SEPA-Umsetzung in Deutschland & Europa – die Sicht der Bundesbank Vortrag auf dem Omnicard-Kongress

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute die Gelegenheit habe, Ihnen die Sicht der Bundesbank zur SEPA-Umsetzung vorstellen zu dürfen. Das „Voraussichtlich“ im Titel dieses Forums kann gestrichen werden. Denn inzwischen ist klar, dass SEPA in zwei Jahren kommt. Bitte gestatten Sie mir auch noch einen weiteren Hinweis zur Überschrift dieses Forums: Der Begriff „SEPA-Zwangsumstellung“ im Forumstitel klingt mir zu negativ, da SEPA doch viele Vorteile hat und der gewählte Begriff nur eine kleine Facette im SEPA-Prozess betont. Jedenfalls hoffe ich, dass Sie, meine Damen und Herren, heute Abend „freiwillig“ hier sind.

2 Nachholbedarf bei der SEPA-Migration

Ein ganz wesentlicher Meilenstein im SEPA-Prozess ist erreicht. Der Endtermin für die SEPA-Migration steht fest. Die nationalen Verfahren für Überweisungen und Lastschriften dürfen nur noch bis Februar 2014 angeboten werden. Seit der Veröffentlichung des Vorschlages einer „SEPA-Verordnung“ durch die Europäische Kommission ist mehr als ein Jahr vergangen bis zwischen den Experten der Europäischen Kommission, dem Europäischen Rat und des Europäischen Parlaments eine Einigung erzielt wurde. Der so entstandene Kompromissvorschlag für eine Verordnung muss nun nur noch dem EU-Parlament und dem Ministerrat zur Zustimmung vorgelegt werden. Die Verordnung soll im 2. Quartal 2012 in Kraft treten.

Damit, meine Damen und Herren, ist nach mehr als zehn Jahren das Ziel endlich erreicht. Die klassischen Zahlungsverfahren – Überweisung und Lastschrift – werden in Europa auf eine einheitliche gemeinsame Basis gestellt. Und dies war leider nicht anders möglich als im Wege einer europäischen Regulierung. Nachdem die europäische Kreditwirtschaft bei der Entwicklung und Einführung der gemeinsamen Standards für die SEPA-Überweisung und die SEPA-Lastschrift eine gute Leistung erbracht hat, hatte die Branche genügend Zeit, den Umstellungsprozess wie beabsichtigt selbst in die Hand zu nehmen. Am Ende war es jedoch sogar auch der EPC (European Payments Council) selbst – also das kreditwirtschaftliche Gremium in Europa, das SEPA einführen wollte –, der die EU-Kommission zum Handeln aufforderte. Denn als rein marktgetriebener Prozess ließ sich die erforderliche Marktdurchdringung nicht erreichen. Ohne klar definierte Endtermine kam der SEPA-Prozess nicht ausreichend in Gang.

Kaum ist es vorbei mit der Unsicherheit, die viele Unternehmen, aber auch einige Kreditinstitute davon abgehalten hat, sich ernsthaft mit SEPA zu beschäftigen, da droht die Zeit schon wieder knapp zu werden. Nun könnte der von Michail Gorbatschow in einem historisch bedeutsamen Zusammenhang berühmt gewordene Ausspruch schon wieder wahr werden: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Deshalb möchte ich Anbieter und Nutzer dazu auffordern, sich noch intensiver mit dem Thema SEPA-Umstellung zu beschäftigen. Denn vielfach zeigt sich in den Unternehmen, dass SEPA nicht „nur“ den reinen Zahlungsverkehr betrifft. Es müssen nicht nur alle Kontoverbindungen auf IBAN umgestellt werden, wodurch die Stammdaten von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern betroffen sind. Auch gilt es beispielsweise zu prüfen, was die Einführung von SEPA strategisch für ein Unternehmen bedeutet oder welche möglichen Abhängigkeiten mit Geschäftspartnern bezüglich der Umstellung des Zahlungsverkehrs bestehen. Die Anpassung aller relevanten betrieblichen Abläufe sollte daher so schnell wie möglich angegangen werden.

Vorbilder bei der SEPA-Migration finden sich im privatwirtschaftlichen Sektor aber auch unter den öffentlichen Verwaltungen in Deutschland. Insbesondere der Deutsche Renten Service hat es geschafft, die Umstellung erfolgreich zu vollziehen. Bei den dahinter liegenden komplexen Umstellungsprozessen hat die Deutsche Kreditwirtschaft bereits sehr gute Unterstützungsarbeit geleistet. Dies stimmt mich sehr zuversichtlich, dass auch bei den noch zu stemmenden Migrationsanstrengungen bei Unternehmen und öffentlichen Kassen in den kommenden zwei Jahren die Unterstützungs- und Beratungsleistungen der Deutschen Kreditwirtschaft sich weiterhin auf diesem hohen Niveau bewegen.

3 Regulierung mit Augenmaß

So gilt es zwar schnell zu handeln, aber es sollte auch niemand „bange“ gemacht werden. Denn nach Abschluss der TRILOG-Verhandlungen zeigt sich die SEPA-Verordnung als guter Kompromiss. Es ist eine Regulierung mit Augenmaß geworden, die Spielräume für die nationale Umsetzung einräumt. Bei ausreichender Harmonisierung auf europäischer Ebene nimmt die SEPA-Verordnung mit ihren verschiedenen Optionen für Mitgliedstaaten genügend Rücksicht auf nationale Besonderheiten und lässt in besonders schwierigen Fällen noch mehr Zeit für die notwendigen Anpassungsprozesse.

Die SEPA-Verordnung ermöglicht dem allein in Deutschland angewandten Elektronischen Lastschriftverfahren (ELV) einen Bestandschutz bis zum 1. Februar 2016. Diese Ausnahmeregelung, von der der deutsche Gesetzgeber sicherlich Gebrauch machen dürfte, ist ein wichtiger deutscher Verhandlungserfolg, denn das ELV-Verfahren wird vom deutschen Einzelhandel als weiterhin notwendige Ergänzung zum kreditwirtschaftlichen Girocard-Verfahren gesehen. Mit der vorgesehenen Ausnahmeregelung für das ELV-Verfahren bliebe dem Einzelhandel und der Kreditwirtschaft ausreichend Zeit zur Entwicklung einer SEPA-fähigen Alternative, falls das Verfahren weiterhin für notwendig erachtet wird.

Des Weiteren regelt die vorgesehene Verordnung ein zweites, rein deutsches Problem: die Umdeutung der Mandate im Lastschriftverkehr. Denn mit der vorgesehenen SEPA-Verordnung werden bereits erteilte Einzugsermächtigungen im Verordnungswege auf das SEPA-Mandat umgestellt, falls keine nationale gesetzliche Regelung oder vertragliche Vereinbarung besteht. In Deutschland wurde nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2010 die Migration der Einzugsermächtigung in SEPA-Mandate bereits durch Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute möglich. Die Kreditwirtschaft hat die notwendigen AGB-Änderungen bereits vorgenommen. Ein Inkrafttreten der geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist für Juli 2012 geplant. Die jahrelang als mit der SEPA-Einführung unvermeidbar geltende Neueinholung von Mandaten für die SEPA-Lastschrift wird nun überflüssig. Der SEPA-Migration dürfte daher aus Sicht der Lastschrifteinreicher der Schrecken genommen worden sein. Leider sind in letzter Zeit vereinzelt Berichte in der Presse aufgetaucht, in denen von Aktionen von Kommunen oder auch Vereinen zur angeblich notwendigen Neueinholung von Lastschrift-Mandaten wegen der SEPA-Umstellung berichtet wird. Dies hat Reaktionen bei verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern und Vereinsmitgliedern hervorgerufen. Hier ist es die Aufgabe der Kreditwirtschaft, ihre Lastschrifteinreicher schnell zu informieren, dass eine Neueinholung von bestehenden Mandaten für die SEPA-Umstellung nicht notwendig ist.

4 Kundenfreundliche Umstellung entscheidend

Die kundenfreundliche Umstellung auf die SEPA-Verfahren ist ein entscheidender Faktor für einen erfolgreichen Migrationsprozess, der wesentlich vom Vertrauen der Kunden in die neuen Zahlverfahren abhängt. Daher sollte die Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs im Interesse aller beteiligten Akteure sein. Neben der Ausnahmeregelung für das ELV-Verfahren sieht die SEPA-Verordnung weitere nationale Spielräume bei der Umsetzung vor, die vorwiegend auf eine verbraucherfreundliche SEPA-Umstellung abzielen. Ob diese Gestaltungsspielräume ausgenutzt werden, liegt im Ermessen des nationalen Gesetzgebers. Im Sinne einer verbraucherfreundlichen SEPA-Migration sollten die entsprechenden Optionen jedoch vom deutschen Gesetzgeber genutzt werden.

Zum einen sieht die SEPA-Verordnung vor, den Kunden ab dem 1. Februar 2016 gänzlich von der verpflichtenden Angabe des BIC zu befreien. Für nationale Zahlungen ist diese Regelung bereits ab dem 1. Februar 2014 vorgesehen, es sei denn, der Mitgliedstaat nutzt die in der Verordnung vorgesehene Freistellungsmöglichkeit und erlaubt eine entsprechende Ausnahmeregelung. Da die IBAN jedoch bereits die Angaben zur Identifizierung des Zahlungsdienstleisters enthält, ist es für Endverbraucher schwer verständlich, wieso darüber hinaus auch noch der BIC angegeben werden sollte. Daher ist es sehr erfreulich, dass weite Teile der Deutschen Kreditwirtschaft bereits signalisiert haben, dass sie die Umsetzung der IBAN-only-Lösung für nationale Zahlungen bis zum 1. Februar 2014 als machbar erachten.

Eine weitere verbraucherfreundliche Ausnahmeregelung in der SEPA-Verordnung macht es den Mitgliedstaaten möglich, den Zahlungsdienstleistern zu erlauben, von den Verbrauchern bis zum 1. Februar 2016 weiterhin Kontonummer und Bankleitzahl entgegennehmen zu können. Die Zahlungsdienstleister wären dann verpflichtet, eine kostenlose und sichere Konvertierung in die IBAN vorzunehmen. Da sich insbesondere die deutsche Regierung bei den europäischen Verhandlungen zur SEPA-Verordnung für eine derartige Möglichkeit eingesetzt hat, ist damit zu rechnen, dass der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird.

Die Rechte des Kontoinhabers stärkt die geplante SEPA-Verordnung explizit. So müssen die Zahlungsdienstleister ihren Kontoinhabern ab dem 1. Februar 2014 ermöglichen, die Einlösung von Lastschriften dem Betrag nach zu begrenzen oder auf bestimmte Zahlungsempfänger einzuschränken. Auf diese Weise können Verbraucher ihre Konten gegen missbräuchliche Lastschriften schützen.

5 Ausbau der Verfahren weiterhin nötig

Aber mit der SEPA-Verordnung sollte nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein, was die Ausgestaltung von Überweisung und Lastschrift durch die Anbieter angeht. Die SEPA-Verordnung legt grundsätzlichen Anforderungen an Überweisungen und Lastschriften fest, die als Basis für ein differenziertes Leistungsangebot im Massenzahlungsverkehr verstanden werden sollen. So erfüllen die SEPA-Überweisung und die SEPA-Lastschrift in ihrer Basisversion die Anforderungen der Verordnung. Doch darüber hinaus können weiterhin Zusatzservices zwischen den Kreditinstituten vereinbart werden. Vor allem für die SEPA-Lastschrift hat sich der European Payments Council schon auf optionale Bestandteile geeinigt, mit denen spezifische Nutzerwünsche erfüllt werden können.

Hervorzuheben ist das elektronische Lastschriftmandat (E-Mandat), das die Erteilung eines Lastschriftmandats auf elektronischem Wege, ohne papierhaftes Mandat, ermöglicht. Gerade im wachsenden Internethandel könnte die SEPA-Lastschrift auf diese Weise ein europaweit einsetzbares, rechtssicheres Zahlungsinstrument werden. Denn heutzutage erfolgt die Nutzung der deutschen Einzugsermächtigungslastschrift im Internethandel häufig ohne schriftliche Mandatserteilung, was nicht verfahrenskonform ist. Das E-Mandat könnte diese Lücke schließen. Vor dem Auslaufen der Altverfahren sollte die Kreditwirtschaft zu einer flächendeckenden Lösung gelangen.

Einer weiteren Option hat der EPC im letzten Jahr ebenfalls zugestimmt. Auf besonderen Wunsch großer deutscher Nutzergruppen haben Teile der deutschen Kreditwirtschaft auf eine Option zur Verkürzung der Vorlauffristen bei der SEPA-Lastschrift gedrängt. Nun besteht die Möglichkeit, ab November 2012 eine Variante der SEPA-Lastschrift auf den Markt zu bringen, die mit einem Tag Vorlauffrist auskommt. Entscheidend ist, dass die Zahlungsdienstleister die Erreichbarkeit für dieses Verfahren sicherstellen. Ich meine, dass die Deutsche Kreditwirtschaft dieses Verfahren unterstützen sollte. Denn durch SEPA sollte es nicht zu Verschlechterungen des Leistungsangebotes kommen.

6 SEPA-Kommunikationsmaßnahmen forcieren

Entscheidend für eine erfolgreiche SEPA-Migration sind die begleitenden Kommunikationsmaßnahmen. Kommunikation gegenüber Verbrauchern und Unternehmen ist eine gemeinsame Aufgabe aller am SEPA-Prozess beteiligten Akteure. Auch die SEPA-Verordnung stellt diesen Umstand unmissverständlich heraus. Gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sollte der Schwerpunkt der Kommunikationsmaßnahmen auf den Auswirkungen des Abschaltens der nationalen Zahlverfahren auf ihre alltäglichen Bankgeschäfte liegen. Hervorzuheben ist insbesondere die Aufklärung über die Nutzung der IBAN (International Bank Account Number) und des BIC (Business Identifier Code), die die althergebrachten Kontoidentifikatoren (Kontonummer und Bankleitzahl) ersetzen. Eine einfach umzusetzende, gleichwohl effektive Maßnahme in diesem Zusammenhang ist das Anbringen von IBAN und BIC auf den Bankkundenkarten. Viele Kreditinstitute tun dies bereits, andere sind auf dem Weg dahin.

Selbstverständlich ist eine reibungslose Umstellung auf die SEPA-Verfahren auch ureigenes Interesse der Bundesbank. Daher wird die Bundesbank die breite Öffentlichkeit durch die verstärkte Bereitstellung von Basisinformationen zum SEPA-Prozess unterstützen. Im Rahmen des deutschen SEPA-Rates, in dem die wichtigsten, an der Migration auf SEPA beteiligten Interessengruppen vertreten sind, werden gemeinsame Kommunikationsanstrengungen unter Einbeziehung der Kreditwirtschaft und der Endnutzer erörtert und aufeinander abgestimmt.

Die auf Unternehmen ausgerichtete Kommunikation muss über die die Verbraucherkommunikation hinausgehen. Grundsätzliche Aufklärungsarbeit über die Auswirkungen des Auslaufens der nationalen Überweisungs- und Lastschriftverfahren ist notwendig. Unternehmen müssen sensibilisiert werden, um zu wissen, was, wann und warum getan werden muss. Es muss allen Beteiligten deutlich sein, dass der 1. Februar 2014 der entscheidende Stichtag ist. Vor allem Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass die möglichen Ausnahmeregelungen der SEPA-Verordnung lediglich für Verbraucher gelten.

7 Schlusswort

Bis dahin sollten alle an SEPA Beteiligten zusammen darauf hinwirken, dass die Umstellung so reibungslos wie möglich von statten geht. Es sollte für die Nutzer von SEPA nur die positive Wirkung eines gemeinsamen Binnenmarktes spürbar werden: nämlich die zunehmende Effizienz des Zahlungsverkehrs. Unternehmen und Kreditinstitute sollten die verbleibende Zeit nutzen, um die innerbetrieblichen Prozesse im Zahlungsverkehr so umzurüsten, dass wie bei einem guten Geschäft üblich, es für beide Seiten zu einer Win-Win-Situation kommt. Wer zu spät kommt, um diese Chancen zu nutzen, meine Damen und Herren, den – um das große Wort von Herrn Gorbatschow noch einmal aufzugreifen – wird das Leben strafen.