluss

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, werden wir uns auch weiterhin im Spannungsfeld zwischen Resilienz und Innovation bewegen. Anfang nächsten Jahres wird der deutsche Markt mit der Migration von Clearstream auf TARGET2-Securities allerdings eine wirklich herausragende Innovation erleben.

Wir freuen uns, dass Sie, unsere Partner, heute zum gegenseitigen Austausch gekommen sind.

Ich wünsche Ihnen nun einen schönen Abend und gute Gespräche.