Verabschiedung aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank Rede anlässlich der Amtswechselfeier in der Zentrale der Deutschen Bundesbank

Es gilt das gesprochene Wort.

Lieber Herr Präsident Dr. Weidmann,
Frau Vizepräsidentin,
meine Herren Kollegen im Vorstand,
lieber Herr Bauer,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

würde ich Sie heute, so wie es Ihnen und Ihren Funktionen gebührt, alle persönlich begrüßen, wäre ich wohl in einer halben Stunde noch bei meiner Eröffnung. Ich sehe Frau Lautenschläger als Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, Alt-Bundesbankpräsidenten, hochrangige Vertreter der deutschen Bankenlandschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Ihr aller Kommen berührt und freut mich von Herzen; sehen Sie es mir daher nach, wenn ich Sie nun ganz allgemein anspreche: LIEBE GÄSTE.

In den vergangenen Jahren habe ich meist völlig entspannt an Abschiedsveranstaltungen teilgenommen. Heute werde ich nun selbst verabschiedet.

Wie packt man nun seine eigene Abschiedsrede an? Franz-Christoph Zeitler, unser ehemaliger Vizepräsident, sprach bei seiner Verabschiedung von drei gängigen Redemodellen:

  • Der "Vermächtnisrede";

  • der "Klarstellungsrede" und

  • der "Selbstbelobigungsrede".

Er hat keine davon gehalten. Auch ich werde dies nicht tun.

Sie hören von mir keine Ratschläge, wie die Zukunft der Deutschen Bundesbank aussehen könnte. Ich beschränke mich auf wenige Erinnerungen, die sich mir besonders eingeprägt haben und auf das Wichtigste: Worte des Dankes!

Ich will auch dem Raum verschaffen, was heute im Vordergrund stehen sollte. Mein Mentor, Ministerpräsident Erwin Teufel, der uns heute die Ehre seiner Anwesenheit gibt, zitiert gerne einen Satz von Martin Buber: "Alles Wichtige im Leben ist Begegnung". Buber meinte ganz sicher nicht die distanzierte Begegnung des Redners mit dem Auditorium, sondern vielmehr das ganz persönliche Zwiegespräch. Auf heute bezogen: Er meinte alle unsere Begegnungen am heutigen Tag.

Um es ganz offen zu sagen: Glück hatte ich schon mit meiner Bestellung in den Vorstand der Deutschen Bundesbank. Bis 2007 wähnte ich mich als Chef der Staatskanzlei in Stuttgart am Ziel meiner beruflichen Träume. Aber dann folgte noch diese Herausforderung als letzte Station eines langen Berufslebens. Das hieß für mich: Etwas völlig Neues beginnen; das Gehirn durchpusten!

Nicht in den kühnsten Träumen hätte ich mir zuvor ausgemalt, einmal für diese großartige Institution arbeiten zu dürfen. Aber im Nachhinein gesehen, gab es doch zumindest zwei kleine Winke des Schicksals: 1972 wählte ich als Hausarbeit für den Volkswirtschaftsschein im Rahmen des Jura-Studiums das Thema: "Aufgaben der Bundesbank in der Währungspolitik". Und 2000/2001 beschäftigte ich mich als Chef der Staatskanzlei intensiv mit der Strukturreform der Bundesbank.

Meinen Brief vom 20. März 2001 an die Deutsche Bundesbank, mit dem ich mich "mannhaft" für den Erhalt der Landeszentralbank in Stuttgart einsetzte und mich sehr deutlich gegen die Aushöhlung der Kompetenzen der Landeszentralbanken aussprach, habe ich neulich in der Bundesbankregistratur wiedergefunden. Aus den zu diesem Brief angelegten Rand-Notizen des Hauses war allerdings zu entnehmen, dass sich die Begeisterung über meinen Appell in Grenzen hielt.

Bezogen auf diesen Aspekt habe ich 2007 quasi die Fronten gewechselt. In solchen Situationen fallen einem die weisen Worte von Bischof Remigius von Reims anlässlich der Taufe des Merowinger Königs Chlodwig I. im fünften Jahrhundert ein, der sagte: "Bete an, was du verbrannt hast - verbrenne, was du angebetet hast."

Natürlich bin ich 2007 dann sehr rasch ein richtiger Bundesbanker geworden, und dies, ohne meine föderative Gesinnung zu verbrennen. Ich habe mich - das haben mir die neun Hauptverwaltungspräsidenten testiert - dafür eingesetzt, dass unseren Hauptverwaltungen in der Fläche wieder verstärkt die Wertschätzung zukommt, die ihnen gebührt.

Mit meiner Bestellung in den Vorstand, meine Damen und Herren, hatte ich aber noch aus einem anderen Blickwinkel Glück: Denn ich durfte im Vorstand der Bank in einer Zeit mitarbeiten, die mit die spannendste Zeit in der jüngeren Geschichte der Bundesbank gewesen sein dürfte.

Mein Dienstantritt war am 16. Juli 2007. Als besonderen Willkommensgruß durfte ich die Reportage des Spiegels vom 9. Juli 2007 anlässlich des 50. Geburtstages der Bank allerdings nicht gerade auffassen. Der Spiegel schrieb: "Ein Mythos löst sich auf. Die Bundesbank, deren Hauptgebäude die Leichtigkeit eines umgefallenen Panzerschranks verströmt, war einst die Sakristei des Wirtschaftswunders. Doch mit dem Euro kam auch die Angst vor drohender Bedeutungslosigkeit." Und dann: Elf Tage nach meinem Dienstantritt das Fanal der Nachrichten über die IKB. Seit diesem Tag und während meiner gesamten Amtszeit ist die Krise in immer neuen Gewändern erschienen: Bankenkrise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise und so weiter und so fort.

Lieber Herr Weidmann, Sie haben vorhin schmunzelnd formuliert, dass mit mir die Krise kam. Etwas zu viel der Ehre, was meinen Einfluss betrifft. Hätte ich diesen, würde ich heute die Krise für beendet erklären.

Regelrecht eingebrannt haben sich bei mir die Monate ab dem 15. September 2008, dem Tag der Pleite von Lehman Brothers. Die Welt begriff, dass viel mehr passiert war, das nicht nur einige Banker und Gläubiger betraf, sondern jeden Einzelnen persönlich.

Mit bangem Herzen nahm ich wahr, wie die Angst unaufhaltsam von der zwölften Etage der Bank nach unten kroch, in den "Maschinenraum" der Bank. Zuerst tagte der Krisenstab tagsüber, dann war er auch nachts aktiv und selbst an Wochenenden waren bis zu 200 Bundesbankerinnen und Bundesbanker im Haus und legten Sonderschichten ein.

Bei aller Dramatik: Schlussendlich hatten die Krisen für die Bundesbank auch etwas Gutes. Das nach der Strukturreform angeschlagene Selbstbewusstsein wurde erstmals in den Tagen von Lehman und HRE wieder durch ein neues "Wir-Gefühl" ersetzt.

Aber vor allem durch die strategische Neuausrichtung der Bank ist es gelungen, das Profil der Bank als stabilitätsorientiere, unabhängige Institution zu schärfen. Außerdem kamen neue Aufgabenschwerpunkte und Herausforderungen hinzu. Die Deutsche Bundesbank wird in der Bevölkerung und in den Medien im nationalen und auch internationalen Kontext seither wieder anders wahrgenommen als noch vor Jahren.

Und ich hatte ein drittes Mal Glück: Von 2009 bis 2011 gab es regen Personalwechsel im Vorstand. Nicht von ungefähr kam deshalb in der Zeitung "Die Welt" im April 2011 der scherzhafte Hinweis, dass ich als altgedientes Vorstandsmitglied auf eine "enorme" Dienstzeit von 47 Monaten zurückblicken dürfe, während die anderen fünf Vorstandsmitglieder zusammen auf gerade 33 Monate kämen.

Der starke Wechsel begünstigte natürlich meine Absicht, den sogenannten Innenbereich der Bank zu konsolidieren. Es entstand eine Struktur, die zu meiner bisherigen, beruflichen Erfahrungswelt ganz einfach passte. Ob das für die Bank nun im Ergebnis gut oder schlecht war, möchte ich nicht kommentieren. Ich danke aber an dieser Stelle Ihnen, Herr Bauer, für Ihre freundlichen Worte mit Blick auf meine Tätigkeit im Haus - für das Haus.

Die Beendigung meiner Arbeit in der Bundesbank fällt mit der Beendigung meiner über 50-jährigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst zusammen. Herr Präsident Weidmann hat es bereits erwähnt: Ich durfte diese Berufstätigkeit in dreizehn Stationen erleben, wobei die letzte bei der Bundesbank mit siebeneinhalb Jahren meine längste war.

Der Bogen spannt sich weit: Von Kassenprüfungen 1963 als Verwaltungskandidat in 300-Seelen-Dörfern, wobei es um einige tausend D-Mark ging. Nebenbei: Hier kam es auf die Fähigkeiten im Addieren von langen Zahlenkolonnen - natürlich ohne Taschenrechner - an. Aber im Winter noch mehr auf das Talent, mit Holzscheiten und Briketts einen eiskalten Ratssaal rasch aufzuheizen. Heinrich Haasis, der mit mir zusammen die Ausbildung begann, könnte sicher ähnliches berichten. Und am anderen Ende des Bogens stand die Präsentation eines Jahresabschlusses der Bundesbank, als im Vorstand für die Rechnungslegung Verantwortlicher, mit einer Bilanzsumme von rund einer Billion Euro.

Alle Stationen vor der Bundesbank habe ich in guter Erinnerung behalten, besonders natürlich diejenigen, bei denen ich besondere Verantwortung tragen durfte. Als Amtschef des Wissenschaftsministeriums - ich freue mich, dass mein damaliger Minister, Klaus von Trotha, unter den Gästen weilt - und als Chef der Staatskanzlei - hier freue ich mich, dass Minister a. D. Christoph Palmer zusammen mit Weggefährtinnen und Weggefährten, darunter Regierungspräsident Hermann Strampfer und Rechnungshofpräsident Max Munding, gekommen sind.

Ich gebe ganz freimütig zu, dass mein Weg arbeitsreich war. Die 40-Stunden-Woche hatte ich manchmal schon am Mittwoch-Abend erreicht. So mancher Beobachter glaubte, mich vor mir selbst schützen zu müssen und versuchte mir zu suggerieren, dass ich am Ende diesen Arbeitseinsatz bereuen würde. Weit gefehlt! Am besten lässt sich meine Einstellung mit dem Zitat des indischen Nobelpreisträgers Tagore beschreiben. Er sagte: "Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht war Freude."

Meine Berufsabschnitte waren durch viele Gemeinsamkeiten geprägt. Nur eine davon möchte ich erwähnen: Professor Bernd Konrad, einer der profiliertesten Jazzer Deutschlands, gestaltet heute mit dem Pianisten Paul Schwarz den musikalischen Rahmen. Ihn habe ich bereits in den 1990ern bei Reisen in die USA kennengelernt. Heute spielt er nun schon bei meiner dritten Verabschiedung. Ohne das wunderschöne "Take five" ging es für mich auch heute nicht. Denn die "fünf" ist in meinem Berufsleben eine wichtige Zahl. Zuletzt wieder symbolisiert durch die beiden 5-Jahres-Verträge mit der Deutschen Bundesbank.

Nun möchte ich zu meinem wichtigsten Anliegen kommen: Ich empfinde heute eine tiefe Dankbarkeit!

Dankbarkeit dafür, dass Sie heute alle gekommen sind, an der Spitze die ehemaligen Bundesbankpräsidenten Schlesinger, Tietmeyer und Welteke. Mein Dank gilt dem ehemaligen Präsidenten, Professor Weber, wie dem amtierenden Präsidenten, Dr. Weidmann, den beiden Vizepräsidentinnen Frau Lautenschläger und Frau Professorin Buch sowie allen Vorstandskollegen meiner Amtszeit. Sie alle haben mir ihr Vertrauen geschenkt.

Es erfüllt mich auch mit Dankbarkeit, wie sympathisch mich die Banken-Community Frankfurts, die Spitzenverbände der deutschen Finanzwirtschaft und die Wirtschaftspresse empfangen und in all den Jahren wohlwollend begleitet haben.

Mein besonderer Dank gilt aber den Kolleginnen und Kollegen im Hause, vor allem denen meines Dezernats, wobei ich mein persönliches Büro herausheben möchte: Ich habe meinen Sekretärinnen - an deren Spitze Sandra Hessler -, und meinem Büroleiter, Ulrich Rilling, sowie meinem Fahrer, Steffen Söllner, außerordentlich viel zu verdanken. Vor allem für ihre Loyalität und dass Sie mich als Ihren Chef angenommen, unterstützt und mein Grundprinzip des Forderns und Förderns akzeptiert haben.

Vor allem bezogen auf die Jahre vor der Bundesbank danke ich für die vielfältig erfahrene Förderung, für die richtungsweisenden Ratschläge und die Unterstützung schon in jungen Jahren. Ohne diese wäre ich nie so weit gekommen. Ebenso für die rückhaltlose Unterstützung, die ich von meiner Frau und meiner Familie erfahren durfte.

Präsident Weidmann übergab mir die Urkunde, mit der meine Amtszeit am 31. Dezember 2014 endete. Ein unwiderruflicher Akt, der durch die Unterschriften des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers dokumentiert wurde.

Wie komme ich nun los? Werde ich den eng getakteten Tagesablauf vermissen? Das war für die Männer der Antike auch schon ein Problem. Seneca, dessen Schriften ich seit Jahren fast wie ein Brevier lese, fragte sich 60 Jahre nach Christus:

"Jetzt, da ich ernten kann, soll ich mich zurückziehen? Niemand wird sich mehr an meine Seite drängen, niemand meiner Sänfte das Gefolge geben, niemand am Morgen mein Atrium aufsuchen." Aber Seneca gab andererseits seinem Altersgenossen und Freund Lucilius den Rat: "Wenn du kannst, entzieh dich den belastenden Verpflichtungen (…) Du kannst deinen Ruhestand für dich in Anspruch nehmen (…) ohne dass du irgendetwas entbehren müsstest (…). "Vindica te tibi": "Erhebe Anspruch auf dich selbst, für dich selbst."

Ich werde mich allerdings nicht wie Senecas Freunde in eine Sommervilla in die Albaner Berge mit einer kleinen, aber feinen Bibliothek mit Griffel und Wachstäfelchen zurückziehen können. Meine eigene kleine Bibliothek werde ich aber jetzt häufiger aufsuchen. Der CD-Player wird künftig auch öfter mal warm. Ich werde mehr Zeit mit meiner Frau und meiner Familie verbringen können. Mit meinen Enkeln möchte ich noch Kontakt haben, bevor sie in das Alter kommen, die Großeltern als nur lästig zu empfinden. Ich möchte aber auch ungewohnte Spontaneität entfalten, z. B. mich am Dienstagmorgen mit Freunden zum Skat in der Kneipe zu treffen. Vielleicht werde ich dabei auch mal an die gleichzeitig stattfindende Vorstandssitzung denken. Und was auch schön wäre: Die Freuden des "dolce far niente" zu ergründen.

Da ich die letzten 25 Jahre stets Vollgas gefahren bin, würde mir sicher ein abrupter Wechsel ins Nichtstun nicht guttun. Da schätzen Sie mich, lieber Herr Weidmann, ganz richtig ein. Ich werde also in begrenztem Maße weiterarbeiten. Vielleicht hier in Frankfurt, aber ganz sicher für die baden-württembergische Wirtschaft und Wissenschaft, die heute, zusammen mit Bankern des Südwestens, mit namhaften Persönlichkeiten vertreten ist und auch für das Deutsch-Amerikanische Zentrum in Stuttgart. Ebenso für meinen Heimatkreis, den Ostalbkreis, und meine Heimatstadt Schwäbisch Gmünd. Ich freue mich, dass heute unser IHK-Präsident Carl Trinkl, im Hauptberuf Chef der Kreissparkasse, Landrat Klaus Pavel und mein Oberbürgermeister, Richard Arnold, anwesend sind.

Also summa summarum: Mit heiterer Gelassenheit, mit großer Neugierde, mit Vorfreude, aber auch mit Demut schaue ich, was auf mich zukommt. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Begegnungen mit Ihnen am heutigen Tag.

Ich hoffe natürlich auch in Zukunft auf ein Wiedersehen mit Ihnen allen. Bleiben sie gesund und bleiben Sie mir gewogen.

Abschließend wünsche ich meinem Nachfolger im Vorstand, Dr. Johannes Beermann, viel Glück und Erfolg!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.