Statement - Wirtschaftspolitisches Umfeld und aktuelle Risikolage im deutschen Bankensektor Digitales Aufsichtsbriefing
Es gilt das gesprochene Wort.
1 Einleitung
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Ich begrüße Sie zum diesjährigen digitalen Aufsichtsbriefing von BaFin und Bundesbank.
Ich freue mich, Ihnen als für Finanzaufsicht und -stabilität zuständiges Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank unsere Einschätzung der Wirtschafts- und Risikolage vorzustellen.
Vor sieben Tagen wurde der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in sein Amt eingeführt. Donald Trump hat mit seinen einschneidenden Ansätzen rund um den Globus für geopolitische Planspiele gesorgt.
In 27 Tagen wird Deutschland einen neuen Bundestag wählen. Angesichts der strukturellen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft wird die neue Bundesregierung schnell ihren wirtschaftspolitischen Kurs abstecken müssen.
Geopolitik und Makroökonomie – das sind in diesem Jahr die zentralen Einflussfaktoren auf den deutschen Bankensektor. Die hohe Komplexität und Unsicherheit fordern Unternehmenssteuerung und Risikomanagement stark heraus.
Ich werde in meinem Statement zunächst die geopolitische und makroökonomische Perspektive einnehmen; im Anschluss schaue ich auf die daraus folgenden Risiken für die deutsche Bankenlandschaft.
2 Geopolitik und Makroökonomie: Unsichere Rahmenbedingungen im Doppelpack
Der Ausblick auf die deutsche und die Weltwirtschaft verheißt gleichsam erhöhte Risiken wie geminderte Chancen für die deutschen Banken.
Denn die exportorientierte deutsche Wirtschaft leidet unter zwei globalen Phänomenen: der Schwäche der Absatzmärkte, vor allem in aufstrebenden Volkswirtschaften; und der Verlagerung des Konsums weg von Waren und hin zu Dienstleistungen, wobei das verarbeitende Gewerbe zunehmend von den Industriestaaten in die Schwellenländer wandert.
Dies ist nicht der einzige Faktor, der uns in unserer Deutschland-Prognose vom Dezember zu einem verhaltenen Ausblick veranlasst hat. Auch das schwächelnde Baugewerbe und die zurückgehenden Investitionen bremsen. Wir erwarten, dass das kalenderbereinigte reale BIP 2024 leicht um 0,2 Prozent sinkt und in 2025 um 0,2 Prozent wächst.
Aber es gibt auch hoffnungsvolle Anzeichen: Beispielsweise dürfte die Nachfrage in den globalen Absatzmärkten wieder zulegen und die Arbeitslosigkeit verspricht niedrig zu bleiben.
Allerdings steht dieser Silberstreif unter dem Vorbehalt geopolitischer Wolkenbewegungen. Die SSM-Vorsitzende Claudia Buch hat jüngst treffend festgestellt, dass wir uns auf eine längere Phase anhaltender geopolitischer Spannungen vorbereiten müssen, die von hoher Unsicherheit und höherer Volatilität geprägt sein wird.“
Aber wie genau betrifft dies den deutschen Bankensektor?
Der SSM hat drei Übertragungskanäle identifiziert, über die sich die geopolitische Lage auf Banken auswirkt:
Zum ersten der Finanzmarktkanal, der sowohl über plötzliche Volatilität und Preiseinbrüche als auch über eine erhöhte Risikoaversion bei Investoren wirkt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Kursturbulenzen 2025 zunehmen.
Zum zweiten der realwirtschaftliche Kanal: Hier sorgen vor allem Handelskonflikte und Lieferkettenprobleme für Auswirkungen auf Unternehmen, aber auch die gestiegene allgemeine Unsicherheit spielt eine Rolle. Ergebnis sind erhöhte Ausfallrisiken und geringere Erträge.
Zum dritten der Sicherheitskanal: Die hybride Kriegsführung bedeutet physische und Cyber-Gefahren.
Ein Institut beziehungsweise dessen Leitung muss daher jederzeit Klarheit darüber haben, wie verletzlich es durch jeden dieser Kanäle ist, und notwendige Maßnahmen einleiten.
Dazu gehört ein holistischer Ansatz des Risikomanagements mit starken, auch qualitativen Prozessen. Die etablierten Methoden der Risikomodellierung und -bewertung sind nur unzureichend in der Lage, mit den radikal unsicheren geopolitischen und makroökonomischen Risiken umzugehen.
Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind also geprägt von Unsicherheit. Schauen wir nun darauf, was dies konkret für die wichtigsten Risikobereiche heißt, und beginnen mit den Kreditrisiken.
3 Wirtschaftliche Umbruchsphase und Kreditrisiken
Die Kreditrisiken stehen aktuell im Fokus, weil die Unsicherheit über den realwirtschaftlichen Übertragungskanal auf die Ausfallrisiken wirkt.
Diese Entwicklung, vor allem der zuletzt starke Anstieg der Unternehmensinsolvenzen, spiegelt sich auch in den Kreditportfolien der Banken wider.
Die Risikovorsorge für Kredite und der Anteil notleidender Kredite bei deutschen Instituten steigen kontinuierlich. Letzterer hat sich im dritten Quartal 2024 auf rund 1,8 Prozent erhöht: Dies ist zwar noch niedrig, aber im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht es einem Anstieg um mehr als ein Fünftel.
Ein wesentlicher Treiber sind dabei Gewerbeimmobilienkredite; deren Quote notleidender Kredite betrug zuletzt 4,5 Prozent. Zwar hat sich der preisliche Abschwung an den Gewerbeimmobilienmärkten beruhigt. Aber weder dürfen wir hier schon von einem Ende des Preisverfalls ausgehen, noch dürften sich bereits alle Risiken in den Bankbilanzen niedergeschlagen haben. Wir halten weitere Anstiege an notleidenden Krediten in den nächsten Quartalen für wahrscheinlich.
Banken sollten die Risiken in ihren Kreditportfolien daher vorausschauend steuern und die noch gute Ertragslage rechtzeitig für eine angemessene Risikovorsorge nutzen.
Mit dem Stichwort „gute Ertragslage“ kommen wir zur Zinsentwicklung.
4 Zinsgeschäft: Wie entwickelt sich die Ertragslage?
Die Ergebnisbeiträge des Zinsgeschäfts waren zuletzt hoch. Doch ein moderater Rückgang des Zinsüberschusses wird aus zwei Gründen wieder wahrscheinlicher.
Zum einen könnten sinkende Zinsen und eine schwache Kreditnachfrage die Erträge hemmen.
Zum zweiten könnten Zinsaufwände weniger stark sinken als von den Banken erhofft: Einlagenzinsen sind teils immer noch niedrig und können dann kaum weiter gesenkt werden. Zudem könnte sich der aktuell geringe Wettbewerb um Einlagen in den nächsten Jahren – wegen knapperer Ausstattung mit Zentralbankliquidität – erhöhen.
Auch deshalb sollten Institute sich für einen Rückgang des Zinsertrags wappnen. Die noch gute Ertragslage ist die beste Basis für notwendige Zukunftsinvestitionen.
5 Digitale Widerstandsfähigkeit
Zukunftsinvestitionen sind vor allem im Bereich der digitalen Systeme notwendig. Und damit sind wir beim Thema der IT-Sicherheit und dem dritten geopolitischen Übertragungskanal.
Wir sprechen von Zukunftsinvestitionen, weil sie ein entscheidender Faktor für langfristig erfolgreiche Geschäftsmodelle sind und weil sie die Kosteneffizienz erhöhen können.
Zeitgleich sind sie dringend notwendig, um den geopolitisch bedingten hohen Cybergefahren nicht zum Opfer zu fallen. Die zunehmenden und teilweise erfolgreichen Cyberangriffe krimineller Banden sowie die hybride Kriegsführung anderer Staaten erhöhen die Risiken für die IT-Sicherheit deutscher Institute erheblich.
Institute müssen ihre digitale Widerstandsfähigkeit sicherstellen. Das bedeutet, dass sie alle notwendigen technisch-organisatorischen Maßnahmen treffen, um sich vor Angriffen zu schützen, auch bei schwerwiegenden IT-Vorfällen arbeitsfähig zu bleiben sowie den Normalbetrieb schnellstmöglich wiederaufnehmen zu können.
Die konsequente Umsetzung des Digital Operational Resilience Act (DORA), der seit dem 17. Januar anzuwenden ist, ist deshalb nicht nur eine regulatorische Verpflichtung, sondern auch eine strategische Notwendigkeit. DORA trägt dazu bei, die Institute und damit auch die Integrität und Stabilität unseres Finanzsystems gegen die sich ständig weiterentwickelnden Bedrohungen angemessen zu schützen.
Doch so groß sie auch sind, IT-Risiken sind nicht die einzigen operationellen Risiken, die 2025 erhöhte Aufmerksamkeit verlangen.
6 Unsicherheit, operationelle Risiken und Governance
Wie ich ausgeführt habe, bedeutet die makroökonomische und geopolitische Lage eine Form der radikalen Unsicherheit, die das traditionelle Risikomanagement nur unzureichend abdecken kann. Was es daher zusätzlich braucht, ist eine übergeordnete Firmenkultur, die die Umsicht und Verantwortlichkeit aller Beschäftigen fordert und fördert.
Doch leider sehen wir in vielen Fällen Defizite in der Governance – die auch schon zu erheblichen Problemen geführt haben. Noch hatten wir kein mit der Silicon-Valley-Bank vergleichbares Desaster in Deutschland. Damit das auch so bleibt, sind Governance-Defizite eines der zentralen strategischen Handlungsfelder in 2025 und darüber hinaus. Hierzu zählen vor allem starke Kontrollfunktionen, klare Prozesse zur Vermeidung von Interessenskonflikten und eine auch tatsächlich gelebte, angemessene Risikokultur. Herr Röseler wird gleich darlegen, wie wir hierauf verstärktes Augenmerk legen.
Und damit komme ich zum Schluss.
7 Schluss
Meine Damen und Herren,
2025 dürfte der Doppelpack aus makroökonomischer und geopolitischer Unsicherheit zu erhöhten Kreditrisiken, fordernden Entwicklungen bei Zinsen und Erträgen sowie einer angespannten IT-Sicherheitslage und herausgeforderter Governance führen.
Als Bankenaufseher ist es vermutlich wenig überraschend, wenn ich zur Vorsicht mahne. Aber angesichts der unsicheren Rahmenbedingungen ist es hoffentlich deutlich, wie wichtig Ihr vorausschauendes Agieren ist: Sowohl bei Risikovorsorge und Governance als auch bei Zukunftsinvestitionen.