Rede anlässlich der Eröffnung des neuen Geldmuseums
Es gilt das gesprochene Wort.
1 Einleitung
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich Willkommen zur Eröffnung unseres neuen Geldmuseums.
Das Wort "Museum" stammt aus dem Altgriechischen. Es bezeichnete den Tempel der Musen, also das Heiligtum der Schutzgöttinnen von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Schon in Alexandria – vor dem Aufstieg Roms die größte Metropole der antiken Welt – wandelte sich aber die Bedeutung: Dort war ein Museum ein Ort, an dem Gelehrte forschten und unterrichteten.
Unser heutiges Verständnis von Museum hat sich in der Neuzeit herausgebildet, als aus fürstlichen Sammlungen erste öffentliche Museen der Naturwissenschaften oder der Kunst entstanden. Später waren es wohlhabende Bürgerfamilien, die mit ihren Stiftungen Museen begründeten. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das Frankfurter Städel Museum.
Nun mögen Sie sich vielleicht fragen, warum auch die Bundesbank ein Museum unterhält. Unser Geldmuseum beschränkt sich nicht darauf, historische Münzen auszustellen. Und es ist auch kein Museum über die Geschichte der Bundesbank.
Wir wollen stattdessen mit unserem Museum über die Geschichte des Geldwesens, die Arbeit der Notenbanken und die Bedeutung stabiler Preise informieren. Unser Geldmuseum ist also zugleich ein historisches und ein didaktisches Museum. 1999 haben wir es eröffnet, und jedes Jahr darin etwa 40.000 Besucher empfangen.
Aber im Laufe der Zeit wurde eine Neukonzeption notwendig. Denn das alte Museum hat die Zeit seit der Einführung des Euro und die neue Rolle der Bundesbank im Eurosystem nur unvollständig abgebildet. Die Finanz- und Staatsschuldenkrise der Jahre 2007 und danach fehlte sogar vollständig. Und seit 1999 hat der technische Fortschritt neue Wege in der Wissensvermittlung möglich gemacht – Multimedia ist hier nur ein Stichwort. Diese neuen Möglichkeiten wollten wir unseren Besuchern nicht vorenthalten.
Zwei Jahre war das Museum geschlossen. Heute können wir es komplett neu gestaltet eröffnen. Und alles ist pünktlich fertig geworden. Mein Dank an alle Beteiligten, die dieses Gemeinschaftsprojekt gestemmt und ihm gerade in der Endphase Flügel verliehen haben.
Das Geldmuseum wird jetzt wieder zu einem zentralen Ort unserer ökonomischen Bildungsaktivitäten werden. Wir wollen darin anschaulich über Geld, seine Geschichte und die Aufgaben moderner Zentralbanken informieren. Dieses "Zentralbankwissen" einem breiten Kreis von Interessierten zu vermitteln, ist uns sehr wichtig.
Eine stabilitätsorientierte Notenbank hat ja ein ureigenes Interesse daran, dass die Bevölkerung nicht nur eine abstrakte Vorstellung von Geldwertstabilität hat, sondern auch den konkreten Nutzen stabilen Geldes wertschätzt. Verständnis einer auf Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik schafft Vertrauen. Und das Vertrauen der Bevölkerung in unser Wirken für die Preisstabilität ist die Grundlage für den Rückhalt, den wir genießen und der für unsere Arbeit so wichtig ist. Vertrauen ist bekanntlich das wahre Kapital einer Notenbank.
Leider ist das Wissen über Notenbankthemen in der Bevölkerung häufig nicht besonders ausgeprägt. Das mag zum Teil damit zusammenhängen, dass der eine oder andere scherzhaft sagt: "Zum Geld hatte ich schon immer ein distanziertes Verhältnis – es war nie dort, wo ich war."
Gerade bei den unter 30-Jährigen hat das Wissen um die Notenbanken und ihre Themen in den zurückliegenden Jahren stark abgenommen. Es ist inzwischen deutlich geringer als bei der restlichen Bevölkerung: Nur noch 19 % dieser Altersgruppe sagt von sich, dass sie von den Aufgaben der Bundesbank eine recht genaue Vorstellung habe – 2009 waren es noch 28 %.
Vielleicht liegt das an der Komplexität und der Abstraktheit der Themen. Nur bei wenigen Fragen – wie zum Beispiel den Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds – sind die Folgen der Geldpolitik unmittelbar für die Mehrheit der Bürger erfahrbar. Und vielleicht spielt hier auch eine Rolle, dass sich die Jüngeren anders informieren, als meine Generation das gewohnt ist: Weniger über Zeitung, Radio und Fernsehen und mehr über soziale Medien wie Facebook, Youtube und Twitter.
Immerhin macht die Tatsache Hoffnung, dass der Anteil der Jüngeren, die sich für Wirtschaft interessieren, in den vergangenen drei Jahren wieder kräftig gestiegen ist: Laut einer Studie des Bankenverbandes von 22 % im Jahr 2012 auf 34 % im vergangenen Jahr.
Die Jüngeren wollen sich offenbar wieder informieren – aber eben anders als früher. Dazu wollen wir mit unserem neu gestalteten Geldmuseum ein zeitgemäßes Angebot machen. Damit aus Interesse Wissen werden kann.
2 Blick zurück: Preisstabilitätsziel und Zentralbankunabhängigkeit in der Notenbankgeschichte
Wir haben uns bei der Neugestaltung des Museums von der Überzeugung leiten lassen, dass abstrakte Konzepte wie "Preisstabilität" und "Finanzstabilität" verständlicher werden, wenn wir unsere Besucher in ihrer Lebenswirklichkeit abholen.
Die Themen der Geldpolitik werden anhand von Alltagserfahrungen konkret erfahrbar. Dabei können die Besucherinnen und Besucher jedes Thema anhand der Gegenwart und anhand der Geschichte betrachten.
Beim Thema Preisstabilität haben wir zum Beispiel einen Supermarkt nachgestellt. Er soll den Besuchern anschaulich vermitteln, wie die Inflationsrate anhand der Preissteigerungen für einen durchschnittlichen Warenkorb berechnet wird. Für den geschichtlichen Zugang zum Thema Preisstabilität informiert das Geldmuseum über vergangene Inflations-Episoden.
Wer in dem Museum auf die Geschichte achtet, wird merken: Die Geschichte des Geldes ist eine Geschichte von Inflation, Deflation und Bankenkrisen. Im Laufe der Zeit hat sich als Antwort auf diese Probleme die moderne Notenbank herausgebildet. Und erst am Ende dieser Entwicklung steht die unabhängige, vornehmlich der Preisstabilität verpflichtete Notenbank, wie man Sie heute in sehr vielen Ländern findet. Die Lehren aus den 1970er Jahren haben auf diesem Weg eine wichtige Rolle gespielt. Zu der Zeit war man in vielen Ländern überzeugt, eine steigende Arbeitslosigkeit ließe sich mit billigem Geld bekämpfen.
Wohl niemand hat die damals vorherrschende Sichtweise so auf den Punkt gebracht wie der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt mit den Worten: "lieber fünf Prozent Inflation, als fünf Prozent Arbeitslosigkeit"
.
Diese Haltung stieß in der Bundesbank auf Widerspruch. Der frühere Bundesbankpräsident Otmar Emminger warnte: "Wer mit der Inflation flirtet, der wird von ihr geheiratet."
Und so kam es auch. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit hatte in sehr vielen Ländern strukturelle Gründe. Dagegen konnte die Geldpolitik wenig ausrichten. Der Versuch, strukturelle Probleme mit einer lockeren Geldpolitik zu bekämpfen musste scheitern – und er ist gescheitert. Am Ende standen hohe Inflationsraten und hohe Arbeitslosigkeit – ein Zustand der später als Stagflation bezeichnet wurde.
Deutschland und die Schweiz haben die 1970er Jahre mit vergleichsweise geringen Inflations- und Arbeitslosigkeitsraten überstanden. Politiker und Zentralbanker anderer Länder konnten daran erkennen, dass eine stabilitätsorientierte Geldpolitik letztlich unabhängig von politischer Einflussnahme sein muss und die Notenbank ihre Politik vornehmlich am Ziel stabiler Preise auszurichten hat.
In den drei Jahrzehnten vor dem Ausbruch der Finanzkrise haben dann tatsächlich viele Länder das Mandat ihrer Zentralbanken enger gefasst und auf Preisstabilität ausgerichtet. Gleichzeitig wurde die Geldpolitik unabhängiger. Die großen Zentralbanken haben sich damit immer weiter dem Modell der Bundesbank angenähert, die schon von Anfang an ein sehr hohes Maß an Unabhängigkeit besessen hat.
Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildete schließlich die Gründung der EZB, deren Unabhängigkeit nach dem Vorbild der Bundesbank gestaltet wurde. Dieses Konzept war sehr erfolgreich. In fast allen Industrieländern konnte die Inflation erfolgreich bekämpft werden.
Dieser Erfolg erklärt auch, warum viele Bürger Inflation heute nicht mehr als drängendes Problem wahrnehmen. In Deutschland zählen laut dem Eurobarometer derzeit nur 7 % der Befragten steigende Preise zu den wichtigsten ökonomischen Problemen ihres Landes. Im Frühjahr 2012 waren es noch mehr als 20 %. In der EU liegt der Durchschnittswert aktuell bei 13 %.
Neben der Einwanderung sorgen sich die befragten Europäer vor allem um die hohe Arbeitslosigkeit und das eher verhaltene Wachstum.
Heute wie damals hat die Wachstumsschwäche aber vor allem strukturelle Gründe. Zum Beispiel wächst die Produktivität nur langsam. Die Menge an Gütern und Dienstleistungen, die ein Arbeitnehmer in einem Jahr produziert, legt im Euro-Raum nur noch mit einem halben Prozent im Jahr zu. Vor der Krise wuchs die Produktivität noch doppelt so schnell – und Ende der 1990er Jahre war das Produktivitätswachstum sogar noch höher.
Und in vielen Ländern des Euro-Raums sind die Regierungen und privaten Haushalte noch damit beschäftigt, ihre teilweise sehr hohe Verschuldung zurückzuführen. Auch dies dämpft das Wachstum.
Wir haben es also nicht in erster Linie mit einer Nachfrageschwäche zu tun, sondern mit einem niedrigen Wachstumstrend. Die Geldpolitik ist dagegen weitgehend machtlos. Den Schlüssel zu mehr Wachstum hält die Politik in den Händen, nicht die Notenbank. Ich weise schon seit längerem darauf hin, dass wir die Geldpolitik nicht überfordern dürfen.
Mit der Geldpolitik strukturelle Probleme bekämpfen zu wollen hieße, die Fehler der 1970er Jahre zu wiederholen – wenngleich sich die heutige Situation in vieler Hinsicht von der damaligen unterscheidet.
Aber mein Eindruck ist: Seit dem Ausbruch der Krise, also erst der Finanz- und Wirtschaftskrise, später der Staatsschuldenkrise, werden immer größere Erwartungen an die Geldpolitik gerichtet. Mit Blick auf den Euro-Raum sehen manche sogar in der EZB den einzigen handlungsfähigen Akteur.
Es ist auch eine Tatsache, dass den Notenbanken als Reaktion auf die Krise immer mehr Verantwortung übertragen wurde. Zum Beispiel im Bereich der Bankenaufsicht und der Finanzstabilität. Der Economist stellte bereits im Jahr 2011 fest: "For better or for worse, the world is relying more than ever on its central banks."
Nun kann es zwischen den verschiedenen Zielen durchaus Spannungen geben. Eine langanhaltende Phase sehr niedriger Zinsen kann zwar dazu führen, dass die Güterpreise wieder stärker steigen. Sie kann gleichzeitig aber auch einen starken Anstieg der Vermögenspreise auslösen. Hätte die Notenbank nun zum Beispiel ein duales Mandat, müsste sie zwischen den Zielen Preisstabilität und Finanzstabilität abwägen. Das aber würde sie politisch angreifbar machen. Was nicht heißt, dass wir die Effekte der Geldpolitik auf die Finanzmärkte und die Finanzstabilität ignorieren sollten, denn sie können auch auf die Preise wirken.
Im Euro-Raum kommt noch etwas anderes hinzu: Staatsanleihekäufe verwischen die Grenze zwischen der einheitlichen Geldpolitik und der Fiskalpolitik, über die weiterhin die einzelnen Mitgliedstaaten weitgehend autonom entscheiden. Dies birgt die Gefahr einer Politisierung der Geldpolitik.
Es darf nicht der Eindruck entstehen, die Notenbanken würden für die Politik in die Bresche springen oder die Geldpolitik würde sich gar an Wahlergebnissen ausrichten. Denn dann würde womöglich die Unabhängigkeit der Notenbanken in Frage gestellt, und das dann aus gutem Grund. Unabhängigkeit ist aber eine wichtige Voraussetzung für Preisstabilität – und die dient uns allen.
3 Blick nach vorn: Gegenwart wird Vergangenheit
Meine Damen und Herren,
Museen beschäftigen sich meistens mit der Vergangenheit. Und irgendwann wird auch die Gegenwart zur Vergangenheit. Ich habe mich gefragt: Was wird dieses Museum einmal über die Finanzgeschichte unserer Zeit sagen? "Das Merkwürdige an der Zukunft ist wohl die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal die gute alte Zeit nennen wird"
, wusste schon Ernest Hemingway.
Ich möchte, dass unsere Besucher dann immer noch einen stabilen Euro im Portemonnaie haben, wenn sie hier im Museum, in Paris, Madrid oder Helsinki ihren Kaffee bezahlen.
Damit das so kommt, ist es – erstens – wichtig, dass die Geldpolitik tatsächlich gestrafft wird, wenn die Inflationsrate sich wieder nachhaltig in den Bereich bewegt, den die EZB als Preisstabilität definiert – und zwar unabhängig davon, was dies für die öffentlichen Finanzen in einzelnen Mitgliedstaaten bedeutet.
Darum ist es – zweitens – so wichtig, dass die Länder im Euro-Raum ihre Haushalte so aufstellen, dass in der Zukunft steigende Zinsen verkraftbar sind. Solide Haushalte sind eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Währungsunion, und dafür tragen die Regierungen die Verantwortung.
Eine ausführliche Erörterung des Ordnungsrahmens der Währungsunion und der sich daraus ergebenen Herausforderungen möchte ich Ihnen heute ersparen und Sie auf unser Museum verweisen. Ich habe mich dazu schon so oft geäußert, dass ich es damit schon in das Museum geschafft habe.
Meine Damen und Herren,
wenn Sie nachher einen Rundgang durch unser Museum machen, können Sie im letzten Raum eine Präsentation von aktuellen Geldscheinen aus aller Welt bewundern.
Nun wurde in diesem Jahr viel über die Abschaffung von Geldscheinen und die Einführung digitaler Währungen diskutiert.
Manch einer mag sich daher fragen, ob wir unserer Geldscheinsammlung in den kommenden Jahren noch weitere Exemplare hinzufügen können oder ob das Bargeld irgendwann vollständig von der Bildfläche verschwinden wird und wir nur noch auf digitalem Weg mit Smartphones bezahlen?
Ich möchte dazu nur eines sagen: Wir in der Bundesbank wissen, dass Bargeld in Deutschland nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel ist. Wir wollen Ihnen nicht vorschreiben, ob Sie bar, per Karte, mit dem Smartphone oder per Überweisung bezahlen. Solange Sie Bargeld verwenden möchten, soll auch die Geschichte des Bargelds weitergeschrieben werden.
Gleichzeitig sind wir uns der neuen Möglichkeiten auf dem Gebiet des elektronischen Zahlungsverkehrs bewusst. Wir möchten den Nutzern unserer Zahlungs- und Abwicklungssysteme natürlich stets einen zeitgemäßen Service bieten.
Darum haben wir vor kurzem das Forum Zahlungsverkehr gegründet, in dem wir uns halbjährlich mit Wirtschaft, Banken, Handel und Vertretern der Verbraucher austauschen.
Und wir haben kürzlich gemeinsam mit der Deutschen Börse einen Prototyp für ein Wertpapierhandelssystem vorgestellt, das auf der Blockchain-Technologie basiert.
4 Schluss
Meine Damen und Herren,
dem Arzt und Aphoristiker Gerhard Uhlenbrock wird der Satz zugeschrieben, Geld würde heute Knete genannt, weil man jeden damit weich bekommt. Ich möchte mir dieses etwas pessimistische Urteil nicht zu Eigen machen. Aber ich bin froh, dass er nicht behauptet hat, Geld hieße Knete, weil es mit der Zeit weich wird.